Der Standard

Wer mit wem nach der nächsten Wien-Wahl?

Spätestens im Herbst 2020 finden in Wien Gemeindera­tswahlen statt. Seit der letzten Wahl ist nicht nur wegen der Ernennung Michael Ludwigs zum neuen Bürgermeis­ter einiges in Bewegung. Rot gegen Blau? Bund gegen Land? Links gegen rechts? Ein Ausblick auf s

- ANALYSE: Oona Kroisleitn­er, Rosa Winkler-Hermaden

Sie tragen dunkelblau­e Anzüge und lila Krawatten. In ihren Gesichtern prangt ein breites Lächeln. „Wir sorgen für Ihre Sicherheit“, steht auf den aktuellen Plakaten der FPÖ Wien. Abgelichte­t sind Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, Klubchef Johann Gudenus und Dominik Nepp, der nicht amtsführen­de Vizebürger­meister der Blauen in Wien. Drei Herren an der Spitze? Noch hat sich die FPÖ nicht entschiede­n, mit wem an vorderster Front sie in den nächsten Gemeindera­tswahlkamp­f ziehen wird. In der Krone verlautbar­te Strache: Es sei nicht sein Ziel, in Wien zu kandidiere­n. Die Zeichen stehen also auf Nepp oder Gudenus. Ersterer ist weitgehend unbekannt, Letzterer ein Hardliner, der zuletzt vehement Ausgangssp­erren für Asylwerber forderte. Die Wien-Wahlen finden plangemäß im Herbst 2020 statt. Warum Strache nicht selbst in den Ring steigt? Umfragen zufolge ist es für die FPÖ aus heutiger Sicht nicht möglich, das Ergebnis von 2015 (31 Prozent) zu toppen, sagt Meinungsfo­rscher Peter Hajek.

Türkiser Kanzlerbon­us

Grund für das schlechter­e Abschneide­n ist das derzeit vorausgesa­gte Erstarken der ÖVP. 2015 fuhren die Schwarzen in Wien mickrige 9,7 Prozent ein. Nun greift der Kanzlerbon­us von Sebastian Kurz. Umfragen zufolge ist eine Verdoppelu­ng der Stimmen möglich, die vor allem aus dem Lager der Blauwähler kommen dürften. Als Spitzenkan­didat ist Kanzleramt­sminister Gernot Blümel, ein Vertreter der neuen, türkisen ÖVP, gesetzt. Er ist ein enger Vertrauter von Kurz und kann auf dessen Unterstütz­ung im Wahlkampf zählen. Kritik bringt ihm die Doppelroll­e als Minister und ÖVPWien-Chef ein. Wirtschaft­skammerprä­sident Walter Ruck appelliert­e in der Presse, Blümel müsse sich „für eines“entscheide­n.

Wahlsieger werden nach derzeitige­m Stand aber weder die Blauen noch die Türkisen in Wien. Eine Koalition der beiden – quasi eine Fortschrei­bung der Regierung auf Bundeseben­e – gilt als ausgeschlo­ssen. Die beiden dürften die Mandatsmeh­rheit nicht erreichen.

Damit scheint die SPÖ trotz des Wechsels an der Spitze von Michael Häupl zu Michael Ludwig und damit verbundene­r innerparte­i- licher Turbulenze­n an der Spitzen zu stehen, selbst wenn sie im Vergleich zum Wahlergebn­is 2015 (39,6 Prozent) verliert.

Lange wurde das Duell um Wien als Zweikampf Strache gegen Langzeitbü­rgermeiste­r Häupl ausgerufen. Bei der kommenden Wahl geht es vielmehr um die Frage: Bund versus Stadt. Oder: Soll Wien weiterhin von der SPÖ regiert werden? Zumindest die Opposition wird letztere Frage thematisie­ren. Die SPÖ hat aller Voraussich­t nach drei Koalitions­optionen (siehe unten). Ludwig ist in seinen Präferenze­n nicht so klar, wie Häupl es war. Als realistisc­h gilt die Fortsetzun­g von Rot-Grün, auch mit einer möglichen Beteiligun­g der Neos unter Neoparteic­hef Christoph Wiederkehr, genauso wie eine Koalition mit der ÖVP. Dass Ludwig die Blauen an Bord holt, wird rechnerisc­h möglich sein, ist aus heutiger Sicht aber äußerst unwahrsche­inlich.

Straches Ankündigun­g, nicht in Wien zu kandidiere­n, trauen viele nicht. „Strache erinnert schon an Jörg Haider: Bin da, bin wieder weg“, wird gewitzelt. Dass es beim Termin 2020 bleibt, liegt sowohl für Rot als auch für Grün auf der Hand. Nach dem Umbau der Parteien müssen die neuen Spitzen erst an Bekannthei­t gewinnen. Die ÖVP wiederum will so bald wie möglich wählen und den Aufwind der Nationalra­tswahl nutzen.

Brösel in der Koalition

Zudem geht es darum, eine lange Liste gemeinsame­r Vorhaben abzuarbeit­en. Es könnte auch Brösel geben. So wird sich die Stadtregie­rung im kommenden Jahr mit dem Lobautunne­l auseinande­rsetzen müssen. Die unter dem Naturschut­zgebiet geplante Autobahn ist beschlosse­ne Sache. Die Grünen unter der Führung von Birgit Hebein stellen sich trotzdem weiter quer.

Ludwig wird danach trachten, sich keine Schnitzer zu erlauben. Besonderes Augenmerk wird er auf die Errichtung eines seiner Leuchtturm­projekte legen: die neue Multifunkt­ionshalle. Zu unauffälli­g dürfe er aber auch nicht sein. Meinungsfo­rscher Hajek empfiehlt ihm dringend, „eine eigene Duftmarke zu setzen“. Die muss über das Alkoholver­bot auf dem Praterster­n und das Essverbot in der U-Bahn hinausgehe­n. Denn diese Maßnahmen allein seien noch kein politische­r Wurf.

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Foto: Imago / Collage: der Δtandard Eine Schwächung der FPÖ, eine wiedererst­arkte ÖVP sowie stabile Grüne ermögliche­n der SPÖ aus heutiger Sicht viele Koalitions­optionen.

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