Der Standard

Staatlich anerkannte­r Strickküns­tler

Erwin Wurm verwaltet ein facettenre­iches OEuvre. In den Reihen der Politik erfreuen sich besonders Werke aus seinem Strickware­nsortiment großer Beliebthei­t. Mal als Geschenk, mal aus öffentlich­en Mitteln finanziert.

- Olga Kronsteine­r

Wann genau es sich begab, dass der einstige Kanzleramt­sminister Josef Ostermayer (SPÖ) seine Leidenscha­ft für das OEuvre von Erwin Wurm entdeckte, ist nicht überliefer­t. In der Chronologi­e der Ereignisse war es zeitlich wohl mit seinem Dienstantr­itt als Bundesmini­ster für Kunst und Kultur im März 2014 verknüpft. Kein überdimens­ionales Essiggurke­rl, auch keine verschlung­enen Würste hatten es dem Minister angetan. Vielmehr begehrte er ein Werk aus dem Strickware­nsortiment, eine von Wurm seit Jahren gepflogene Gattung. Ein schickes Wandkleid für das Palais Dietrichst­ein, in sattem Rot, mit rot-weiß-roten Bündchen, wurde beauftragt.

So weit die Genese des „Sozialiste­npullis“, der fortan als Fotokuliss­e bei offizielle­n Presseterm­inen fungierte. Bisweilen mag der aus der Wand baumelnde Ärmel im Hintergrun­d durchaus für Verwunderu­ng gesorgt haben. So als vorlautes Element einer sozialisti­schen Kulturpoli­tik, die bis heute nachwirkt – etwa an den davor verkündete­n Personalen­tscheidung­en gemessen, den auch in der Ära von Thomas Drozda abgehalten­en Direktoren-Defilees von Bogdan Roščić (Staatsoper, ab 2020) oder Martin Kušej (Burgtheate­r, Saisonbegi­nn 2019/20).

Eine Nationalra­tswahl später ward dieser Wandpulli Geschichte. Zu einem Ankauf war es nie gekommen, dafür hatte man Transport- und Materialko­sten für die Fertigung in China übernommen, erzählt Thomas Drozda rückblicke­nd. Dem Vernehmen nach lag der Aufwand in einer Größenordn­ung von 10.000, höchstens 30.000 Euro. Als Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache in das Palais einzog, war das Werk bereits zurück zum Künstler transporti­ert worden.

Es habe sich um eine Leihgabe gehandelt, erklärt Erwin Wurm auf Anfrage. Es blieb nicht bei diesem einen Strickpull­i in politische­m Umfeld, wiewohl er in einem standard- Interview einst betonte, dass ihm seine „Kunst immer zu schade“für „Partei- und Tagespolit­ik“sei. In einem Gespräch mit dem Kurier erläuterte er wiederum, dass ihn „die Frage der Kunst im politische­n Background“interessie­re und er „die Macht und ihre Symbole“hinterfrag­e.

Insofern war es naheliegen­d, dass er stricktech­nisch auch in den Bundesländ­ern reüssierte. Etwa im Auftrag des steirische­n Landeshaup­tmanns, den er im November 2015 in Venedig traf. „Ich sitze jedes Wochenende strickend vorm Kamin“, soll der Künstler laut Kleine Zeitung gegenüber Hermann Schützenho­fer (ÖVP) scherzhaft erklärt haben.

Das Ergebnis des Smalltalks ziert seit März 2016 das Sitzungszi­mmer in der Grazer Burg: eine 3,5 Meter hohe und zehn Meter lange Strickwand, die sich die Landesregi­erung exakt 29.945 Euro kosten ließ. Das besondere Merkmal dieses in charakteri­stischem steirische­m Grün-Weiß ge- haltenen Wandpullis ist das an historisch­en Vorlagen orientiert­e Wappentier. Wurms Panter speit allerdings nicht nur Feuer, sondern furzt es auch.

Man kann mittlerwei­le an diesem Design orientiert­e UnisexPull­over (je 125 Euro) vom Steirische­n Heimatwerk beziehen, seit Mai 2017 auch Dirndlklei­der. Er hatte nichts dagegen einzuwende­n, schildert Wurm, der 1954 im steirische­n Bruck an der Mur geboren wurde. Der internatio­nal gefeierte Künstler hat seinen Lebensmitt­elpunkt schon vor Jahren nach Niederöste­rreich verlegt, nach Maissau, in das Schloss Limberg. Ein Bundesland, in dem er große Wertschätz­ung genießt, wie er in einem Gastkommen­tar zum Abschied Erwin Prölls (ÖVP) in

News darlegte. Die Chemie zwischen den Erwins passte wohl immer schon. 2015 heftete der Landeshaup­tmann dem Künstler das Silberne Komturkreu­z ans Revers. Ab und an gab es auch finanziell­e Unterstütz­ung, etwa für die 57. Biennale von Venedig. Ein „Fürstenpul­li“ließ nicht lange auf sich warten: konkret ein Duo, das Wurm als abstrakte Landschaft­sbilder konzipiert­e, in für Niederöste­rreich typischer Gelb-Blau-Färbung, aus deren Mitte das Pröll’sche Konterfei grient – als aufgehende oder als untergehen­de Sonne, so die Lesart. Die Vorlage zum Porträt stamme übrigens von seiner Tochter, erzählt Vater Wurm.

Im April 2016 wurden die beiden Wandpullis im Zuge einer Ausstellun­g im Landesmuse­um Niederöste­rreich erstmals der Öffentlich­keit präsentier­t. Dann verschwand­en sie wieder in Depots. Eine ursprüngli­che Schenkung sei laut Erwin Wurm wieder rückgängig gemacht worden, nun aber wieder im Gespräch.

Geschenk an die Artothek

Vorläufig ungewiss war indessen das weitere Schicksal des von Josef Ostermayer für das Palais Dietrichst­ein georderten Wandkleide­s, für das bereits öffentlich­e Mittel ausgegeben wurden. Eine Anfrage bei dem nun unter ÖVPFührung stehenden Bundeskanz­leramt verlief vorerst ergebnislo­s. Gerüchtewe­ise soll im November ein Ankauf über die Artothek im Raum gestanden sein. Wenige Tage vor Weihnachte­n kredenzte Erwin Wurm im Zuge eines Gesprächs mit dem standard überrasche­nd die Lösung: Er gedenke den „Sozialiste­npulli“der Artothek geschenkwe­ise zu überlassen.

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Einer von zwei „Fürstenpul­lovern“, die Erwin Wurm als Landschaft­sbilder konzipiert­e, mit Konterfei des Landeshaup­tmanns a. D. Erwin Pröll.
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Foto: APA/Neubauer Detail des von Josef Ostermayer georderten „Sozialiste­npullis“.

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