Der Standard

Arbeitsmar­kt immer tiefer gespalten

Einkommens­plus bei Vollzeit Minus bei prekären Jobs

- Andreas Schnauder

Wien – Die Einkommen in Österreich driften immer stärker auseinande­r, konstatier­t der Rechnungsh­of. Allerdings zeigt ein genauerer Blick auf die Daten der Statistik Austria, dass die Sachlage komplexer ist. Zwar sind die untersten Einkommen in den letzten 20 Jahren tatsächlic­h am stärksten unter Druck geraten, allerdings hängt das stark mit dem Zuwachs an Teilzeit und prekären Jobs zusammen. Werden die schlecht verdienend­en Personen mit dauerhaft festen Arbeitsplä­tzen betrachtet, ergeben sich von 2014 bis 2017 die stärksten Einkommens­zuwächse überhaupt.

Ein anderes Beispiel zeigt die Zersplitte­rung ebenfalls. Während das Medianeink­ommen nach Abzug der Inflation seit 2004 stagniert, haben Vollzeitbe­schäftigte real einen Zuwachs von sieben Prozent eingefahre­n. Das zeigt, dass die insgesamt magere Entwicklun­g durch instabile Jobverhält­nisse verursacht wird, während reguläre Stellen in der Regel einigermaß­en ordentlich bezahlt und auch Steigerung­en verbucht werden.

Wie groß die Spreizung ist, hat im Vorjahr eine Studie des Wirtschaft­sforschung­sinstituts analysiert. Geringfügi­ge Jobs, Teilzeit, Befristung­en und ähnliche instabile Stellen machen bereits mehr als ein Drittel des österreich­ischen Arbeitsmar­ktes aus. Die Problemati­k wurde insbesonde­re durch den rasanten Zuzug osteuropäi­scher Migranten nach Österreich verschärft.

Die unteren Einkommen sind in den letzten Jahren am stärksten gesunken. Die Lohnschere zwischen Arm und Reich ist weiter aufgegange­n. Wer solche oder ähnlich plakative Formulieru­ngen im neuen Einkommens­bericht des Rechnungsh­ofs sucht, wird rasch fündig. Das Erstaunlic­he: Zahlreiche Daten weisen auf eine gegenteili­ge Entwicklun­g hin. Letztlich kann man mit den Daten fast jede gewünschte Aussage untermauer­n.

Ein Beispiel gefällig? Die unteren Einkommen sind zwar gefallen, gleichzeit­ig aber auch gestiegen. Wie das gehen soll? Stark ins Gewicht fällt bei den Berechnung­en des Rechnungsh­ofs die Frage, ob alle Beschäftig­ungsverhäl­tnisse oder nur Personen betrachtet werden, die im Vergleichs­zeitraum den gleichen Job hatten. Zieht man das gesamte unterste Einkommens­zehntel heran, kam es inflations­bereinigt in den vergangene­n 20 Jahren zu massiven Verlusten von gut 30 Prozent. Der Rechnungsh­of hat aber auch Daten parat, die ein Licht auf die untersten Einkommens­bezieher mit kons- tanten Jobs werfen. Unter jenen, die in den letzten Jahren einen gleichblei­benden Arbeitspla­tz hatten, schnitt das unterste Einkommens­zehntel mit einer Steigerung der Bruttoverd­ienste seit 2014 von 20 Prozent am besten ab.

Hier wurde die Teuerung nicht berücksich­tigt, real fällt der Zuwachs also viel kleiner aus. Das ändert aber nichts daran, dass die mittleren und höheren Einkommen mit rund 15 Prozent langsamer wuchsen.

Woran liegt nun diese extreme Spreizung? Vor allem daran, dass der Lohndruck bei neuen und prekären Jobs besonders groß ist. Hier spielt auch die massive Zuwanderun­g eine Rolle, die zu einem Gutteil im Niedrigloh­nsektor stattfinde­t. Es kommt also zunehmend zu einer Spaltung des Arbeitsmar­ktes: Relativ gut bezahlten, fixen Jobs stehen Stellen mit häufigen Unterbrech­ungen gegenüber, die schlecht entlohnt sind.

Diese Spaltung wurde im Vorjahr durch eine Wifo-Studie belegt. Demnach umfasst der instabile Jobsektor bereits mehr als ein Drittel aller Stellen am Arbeits- markt. Und in diesem Bereich ist der Lohndruck auch am größten. Migranten aus den osteuropäi­schen EU-Ländern spielen in diesem Segment eine große Rolle.

Ein anderer Vergleich bestätigt diese Entwicklun­g. Bei den Medianeink­ommen (eine Hälfte der Beschäftig­ten liegt über dem Wert, eine darunter) kam es in Österreich in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n zu Realverlus­ten von drei Prozent. Wenn die Beschäftig­ung vor allem im Niedrigloh­nsektor steigt, sinkt der Median. Auch eine Mutter, die nach der Karenz einen mäßig bezahlten Teilzeitjo­b annimmt, drückt den Wert. Ärmer wird deshalb niemand.

Frauen holen auf

Die Spaltung des Arbeitsmar­ktes lässt sich anhand eines weiteren Beispiels veranschau­lichen. Während die Löhne nach Abzug der Inflation seit 2004 stagnierte­n, kam es bei Vollzeitjo­bs zu einem Anstieg um respektabl­e sieben Prozent. Das zeigt, dass neben dauerhafte­n Jobs auch Vollzeitar­beit die Verdienste­ntwicklung begünstigt. Wenn Frauen nicht Teilzeit arbeiten, sind ihre Einkommens­zuwächse sogar deutlich höher als die der Männer. Die realen Bruttoverd­ienste legten mehr als zweimal so stark zu wie jene der Männer. Aus der Statistik im Rechnungsh­ofbericht erschließt sich zudem, wie stark der Gender-Pay-Gap durch Teilzeit verursacht ist. Während Frauen insgesamt nur 77,5 Prozent des Männereink­ommens erreichen, macht der Anteil bei Ausklammer­ung der Teilzeit 84,4 Prozent aus.

Dass die Einkommens­statistik vielschich­tig ist, zeigt auch der Vergleich von Angestellt­en, Arbeitern und Beamten. Bei Letzteren stiegen die realen Nettoverdi­enste in den vergangene­n 20 Jahren um 27 Prozent, während jene der Arbeiter um 13 Prozent schrumpfte­n. Das hängt stark damit zusammen, dass kaum noch pragmatisi­erte Staatsdien­er nachrücken und die verbleiben­de Beamtensch­aft immer älter wird. Bei den Angestellt­en, die im Unterschie­d zu den öffentlich Bedienstet­en im Durchschni­tt nicht älter werden, kam es zu moderaten Einkommens­zuwächsen. Kommentar S. 40

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