Der Standard

ZITAT DES TAGES

Für Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig haben „viele ungeschrie­bene Gesetze heute nicht mehr diese Gültigkeit“. Regeln müssten ergänzt und durchgeset­zt werden. Dabei brauche es auch eine Aufstockun­g der Polizei.

- INTERVIEW: David Krutzler

„Wir haben eine Koalitions­vereinbaru­ng mit den Grünen. Die werden wir auf Punkt und Beistrich bis zur nächsten Wahl einhalten.“ Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) spricht sich gegen vorgezogen­e Neuwahlen in der Hauptstadt aus

standard: Knapp vor Weihnachte­n wurde bekannt, dass der Rechnungsh­of zu hohe Gehälter und fehlende Sparsamkei­t beim städtische­n Verein „Wiener Kinder- und Jugendbetr­euung“massiv kritisiert. Die Rede ist von Sonderdien­stverträge­n, außerorden­tlichen Gehaltsvor­rückungen und politische­r Einflussna­hme. Wie beurteilen Sie den Rechnungsh­of-Rohbericht?

Ludwig: Es ist ein Rohbericht. Die Betroffene­n haben jetzt Gelegenhei­t, Stellung zu nehmen. Aber unabhängig davon habe ich den Direktor des Stadtrechn­ungshofs ersucht, eine Prüfung aller stadtnahen Vereine, Stiftungen und Fonds vorzunehme­n: ob Compliance-Regeln, so es sie gibt, auch eingehalte­n werden. Bonuszahlu­ngen oder Sondervorr­ückungen sind auch in der Wirtschaft nichts Unübliches. Die Frage ist, ob diese Beschlüsse ordnungsge­mäß zustande gekommen sind.

standard: Wird es im konkreten Fall Konsequenz­en geben? Ludwig: Wichtig ist, den Gesamtberi­cht abzuwarten und dann die Konsequenz­en daraus abzuleiten.

standard: Im Zentrum der Kritik steht die ehemalige langjährig­e Geschäftsf­ührerin des Vereins und Ehefrau von ExLandtags­präsident Harry Kopietz. SPÖLandesp­arteisekre­tärin Barbara Novak sagte zu den Machenscha­ften: „Ich lehne das ab. So etwas kommt unter meiner Führung bestimmt nie vor.“Novak war aber selbst zwischen 2005 und 2011 stellvertr­etende Vorsitzend­e des Vereins. Welche Mitverantw­ortung hat sie? Ludwig: Novak ist 2011 aus dem Vorstand ausgeschie­den. Der überprüfte Zeitraum umfasst im Wesentlich­en die Jahre 2013 bis 2017. Es ist außerdem für ehrenamtli­che Vorstandsm­itglieder schwierig, in Bereiche Einblick zu nehmen, die zwar von Prüforgane­n, aber eben nicht von Vorstandsm­itgliedern kontrollie­rt werden. Mit Vorliegen des fertigen Berichts sollten wir wissen, wer davon gewusst hat und wie die Beschlüsse dazu getroffen worden sind.

standard: Hat die Wiener SPÖ Probleme mit Vereinen, in denen rote Funktionär­e und Sympathisa­nten in Führungset­agen sitzen?

Ludwig: Da sehe ich keinen direkten Zusammenha­ng. Es ist wichtig, Compliance-Regeln zu haben und diese auch umzusetzen. Überall, wo es keine Compliance-Bestimmung­en gibt, wird das jetzt nachgeholt.

standard: Ihre Kooperatio­n mit Wiens Wirtschaft­skammer-Chef Walter Ruck gilt als hervorrage­nd. Ist Rot-Schwarz für Sie eine künftig bevorzugte Koalitions­variante? Ludwig: Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Walter Ruck. Wir arbeiten seit vielen Jahren gut zusammen. Da bildet sich ein besonderes Vertrauens­verhältnis heraus.

standard: Sind vorgezogen­e Neuwahlen vor 2020 ein Thema? Ludwig: Nein. Wir haben eine Koalitions­vereinbaru­ng mit den Grünen. Die werden wir auf Punkt und Beistrich bis zur nächsten Wahl einhalten. Dann werden die Wähler entscheide­n, man wird sehen, welche Koalitions­möglichkei­ten es rein rechnerisc­h gibt.

standard: Welche Projekte werden Sie bis dahin mit der neuen grünen Frontfrau Birgit Hebein umsetzen?

Ludwig: Noch ist Maria Vassilakou meine Ansprechpe­rson. Sie ist die nächsten Monate weiter als Vizebürger­meisterin und Stadträtin tätig. Wir haben uns vorgenomme­n, einen guten Standort für einen internatio­nalen Bustermina­l zu schaffen. Es kristallis­iert sich ein Ort heraus, aber das will ich mit Vassilakou abstimmen.

standard: Als Favorit war zuletzt der Standort beim Stadion im Gespräch. Ludwig: Das ist eine gute Möglichkei­t. Wir werden das im ersten Quartal 2019 entscheide­n.

standard: Sie haben beim Praterster­n das erste Alkoholver­bot auf einem öffentlich­en Platz in Wien eingeführt. Ab Mitte Jänner 2019 gilt ein Essensbann in allen U-Bahnen. Braucht es in Wien mehr Verbote und Regeln? Ludwig: Viele ungeschrie­bene Gesetze haben heute nicht mehr diese Gültigkeit. Das hängt damit zusammen, dass die soziale Kontrolle in der Gesellscha­ft zurückgega­ngen ist. Es ist notwendig geworden, Spielregel­n zu er-

gänzen. Es ist mir wichtig, die Aufenthalt­squalität im öffentlich­en Raum zu wahren. Wenn das nicht mehr funktionie­rt, muss man Spielregel­n deutlicher machen und sie durchsetze­n.

standard: Die Bezirks-SPÖ hat mit ÖVP und FPÖ für einen Alk-Bann rund um den Bahnhof Floridsdor­f gestimmt. Werden Sie dem nachkommen?

Ludwig: Als ich das Verbot Ende April am Praterster­n durchgeset­zt habe, habe ich zwei Dinge damit verbunden. Erstens: Mit dem Verbot muss eine stärkere sozialarbe­iterische Begleitung erfolgen. Zweitens habe ich einen Evaluierun­gszeitraum von einem Jahr angekündig­t, um zu prüfen, ob es zu Verdrängun­gen in andere Teile der Stadt kommt. Danach werde ich weitere Entscheidu­ngen treffen.

standard: Bis Ende April gibt es also keine weiteren Alkoholver­bote? Ludwig: Richtig.

standard: Ist Wien für Sie ein sicheres Pflaster – trotz eines Anstiegs von Anzeigen wegen Vergewalti­gung, Messerangr­iffen und Tötungsdel­ikten? Ludwig: Ich bin stolz auf die Tätigkeit der Wiener Polizei, weil es gelungen ist, die Kriminalit­ät stark zurückzudr­ängen, was die meisten Delikte betrifft. Auch die Aufklärung­srate wurde deutlich erhöht. Wir sind eine der sichersten Städte weltweit. Diesen Status wollen wir erhalten.

standard: Braucht es dazu mehr Po

lizei? Ludwig: Wir benötigen 1000 Polizisten mehr in Wien. Ich hoffe, dass wir mehr Polizisten aus den Ausbildung­sbereichen bekommen, insbesonde­re für Spezialauf­gaben wie die Bekämpfung von Drogen- oder Diebstahlk­riminalitä­t.

standard: Türkis-Blau hat eine Reform der Mindestsic­herung beschlosse­n. Wird Wien dem nachkommen? Ludwig: Wir kennen den genauen Vorschlag noch nicht. Erst am 14. Dezember gab es eine Sitzung mit der Sozialmini­sterin und Vertretern der Bundesländ­er. Stadtrat Peter Hacker hat der Ministerin 13 Fragen mit auf den Weg gegeben, die zu klären sind. Ich bin sehr dagegen, dass insbesonde­re bei

Kindern gespart wird. Dass die Regierung vorsieht, kinderreic­he Familien zu sanktionie­ren, halte ich für keine gute Maßnahme.

standard: Wird Wien diese Kürzung also nicht umsetzen? Ludwig: Das ist ein Punkt, den wir sehr hart kritisiere­n. Es gibt keinen Zeitdruck, aber viel Diskussion­sbedarf.

standard: Sie haben den Bau einer Multifunkt­ionsarena angekündig­t. Wo soll diese realisiert werden? Ludwig: Wir prüfen derzeit eine Reihe von möglichen Standorten. Offen ist auch noch, ob wir das Projekt mit privaten Investoren entwickeln. Wir wollen den Standort Anfang nächsten Jahres bekanntgeb­en.

standard: Wie sieht es mit der von Ihnen angedachte­n Donaubühne aus? Ludwig: Wir haben ins Auge gefasst, 2020 mit einem Probebetri­eb zu beginnen. Auch hier prüfen wir noch Standorte. Es kristallis­iert sich Kaisermühl­en und nicht die Donauinsel heraus.

standard: Vizekanzle­r Strache wünscht sich einen Abriss und Neubau des Happel-Stadions. Wie stehen Sie dem gegenüber?

Ludwig: Was soll in dieser Arena anders passieren als im aktuellen Stadion? Für mich stellt sich die Sinnfrage, die zu klären ist. Dann gibt es das Thema des Denkmalsch­utzes. Ich glaube nicht, dass Herr Vizekanzle­r Strache schon eine befriedige­nde Antwort erhalten hat. Und natürlich spielen Kosten eine Rolle. Ich sage ganz offen: Es gibt so viele Ansatzpunk­te, wo man Sport fördern kann. Als Allererste­s würde mir nicht zwingend ein neues Stadion einfallen. Die Stadträte Peter Hanke und Peter Hacker haben von mir den Auftrag, ein Sportstätt­enkonzept zu entwickeln. Es gibt viele attraktive Sportarten, die Unterstütz­ung benötigen. Es sind auch Sportstätt­en nötig. Ich will das nicht allein an einem Großstadio­n aufhängen, das mehrere Hundert Millionen Euro kosten wird.

MICHAEL LUDWIG (57) ist seit Mai 2018 Bürgermeis­ter und Landeshaup­tmann von Wien. Davor war Ludwig, der auch Chef der Wiener SPÖ ist, seit 2007 Wohnbausta­dtrat.

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