AUSSTELLUNG
Bregenz – Ab 1916 bis in die 1920er-Jahre hinein musste die christliche Bevölkerung Österreichs auf den Klang von Kirchenglocken verzichten. Die habsburgische Kriegsmaschinerie brauchte Rohmaterial und holte sich das notwendige Kupfer für die Waffen aus den heimischen Kirchtürmen. „Patrioten bringen Opfer“lautete der Slogan, mit dem die Bevölkerung motiviert werden sollte, Glocken abzunehmen und für den Kriegsdienst bereitzustellen.
Der Abtransport der Glocken wurde „mit gemischten Gefühlen“zur Kenntnis genommen; dokumentiert ist vereinzelt auch Gegenwehr, etwa durch die Blockade mit Pferdefuhrwerken. Die Ausstellung Die Glocken herunter in eiserner Zeit – Glockenabnahmen im Ersten Weltkrieg im Atrium des Vorarlberg-Museums erzählt davon.
Tonnen Kriegsmaterial
Blickfang im 23 Meter hohen Atrium sind ein fotografischer Nachbau der Dornbirner Kirche St. Martin, aus der zwei Glocken zu zwei Tonnen Kriegsmaterial verarbeitet wurden, und eine 500 Kilogramm schwere Stahlglocke. Das Anschauungsmaterial für die Schautafeln der kostenlos zugänglichen Ausstellung lieferten National- und Landesbibliothek sowie ein privater Ansichtskartensammler.
Der Volkskundler Thomas Felfer, der an der Universität Sussex den Gebrauch von Glocken erforscht, schuf mit einem Studio in Brighton einen virtuellen Zugang zur Thematik. Mittels Virtual-Reality-Brillen besteigt man einen Kirchturm und lässt sich von einer Glocke ihr Schicksal erzählen, das in der Schmelze einer Munitionsfabrik und im Kriegsgetöse endet.
90 Prozent zerstört
90 Prozent aller Kirchenglocken wurden im Ersten Weltkrieg zerstört und zu Waffen verarbeitet. Es dauerte nach Kriegsende Jahre, bis von den Kirchtürmen wieder feierliches Geläut zu hören war. Wenig später brachte allerdings der nächste Krieg Schrecken und Verzweiflung. (jub) Vorarlberg-Museum, Bregenz, Ausstellung bis 17. März