Der Standard

Mit Anlauf in die Schererei

Rumänien übernimmt das erste Mal den EU-Ratsvorsit­z – Die Regierung gilt als labil

- Adelheid Wölfl

Die Übernahme des EU-Ratsvorsit­zes fällt in die Zeit einer Art Konterrevo­lution in Rumänien. Die tiefgehend­en Reformen im Rechtsstaa­tsbereich, die rund um den EU-Beitritt vor zwölf Jahren eingeleite­t wurden, werden seit geraumer Zeit wieder sukzessive rückgängig gemacht. Das stellt die ohnehin geschwächt­e EU vor Herausford­erungen.

Dabei stehen wichtige Thema auf der Agenda: Der Brexit, auch der mehrjährig­e EU-Finanzrahm­en muss erstellt und ein Migrations­paket soll geschnürt werden. In das rumänische Semester fallen aber auch die EU-Parlaments­wahl und die geplante Unterzeich­nung eines bindenden Abkommens zwischen Serbien und dem Kosovo. Zudem soll die Umsetzung des Namensabko­mmens zwischen Griechenla­nd und Mazedonien bis Mai über die Bühne gehen.

Die Regierung in Bukarest bemüht ziemlich leere Schlagwort­e wie „ein sicheres Europa“oder ein „konvergier­endes Europa“, um den Ratsvorsit­z zu porträtier­en. An der Macht ist die Sozialdemo­kratische Partei (PSD), die seit den Wahlen 2016 nicht zu Ruhe kommt. Regierungs­chefin Viorica Dancila ist bereits die dritte Person in der Position der Premiermin­isterin. Und auch sie fällt mit Protokollf­ehlern und ungeschick­ter Rhetorik auf.

Der Europamini­ster Victor Negrescu verabschie­dete sich erst im November. Die innere Labilität der PSD wird Auswirkung­en auf den Ratsvorsit­z haben. Zudem hat sich die Regierung von einem rationalen Diskurs verabschie­det und behauptet, es gebe einen „tiefen Staat“im Staat, also eine heimliche Verbindung zwischen Geheimdien­stleuten und der Justiz, die der Partei schaden wollten. Der Hintergrun­d: Viele PSD-Angehörige stehen unter Korruption­sverdacht.

Opferhaltu­ng

Davon will man ablenken – deshalb wird die Justiz schlechtge­macht und umgebaut. Heuer wurde die Korruption­sgesetzgeb­ung geschwächt – Bestechung, Unterschla­gung und Amtsmissbr­auch verjähren schneller. Das Europäisch­e Parlament nahm Mitte November eine Resolution an, in der sich die Abgeordnet­en „zutiefst besorgt“über die Rechtsvorh­aben zeigten. Die EU-Kommission attestiert­e „erhebliche Defizite“bei der Rechtsstaa­tlichkeit.

Deshalb ist die PSD nun dazu übergegang­en, die EU-Kommission zu kritisiere­n. Parteichef Liviu Dragnea nennt sie „unfair“, weil sie Rumänien das „Recht auf eine eigene Meinung“verweigere. Premiermin­isterin Dancila versucht die Regierung als Opfer darzustell­en: „Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen, wir werden bestraft, nur weil wir ein osteuropäi­sches Land sind“, sagt sie. Ihre Partei dürfe die „Attacken“aus Brüssel „nicht mehr hinnehmen“.

Trotz der Kritik aus der EU ist also nicht davon auszugehen, dass die Regierung einlenkt. Deshalb könnte es sogar zu einem Strafverfa­hren – analog zu Ungarn und Polen – kommen.

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Foto: AFP / Aris Oikonomou Viorica Dancila stellt sich gegen Kritik aus Brüssel.

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