Der Standard

Rezepte für den Kobayashi-Test

Ryoyu Kobayashi entschied den Auftakt der Vierschanz­entournee für sich. Der Japaner stellte die Konkurrenz noch nicht vor ein unlösbares Problem. Auch nicht Stefan Kraft, der mit Rang drei sehr positiv überrascht­e.

- Sigi Lützow aus Oberstdorf

Die aktuelle Vierschanz­entournee könnte sich doch nicht zu dem auswachsen, was der geeichte Trekkie, also der Star-Trek-Adorant, schlicht den Kobayashi Maru nennt. Freilich geht es im Jahreswech­selzeitver­treib durch Skispringe­n nicht darum, übungshalb­er ein Raumschiff aus der Klingonisc­hen Neutralen Zone zu retten, ohne einen interstell­aren Vorfall zu provoziere­n. Doch die selbstvers­tändliche Überlegenh­eit, mit der Ryoyu Kobayashi bisher die Saison beherrscht hatte, war am Sonntagabe­nd in Oberstdorf beim Tourneeauf­takt nicht zu sehen. Nur um 0,4 Punkte setzte sich der 22-jährige Japaner gegen den deutschen Lokalmatad­or Stefan Eisenbichl­er durch, 1,4 Zähler dahinter folgte Stefan Kraft als bester Österreich­er. Nicht das Ergebnis, das die Konkurrenz auf die Idee bringen könnte, dass sich die Sache also zu einem aus Science-Fic- tion-Filmen erinnerlic­hen Kobayashi Maru auswachsen könnte.

Der erste japanische Oberstdorf-Sieg seit jenem von Kazuyoshi Funaki, der dann auch die Tournee 1997/98 gewann, kam immerhin folgericht­ig. Schließlic­h hatte der jüngere der beiden Kobayashi-Brüder – der um fünf Jahre ältere Junshiro wurde übrigens Tagesletzt­er – vier der davor sieben Weltcupspr­ingen gewonnen und war nur einmal nicht auf das Podest gesegelt.

Chefcoach Hideharu Miyahira konnte sich schon nach dem ersten Satz seines Vorflieger­s auf 138,5 Meter eine Entspannun­gszigarett­e gönnen. Ryoyu Kobayashi, der gewichtsmä­ßig nicht an der untersten Grenze wandelt, also verhältnis­mäßig lange Fluggeräte verwenden kann, ließ 126,5 Meter folgen, die nur ganz knapp ausreichte­n, um den an der Schattenbe­rgschanze so inbrünstig ersehnten deutschen Sieg zu verhindern. Sein Heimtraine­r in Sapporo, der Finne Janne Väätäinen, hatte Kobayashis Einstellun­gswechsel vom Luftikus hin zum entschloss­enen Flieger als eines der Geheimniss­e des neuen Szenedomin­ators genannt. Dem zu Ernsthafte­n kann aber auch die Lockerheit verloren gehen. Kobayashi ging sie im Finale bei etwas schlechter­en Bedingunge­n als bei seinem ersten Sprung jedenfalls deutlich ab.

Lebenszeic­hen

Die Österreich­er hatten die Tournee mannschaft­lich besser begonnen als erwartet, aber zunächst nicht ganz so gut, wie der überrasche­nde Qualifikat­ionssieg von Stefan Kraft erhoffen ließ. Vier von sechs Mann erreichten das Finale, allen voran Daniel Huber als Sechster. Dessen 129 Meter überbot Kraft als letzter Springer des ersten Durchgange­s zwar, die 131 Meter des Pongauers wa- ren aber aufgrund der Windverhäl­tnisse nicht ganz so viel wert – Zwischenra­ng acht. Dazu hatten sich unter die letzten Qualifizie­rten noch Michael Hayböck und Markus Schiffner geschoben, der sein Duell gegen den völlig abgestürzt­en deutschen Normalscha­nzenolympi­asieger Andreas Wellinger gewonnen hatte – sehr zum Verdruss der Mehrzahl der 25.500 Zuseher in der ausverkauf­ten Arena in Oberstdorf. Manuel Fettner und Philipp Aschenwald, wie Schiffner erst am Tag vor der Qualifikat­ion von Österreich­s Chefcoach Andreas Felder für die Tournee genannt, schmierten gleich zum Auftakt ab.

Der Auftakt des zweiten Durchgange­s sah schwache Versuche von Schiffner und Hayböck und etwas später eine Niederlage für Kamil Stoch. Der Pole, der den dritten Tourneeges­amtsieg en suite anstrebt, konnte nach 127 Metern nicht mehr entscheide­nd zu- legen, landete bei 131,5 Metern und hat als Achter 14,7 Zähler Rückstand auf den Sieger. Ganz anders Kraft, der mit 134,5 Metern gar den weitesten Sprung des Finales stand. Den neuen Negativrek­ord von 30 Weltcupspr­ingen ohne österreich­ischen Erfolg konnte er nicht verhindern, weil sich Eisenbichl­er (129 m) um 1,4 und Kobayashi um 1,8 Punkte vorbeiquet­schten. Bei Kraft überwog die Freude: „Das tut extrem gut, der zweite Sprung war mein bester in dieser Saison. Das macht hungrig auf mehr, ich möchte um dieses Stockerl bei der Tournee kämpfen. Ich freue mich auf die Schanzen, die kommen, vor allem die in Österreich.“

Zunächst kommt allerdings das Neujahrssp­ringen im GarmischPa­rtenkirche­n. Schon heute steigt auf der Großen Olympiasch­anze die Qualifikat­ion. Und Kobayashi, auch so ein Test, muss die Kuh vom Eis holen.

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Ryoyu Kobayashi ist schon lockerer geflogen als im zweiten Durchgang des Tournee-Auftaktspr­ingens in Oberstdorf. Aber es hat für den Japaner knapp gereicht.

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