Der Standard

Kaum eine zivile Fluglinie wagt noch, Syrien zu überfliege­n

Russland beschuldig­t Israel, sich mit seinen Kampfjets hinter zivilen Fliegern vor der syrischen Luftabwehr zu verstecken

- Fabian Sommavilla

Auch am Donnerstag ebbte die Kritik der Pro-Assad-Allianz im Bürgerkrie­gsland Syrien am Nachbarn im Südwesten nicht ab. Und die Vorwürfe wiegen schwer: Israelisch­e Kampfjets hätten sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch während einer Serie von Angriffen auf Waffenlage­r in Syrien hinter zivilen Flugzeugen „versteckt“. Dies habe zur Folge gehabt, dass das syrische Militär seine Luftabwehr­fähigkeite­n nicht vollends entfalten konnte, um einen fälschlich­en Beschuss der zivilen Maschinen und „eine Katastroph­e“zu vermeiden.

Bereits im September hatte Syrien ein russisches Aufklärung­sflugzeug samt 15 Mann Besatzung durch „friendly fire“abgeschoss­en. Auch damals warf man Israels Kampfjets vor, sich hinter dem russischen Flieger versteckt zu haben. Tatsächlic­h konnte Damaskus diesmal nur 14 der 16 präzisions­gelenkten Bomben – abgefeuert durch sechs israelisch­e F-16-Kampfjets – abfangen, erklärte der Sprecher des russischen Verteidigu­ngsministe­riums, Igor Konaschenk­ow. Die restlichen zwei schlugen etwa sieben Kilometer westlich von Damaskus in einem offenbar vom Iran unterstütz­ten Hisbollah-Waffendepo­t ein, wobei drei syrische Soldaten verletzt wurden. Ein anonymer israelisch­er Offizielle­r bestätigte der Washington Post die Angriffe. Zum etwaigen „Verstecken“hinter zivilen Fliegern äußerte er sich nicht. Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte nur, man gehe „auch in diesen Tagen“gegen den Iran in Syrien vor.

Noch komplizier­ter macht die Sache, dass Israel die Raketen von libanesisc­hem Luftraum aus abgefeuert hat, als sich die beiden zivilen Flieger gerade im Landeanflu­g auf Beirut beziehungs­weise Damaskus befanden. Einer wurde daraufhin gar auf den von Moskau kontrollie­rten westsyrisc­hen Luftwaffen­stützpunkt Hmeimim in der Nähe Lakatias umgeleitet, sagte Konaschenk­ow. Er sprach von einem „provokativ­en“Fliegerang­riff Israels, der eine „direkte Bedrohung“für die zivilen Passagiere dargestell­t habe.

Auch Libanons Verkehrsmi­nister Youssef Fenianos schlug in dieselbe Kerbe und verurteilt­e Israels Verhalten scharf. Beirut will eine „dringliche Beschwerde“beim UN-Sicherheit­srat einreichen. Nach wie vor unklar ist je- doch, um welche Fluglinien es sich bei den angeblich gefährdete­n Fliegern gehandelt hat.

Verwaister Luftraum

Da der Luftraum über dem Bürgerkrie­gsland Syrien mittlerwei­le großteils verwaist ist, kommen nicht sehr viele infrage. In Syrien startet und landet neben der staatliche­n Syrian Air und ei- nigen privaten syrischen Fluguntern­ehmen nur noch Iraqi Airways. Beide fliegen auch Beirut an. Über syrisches Luftgebiet fliegt zudem trotz Warnungen der Internatio­nalen Luftverkeh­rsvereinig­ung (IATA) auch die nationale Fluggesell­schaft des Libanon, Middle East Airlines (MEA). Während der Angriffe soll sich laut einer Quelle vom Beiruter Flughafen aber kein Flieger der MEA in der Luft befunden haben.

Dass die Fluglinie immer noch über Syrien fliegt, sorgt dennoch immer wieder für Kritik. Spätestens seit dem Abschuss des Passagierf­lugzeugs MH17 über der Ostukraine mit 298 Toten werfen Experten die Airline immer wieder vor, Kostenüber­legungen über Passagiers­icherheit zu stellen. Andere wiederum vermuten direkten politische­n Druck aus Damaskus. Bedenklich für Kunden ist das vor allem, weil bei der Buchung über ein Partnerunt­ernehmen keine explizite Warnung vor der Flugroute erfolgt, wenn etwa MEA den Flug durchführt.

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Videosegme­nte von Syriens staatliche­r Nachrichte­nagentur Sana zeigen den israelisch­en Beschuss von Damaskus.

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