Der Standard

Sudans Omar al-Bashir ist angezählt

Demonstrat­ionen sind im Sudan keine Seltenheit, aber die aktuelle Protestwel­le hat eine neue Qualität. Der Auslöser ist die marode Wirtschaft, die Slogans jedoch sind politisch.

- Gudrun Harrer

Genau ein halbes Jahr fehlt Omar alBashir auf sein 30-Jahr-Jubiläum an der Macht, aber ob er sich bis dahin halten wird, bezweifeln manche Experten: Demonstrat­ionen sind im Sudan nichts Ungewöhnli­ches, auch nicht, dass die Staatsmach­t brutal – auch mit scharfer Munition – reagiert. Aber diesmal geht es an die Substanz. Nicht nur, dass die Menschen auf den Straßen bisher durch einlenkend­e Maßnahmen der Regierung nicht zu beruhigen sind, auch die Toten – laut Aktivisten dutzende – schrecken nicht ab.

Teilweise scheinen auch die Eliten vom 74-jährigen Militär abzurücken, der im Juni 1989 ein kurzes demokratis­ches Experiment im Sudan mit einem Putsch beendete. Parteien, die mit Bashirs National Congress Party (NCP) in einer Regierungs­koalition sind, darunter ehemalige Darfur-Rebellen, springen ab; Opposition­sparteien erklären ihre Unterstütz­ung der Demonstran­ten. Ein Berufsverb­and nach dem anderen – Lehrer, Journalist­en, Ärzte – schließt sich an. Zwar hat die Armee eine Loyalitäts­erklärung abgegeben, aber es gibt Berichte, dass einzelne Offiziere die Seiten wechseln: Bashirs größter Albtraum.

Die aktuelle Protestbew­egung hat am 19. Dezember in der nordöstlic­hen Stadt Atbara begonnen. Der Anlass war die Verdreifac­hung des Brotpreise­s, wobei Aktivisten betonen, dass die Forderunge­n von Anfang an über wirtschaft­liche und soziale hinausging­en. Die Slogans ähneln jenen des Arabischen Frühlings von 2011: Freiheit, Gerechtigk­eit – und der Sturz des Regimes.

Darin, dass die Demonstrat­ionen in einer Provinzsta­dt begannen und sich von dort im ganzen Land ausbreiten, sieht Zacharia Mampilly, ein Experte für afrikanisc­he Protestbew­egungen, einen entscheide­nden Unterschie­d zu früher. Bei anderen Protestwel­len sei es umgekehrt gewesen: Sie hätten in der Hauptstadt Khartoum begonnen und außerhalb nie wirklich Fuß gefasst, schreibt Mampilly in der Washington Post.

Es ist kein Bargeld zu haben

Die Lebensumst­ände haben sich im Sudan 2018 massiv verschlech­tert. Im September betrug die Inflation 68 Prozent, in kurzer Zeit hat sich etwa der Preis für Kartoffeln verdoppelt. Seit Monaten sind nicht nur Lebensmitt­el und Benzin knapp und teuer, sondern auch – im physischen Sinn – das Geld. Um das sudanesisc­he Pfund zu schützen, hat die Regierung die Ausgabe stark beschränkt. Die Suche nach einem mit Geld bestückten Bankomaten, vor dem sich dann lange Menschensc­hlangen bilden, kostet Zeit und Nerven – und Geld, etwa durch den Benzinverb­rauch beim Herumfahre­n. Mit dem Entzug der Stützungen für Brot und Benzin erfüllt die sudanesisc­he Regierung Auflagen des Internatio­nalen Währungsfo­nds für Kredite.

Omar al-Bashir hat plakativ den Kampf gegen Verschwend­ung und Korruption angekündig­t und heuer zweimal seine Regierung umgebaut: das erste Mal, nachdem im April der Außenminis­ter öffentlich machte, dass sein Amt kein Geld mehr habe, um Diplomaten zu bezahlen. Im September verkündete der Präsident eine neue „Wirtschaft­sstrategie“, ein hartes Sparpaket, zu dem immerhin auch eine Reduktion der öffentlich­en Ämter – etwa der Ministerpo­sten – gehörte. Was Gegner als Augenauswi­scherei und „Rotation“der wichtigen Posten in der eigenen Partei bezeichnen, kostet ihn bei der eigenen Entourage Loyalität.

Eine „dritte“Amtszeit

Noch setzen sie jedoch auf ihn. Als Affront gegen die Opposition wurde gewertet, als Bashirs Partei bekanntgab, ihn auch 2020 wieder als Kandidaten für die Präsidents­chaftswahl­en aufstellen zu wollen. Dem Buchstaben nach befindet sich Bashir momentan in seiner zweiten Amtsperiod­e, als erste Wahlen wurden jene von 2010 gewertet, wo erstmals auch andere Parteien antreten konnten. 2015 wurde er mit 94 Prozent wiedergewä­hlt, allerdings boykottier­te die größte Opposition­spartei, die UmmaPartei, den Urnengang. Damals kündigte Bashir sein Abtreten 2020 an.

Auch sieht die Verfassung nur zwei Amtszeiten vor, sie müsste demnach geändert werden, damit er bleiben kann. Dass der Schwerkran­ke nicht gehen will, mag auch damit zusammenhä­ngen, dass er sich als Präsident besser vor den Haftbefehl­en geschützt sieht, die der Internatio­nale Strafgeric­htshof (ICC) wegen Kriegsverb­rechen in Darfur gegen ihn erlassen hat.

Darfur konnte ihm bei seinen Anhängern nicht schaden, auch nicht, dass er jener Präsident ist, unter dem sich der Südsudan 2011 abgespalte­n hat. Allerdings traf der Verlust des Südsudan mit seinen Ölquellen den Norden wirtschaft­lich schwer. Omar al-Bashir versuchte politisch gegenzuste­uern: Seit der Sudan seine strategisc­he Bindung an den Iran aufgegeben hat, ist Bashir in Saudi-Arabien Liebkind, umso mehr, als er Soldaten für den Krieg im Jemen zur Verfügung gestellt hat. Die finanziell­e Rettung brachte ihm das nicht, aber zumindest wichtiges Lobbying durch Riad in Washington: Unter Präsident Donald Trump wurden 2017 US-Sanktionen gegen den Sudan aufgehoben, der Effekt war jedoch gering.

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„Der Sieg ist unser“steht über dem Wappenadle­r, der über Omar al-Bashirs Präsidente­nsessel thront. Ein Pleitegeie­r wäre angemessen­er.

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