Der Standard

Zum Tod des Autors Amos Oz

Der in Jerusalem geborene Schriftste­ller und engagierte Staatsbürg­er starb am Freitag in Tel Aviv. Er war einer der meistübers­etzten literarisc­hen Stimmen des säkularen Israel.

- Bert Rebhandl

Wir kennen uns mit Gott nicht aus.“Dieser grundlegen­de Satz fällt früh in dem Buch Juden und Worte, einem langen Gespräch zwischen Amoz Oz, der sich als Schriftste­ller und Literaturw­issenschaf­ter vorstellt, und seiner Tochter Fania Oz-Salzberger, einer Historiker­in. Als Juden gehören beide einer Gemeinscha­ft an, deren lange Kontinuitä­t „beispiello­s und einzigarti­g“ist. Aber, darauf läuft Juden und

Worte hinaus, es ist eine Kontinuitä­t, die „weder ethnischer noch politische­r Natur“und letztlich auch nicht religiös begründet ist. Es sind Texte, auf denen die lange Dauer der jüdischen Identität im Wandel beruht, und man übertreibt sicher nicht, wenn man zu diesen Texten nicht nur die Heiligen Schriften und die vielen Deutungen dazuzählt, sondern auch das reiche literarisc­he Schaffen von jüdischen Autorinnen und Autoren.

Amos Oz, der 1939 als Amos Klausner in Jerusalem zur Welt kam, hat den Staat Israel mit seinen Werken begleitet und damit das Judentum in einer Zeit, als es nach der Schoah mit der ebenso ersehnten wie unerwartet­en Situation eines Zusammenle­bens auf „Heiligem“, aber auch umkämpftem Land zurechtkom­men musste. Seine Eltern waren zionistisc­he Einwandere­r aus Osteuropa, sein Großonkel Joseph Klausner hing politisch der rechtsnati­onalistisc­hen Herut-Partei an und kandidiert­e sogar einmal für das Amt des Staatspräs­identen.

Oz bedeutet „Mut“

Eine Schlüssele­rfahrung hatte Oz in dem Kibbuz Hulda, in den er mit 14 Jahren kam, nachdem seine Mutter sich wegen Depression­en das Leben genommen hatte. Hier bekam er den neuen Namen Oz („Mut“), hier fand er eine politische Heimat im Linkszioni­smus, hier begann er zu schreiben. Erst dieses Jahr wurden die Erzählunge­n von damals, mit denen er 1965 debütierte, in deutscher Sprache veröffentl­icht: Wo die

Schakale heulen beginnt mit einer Beschwörun­g der Nuancen der Wüstenwind­e, hier finden sich

auch Konstellat­ionen, für die es immer noch keine politische Lösung gibt, denn in der Wüste leben nicht nur die jüdischen Pioniere, sondern auch Beduinen. Bis heute streiten sie sich mit Siedlern um das Land.

Sukzessive und enorm produktiv erschrieb sich Amos Oz seit den 1960er-Jahren allmählich weltlitera­rische Geltung. Bei seinem Hauptwerk, dem Roman Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

(2002), ist schließlic­h kaum noch zu unterschei­den, was Autobiogra­fie, Geschichts­schreibung und Fiktion ist – Oz verband hier die Erinnerung­en an den frühen Verlust der Mutter mit der Staatswerd­ung Israels und mit den vielen traumatisc­hen Erfahrunge­n, die hier förmlich alle Winkel Jerusalems zu durchdring­en scheinen.

In seinem späten Roman Judas (2014) kam er wieder auf die formative historisch­e Periode in dem Jahrzehnt vor dem Sechstagek­rieg zurück und beschäftig­te sich aus der Perspektiv­e des biblischen „Verräters“Judas mit der Figur des Juden Jesus und den gebrochene­n Identifika­tionsmögli­chkeiten, die ein junger (und erotisch angespannt­er) Mann in der Religion finden kann.

Als Schriftste­ller war Oz immer auch Intellektu­eller und in seinem politische­n Engagement von der Befähigung der Literatur zur Einnahme wechselnde­r Standpunkt­e geprägt. Er zählte zu den Gründern der Bewegung Shalom Achshav (Frieden jetzt), verteidigt­e 2006 aber den Zweiten Libanonkri­eg. Das Existenzre­cht des Staates Israel sah er in der schützensw­erten jüdischen Kontinuitä­t begründet, die er mit Worten fortschrie­b. 1992 erhielt er den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s. Stimme des säkularen Israel

Erst vor wenigen Jahren war Oz, wie er 2014 dem standard erzählte, schließlic­h aus der NegevWüste nach Tel Aviv übersiedel­t – und damit in die Hauptstadt jenes säkularen Israel, dem er eine weltweit vernommene Stimme gab. Am Freitag ist Amos Oz im Alter von 79 Jahren einer Krebserkra­nkung erlegen.

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 ??  ?? Amos Oz hat den Staat Israel mit seinen Werken stets begleitet und an einer friedliche­n Lösung des Nahostkonf­likts festgehalt­en.
Amos Oz hat den Staat Israel mit seinen Werken stets begleitet und an einer friedliche­n Lösung des Nahostkonf­likts festgehalt­en.

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