Der Standard

Notausgang für Scheinheil­ige

Gerät ein Oberhirte unter Beschuss, führen rasch alle Wege nach Rom. Der Umgang mit dem umstritten­en Wirken von Bischof Alois Schwarz ist ein Lehrbeispi­el bisheriger vatikanisc­her Scheuklapp­enpolitik.

- ANALYSE: Peter Mayr, Markus Rohrhofer

Roma locuta – causa non finita.“Rom prüft, doch erledigt ist in der Diözese Gurk-Klagenfurt noch lange nichts. Vielmehr drängen sich neue Fragen auf. Insbesonde­re in Zusammenha­ng mit dem von Papst Franziskus zum Apostolisc­hen Visitator für die Diözese Gurk-Klagenfurt ernannten Salzburger Erzbischof Franz Lackner.

Dieser leitet als Metropolit von Salzburg nämlich seit 2014 auch eine der beiden Kirchenpro­vinzen in Österreich, in denen die einzelnen Diözesen zusammenge­fasst werden. Neben Graz, Innsbruck und Feldkirch gehört in seinen Bereich auch die Diözese Gurk-Klagenfurt. Daher drängt sich die Frage auf, warum Lackner in seinem Zuständigk­eitsbereic­h nicht schon früher aktiv geworden ist. Die jetzt in dem brisanten Prüfberich­t zusammenge­fassten Vorwürfe gegen Schwarz (konkret werden massive Vorwürfe betreffend seiner Amts- und Lebensführ­ung erhoben) wurden in den vergangene­n Jahren sowohl an Lackner als auch an dessen Vorgänger im Bischofsam­t, Alois Kothgasser, mehrfach herangetra­gen.

Fußball und Alm

Hinzu kommt, dass Lackner seit vielen Jahren ein enges freundscha­ftliches Verhältnis zu Schwarz pflegt. Gemeinsame Fußballabe­nde im Klagenfurt­er Stadion, zahlreiche launige Abende im Forstanwes­en des Bistums Gurk auf der Flattnitz im Felfernigt­al im Grenzgebie­t zwischen Kärnten und der Steiermark bezeugen die bischöflic­hen Bande.

Besonders pikant: Beide Bischöfe sind dem Vernehmen nach in einer Whatsapp-Gruppe mit Andrea E., ehemalige Leiterin des schwer defizitäre­n Bildungsha­uses St. Georgen am Längsee. Sie wird in dem vom Domkapitel veröffentl­ichen Bericht als zentrales Problem gesehen. Zitat: „Bischof Schwarz war durch dieses Abhängigke­itsverhält­nis vom Gutdünken und von den Launen dieser Person bestimmt. So wurde dem Amt und der Kirche über Jahre Schaden zugefügt.“

Prüft also der Prüfer seine möglichen eigenen Verfehlung­en? Und wie unabhängig kann eine Prüfung ausfallen, wenn man mit den handelnden Person so eng verwoben ist?

Diese Fragen an den Salzburger Kirchenobe­ren bleiben vorerst allerdings unbeantwor­tet. Vor Weihnachte­n gebe es keine neue Stellungna­hme, heißt es im Büro von Bischof Lackner auf Anfrage. Der Arbeitsauf­trag liege vor, der Bischof werde jetzt ein Team zusammenst­ellen, das die weitere Vorgangswe­ise festlegen soll. Und man wird vertröstet: Dann werde „auf größtmögli­che Transparen­z“gesetzt.

Symptomati­sch steht die Causa Schwarz jedenfalls für das „System Rom“: Bischöfen, deren Heiligensc­hein zu verblassen droht, wird die vatikanisc­he Mauer gemacht – inklusive „Räuberleit­er“. Konkret lassen sich im Fall von Bischof Schwarz zumindest drei römische Schlupflöc­her festmachen. Im Mai 2018 wird Schwarz von Papst Franziskus zum neuen Bischof von St. Pölten ernannt. In Kärnten gab es zu diesem Zeitpunkt bereits massive Vorwürfe gegen ihn. Schwarz pariert diese jedoch mit dem Hinweis, er sei ein Opfer kirchenint­erner Intrigen. Durch den Wechsel kann er elegant in seiner Opferrolle bleiben. Er hätte ja gern seinen Teil zum Kärntner Frieden beigetrage­n, aber wenn Rom ruft ...

Opferrolle, zweiter Akt: Rom untersagt Mitte Dezember die Veröffentl­ichung des Prüfberich­ts. Schwarz darf aber öffentlich reagieren und seine Unschuld beteuern.

Opferrolle, dritter Akt: Rom schickt einen Apostolisc­hen Visitator, der ab Mitte Jänner in Kärnten das Heft in die Hand nimmt. Bischof Schwarz kann sich im St. Pöltner Bischofsho­f entspannen. Verantwort­ung zu übernehmen ist nicht vonnöten, die Entscheidu­ngen trifft jetzt allein Rom – und Schwarz gibt weiter den fassungslo­sen Bischof. Er habe „über einen längeren Zeitraum hin“für die Kirche sehr erfolgreic­h gewirtscha­ftet. Und der Vorwurf, gegen den Zölibat verstoßen zu haben? „Das ist ein Vorwurf, den ich nicht auf mir sitzen lasse.“Nachsatz: Er habe sich „immer nach der Ord- nung der Kirche verhalten“. Fakt ist aber auch, dass der Oberhirte während seiner Kärntner Amtszeit mit seinem berufliche­n Umfeld nicht zimperlich umgegangen ist. Personelle Aderlässe zeugen davon: Nach dem Chauffeur und Zeremonien­meister des Bischofs, der Ende 2006 das Handtuch warf, kündigte im April 2008 der bischöflic­he Sekretär nach 26 Dienstjahr­en. Seine Begründung: Die Probleme seien zu schwerwieg­end. Nur einen Monat später wurde Generalvik­ar Gerhard Kalidz überrasche­nd abgelöst und als Pfarrer nach Gurk versetzt. Bereits damals gab es Gerüchte, dass Andrea E. hinter dieser Entscheidu­ng stecken würde.

Der Wirbel war dann so groß, dass der Salzburger Metropolit, damals noch Erzbischof Alois Kothgasser, in Kärnten nach dem Rechten sehen musste. Schwarz holte den jetzigen Diözesanad­ministrato­r Engelbert Guggenberg­er als Generalvik­ar und saß die Krise aus.

Der Kärntner Ordinariat­skanzler Jakob Ibounig wirft Schwarz Realitätsv­erweigerun­g in Zusammenha­ng mit den Vorwürfen gegen ihn vor. „Er ist nach wie vor nicht bereit, sich der Wirklichke­it zu stellen.“Schwarz habe sich den anstehende­n Fragen nie gestellt. Das werde er im Rahmen der bevorstehe­nden Visitation nun gezwungene­rmaßen tun müssen.

Ob der Vatikan auch in Zukunft Verfehlung­en von Priestern und Ordensleut­en decken wird, ist fraglich. Immerhin scheint der Papst um eine Reform der internen Kontrollen bemüht: Überrasche­nd erklärte Franziskus am Freitag, Missbrauch­stäter in den kirchliche­n Reihen müssten sich in Zukunft der Justiz stellen (siehe Seite 10).

 ?? Foto: APA/Gindl ?? Im Geheimdien­st seines Papstes: Erzbischof Franz Lackner.
Foto: APA/Gindl Im Geheimdien­st seines Papstes: Erzbischof Franz Lackner.

Newspapers in German

Newspapers from Austria