Jürgen Klopp auf der Euphoriebremse
Nach Rekord-Hinrunde rückt Liverpools erster Meistertitel seit 1990 näher – Guardiola rätselt über City
Liverpool – Für die Fans nimmt der Traum von der ersten Meisterschaft seit 29 Jahren zunehmend Gestalt an, für die Buchmacher ist der FC Liverpool inzwischen Titelfavorit, doch Jürgen Klopp entlockt der Blick auf die Tabelle kaum mehr als ein müdes Lächeln. „Ich habe nach unserem Spiel die Ergebnisse der anderen Teams gesehen. Das hat nicht viel in mir ausgelöst“, sagte der deutsche Teammanager nach dem souveränen 4:0-Sieg der Reds gegen Newcastle United am zweiten Weihnachtsfeiertag. „Es ist nur eine Information.“
So nichtig, wie der ehemalige Bundesligacoach sie darzustellen versuchte, war diese „Information“dann aber doch nicht. Meister Manchester City, der schärfste Verfolger der Reds, hatte am Boxing Day abermals gepatzt. 1:2 verlor das Team des spanischen Startrainers Pep Guardiola bei Leicester City – und damit Liverpool aus den Augen. Österreichs ehemaliger Teamkapitän Christian Fuchs, der bei Leicester nicht zum Einsatz kam, twitterte sehr begeistert: „Well done, boys!“
Citys Rückstand auf den 18maligen englischen Champion wuchs nach der dritten Pleite aus den vergangenen vier Spielen auf sieben Punkte an, Manchester ist mit 44 Punkten hinter Tottenham Hotspur (45) nur noch Dritter. „Zwei Mannschaften sind besser als wir“, sagt Guardiola. Er will jetzt „reflektieren und nachdenken, was die Mannschaft braucht und wie ich ihr helfen kann. Wir müssen die Dynamik ändern. Und wenn wir ein ernsthafter Anwärter auf den Titel sein wollen, müssen wir wieder gewinnen.“
Das gelingt Liverpool nur allzu gut. Klopps Team stellt die zweitbeste Offensive der Liga, keine Mannschaft steht defensiv so stabil. Erstmals blieb Liverpool in der Hinrunde der Premier League in 19 Spielen ungeschlagen.
Die Anerkennung, die Klopp auf der Insel erfährt, ist entsprechend groß. Liverpool sei nicht nur oben, weil der Klub im Sommer mit Geld um sich geworfen habe, urteilte etwa die Daily Mail: „Jürgen Klopp hat ein Auge für Spieler und macht sie besser.“Angreifer Mo Salah etwa sei kein 40-Tore-Stürmer gewesen, als er im Sommer 2017 von der AS Roma verpflichtet wurde, sondern erst von Klopp entwickelt worden.
Rund 350 Millionen Euro hat Klopp in den vergangenen drei Trans- ferperioden in neue Spieler investieren dürfen. Die meisten wie Torhüter Alisson, Abwehrchef Virgil van Dijk oder der ExMünchner Xherdan Shaqiri entpuppten sich als Volltreffer.
Noch ist der Weg zur Meisterschaft aber ein weiter, erst die Hälfte der Saison ist gespielt. „Die Zahlen in der Tabelle lesen sich wirklich sehr, sehr gut“, sagt Klopp. „Aber sechs Punkte Vorsprung bedeuten rein gar nichts. Wir müssen unsere Spiele gewinnen, fokussiert sein, den Tunnelblick behalten.“
Fest steht: Liverpool geht als Spitzenreiter ins Jahr 2019. Schon um den Jahreswechsel ist der Vorsprung aber bedroht. Am Samstag gastiert der FC Arsenal an der Anfield Road. Am 3. Jänner reist Liverpool zum Gipfeltreffen zu Manchester City. Auch deshalb sagt Klopp: „Es liegt ein langer Weg vor uns.“(sid, red)