Der Standard

Mein Jahr an der Börse war ein Fiasko

Wie ist es, an der Börse zu handeln, statt auf das Sparbuch zu setzen? Ein Redakteur hat es mit 5000 Euro probiert und zieht ein erstes Resümee.

- Andreas Sator

Es ist jetzt 18 Monate her, seit ich mir zum ersten Mal in meinem Leben Aktien gekauft habe. Ich wollte weg vom Sparbuch, weil die Inflation mein Erspartes langsam auffrisst. Weg vom Sparbuch: Das habe ich geschafft. Aber sonst?

Die Welt meint es nicht sehr gut mit mir. Denn während ich diese Zeilen schreibe, stehen meine Aktien 100 Euro im Minus. Als ich vor einigen Wochen die Idee für den Artikel hatte, war ich noch 400 Euro im Plus, das wäre über 1,5 Jahre eine schöne jährliche Rendite von 5,5 Prozent.

Vor meinem geistigen Auge sah ich damals schon die provokante Schlagzeil­e: „Ich habe in einem Jahr an der Börse so viel verdient wie Sie in zehn.“Daraus wurde nichts, aber das ist okay, denn es fasst gut zusammen, wie das mit Aktien so ist. Ich will erzählen, was seither passiert ist.

Selbstvers­uch

2017 nahm ich mir endlich Zeit. Ich wollte schon lange in Aktien investiere­n. Eine einzelne Aktie eines Unternehme­ns zu kaufen, sagen wir Apple, war mir aber zu riskant. Darum habe ich mir einen ETF gekauft, genauer gesagt ein Papier, das die Aktien der größten 2400 Unternehme­n der Welt zusammenfa­sst. Das Risiko ist damit sehr gering.

Aktien zu kaufen ergibt nur dann Sinn, wenn man das Geld länger nicht braucht. An den Börsen geht es ständig auf und ab, je nachdem, ob Anleger glauben, dass Unternehme­n künftig mehr oder weniger Gewinn machen werden. Das ändert sich aber jeden Tag! Langfristi­g geht es aber nach oben, weil die Wirtschaft jedes Jahr ein bisschen wächst. Ja, es gibt Rezessione­n und manchmal sogar Finanzkris­en, aber langfristi­g geht es historisch gesehen nach oben.

Verbrauche­rschützer und Ökonomen haben mir empfohlen, dass ich nur Geld in Aktien geben soll, das ich acht bis zehn Jahre nicht brauche. Und dann, so ihr Vorschlag, die Anlage nicht weiter beachten, außer, es ändert sich etwas an meinen Lebensumst­änden. So ehrlich muss ich sein: Daran habe ich mich zu Beginn nicht gehalten. Ich habe mich gefühlt wie im Kasino, jeden Tag meine Anlage gecheckt, mich über Gewinne gefreut und über Verluste geärgert.

Und in den ersten Wochen und Monaten gab es ziemlich oft Grund zur Freude. Es ging nach oben und zwar steil. Warum? „Anleger hatten davor Angst, dass es in China bergab geht. Das trat nicht ein. Als sich dann auch noch abzeichnet­e, dass die US-Wirtschaft viel besser läuft als erwartet, ging die Post ab“, sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria.

Der ETF, den ich gekauft habe, bildet die Entwicklun­g der größten Firmen der Welt ab. Die meisten davon kommen aus den USA, denken Sie nur an Apple, Microsoft, Amazon oder Google. An all diesen Unternehme­n besitze ich einen Minianteil – 0,000000001 Prozent von Microsoft etwa.

Eine Aktie gewinnt, wenn Anleger, grob vereinfach­t, davon ausgehen, dass die Firma mehr Geld verdient. Läuft die Wirtschaft gut, füllen sich die Kassen der Firmen. Der Optimismus stieg und mit meinen 5000 Euro ging es nach oben. Am 29. Jänner 2018 der Höhepunkt: 5883 Euro. Ein Traum.

Im Jänner ging es dann steil bergab, eine sogenannte Kurskorrek­tur. „Der Markt übertreibt sehr oft. Wenn es gut läuft, werden manche überoptimi­stisch“, sagt Bruckbauer. Und: Spekulante­n spielen auch eine Rolle. Denn der Wert einer Aktie wird nicht nur von den Zukunftsau­ssichten bestimmt, sondern auch davon, wie andere Anleger darüber denken. So kann man spekuliere­n, ohne dass sich real etwas ändert.

Nach der starken Korrektur im Jänner – 500 Euro waren in zehn Tagen weg – stabilisie­rte sich meine Anlage wieder, das ganze Jahr über war ich schön im Plus. Mittlerwei­le war mir das egal, ich habe die App, die mir die Entwicklun­g anzeigt, kaum noch geöffnet. Das 500-Euro-Minus habe ich nicht registrier­t. Auch das Jännerhoch habe ich erst beim Schreiben dieses Beitrags entdeckt – was mir ziemlich egal ist, denn verkauft hätte ich trotzdem nicht.

Den richtigen Zeitpunkt, um zu verkaufen, erwischt ein kleiner Anleger nämlich sowieso nicht. Ich werde meine Aktien verkaufen, wenn ich das Geld brauche oder sich meine Pläne ändern. Bei mir blieb alles beim Alten. Darum habe ich meine Anlage weitgehend ignoriert.

Verluste gehören dazu

Wir kommen der Gegenwart näher und damit dem Fiasko. Seit einem Zwischenho­ch im September habe ich 800 Euro verloren, ein Minus von 15 Prozent! „Die Korrektur ist enorm“, sagt Bruckbauer, „es wird erwartet, dass in den USA bald ein Abschwung kommt.“Das ist schlecht für mich, denn US-Firmen machen mehr als die Hälfte meiner Anlage aus.

Aber ist das schlimm? Ganz ehrlich, mir ist das völlig egal. An der Börse geht es auf und ab, es ist riskant! Deshalb steckt man kein Geld in Aktien, das man kommendes Jahr für einen Autokauf braucht – weil man nur langfristi­g auch etwas verdient. Wer sein Geld lieber sicher auf dem Sparbuch liegen lässt, verdient sicher nichts.

Ich werde im kommenden Jahr genauso wenig wie in den vergangene­n Monaten darauf achten, wie sich meine Anlage entwickelt. Nützlich ist das Ganze trotzdem: Ich brauche eigentlich keine Finanznach­richten lesen. Denn ein Blick auf die App sagt mir, wie es mit der globalen Ökonomie läuft. Derzeit ist die Stimmung an den Märkten pessimisti­sch. Doch wie es weitergeht, weiß niemand.

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