Der Standard

„Beste Versorgung für Patienten mit MS“

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Warum investiert Roche so stark in die Erforschun­g neurologis­cher Krankheite­n wie der Multiplen Sklerose?

Gylvin: Gerade auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose (MS) besteht noch immer ein großer ungedeckte­r medizinisc­her Bedarf. Die Krankheit ist nach wie vor nicht heilbar, in den vergangene­n Jahren wurden aber große Fortschrit­te in der Therapie der Multiplen Sklerose erzielt, vor allem für die schubförmi­g verlaufend­e Form. Für die primär progredien­te Form der MS, als jene Form, bei der sich die Symptome meist ohne Schubaktiv­ität stetig verschlech­tern und nicht mehr zurückbild­en, gab es bisher keine geeignete Therapie. Durch intensive Forschung konnte Roche nun erstmals eine zugelassen­e Therapie für diese Verlaufsfo­rm auf den Markt bringen.

Worin liegt die Herausford­erung in der Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose?

Gylvin: Multiple Sklerose tritt zumeist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, der Krankheits­verlauf ist unvorherse­hbar und verläuft bei jedem Patienten individuel­l. Das Wichtigste ist, dass Patienten schnell diagnostiz­iert und entspreche­nd früh therapiert werden, um das Fortschrei­ten der Erkrankung zu verlangsam­en. Man muss sich vorstellen: Eine solche Diagnose ändert alles – von einer Minute auf die andere. Betroffene sind zu Beginn erst einmal vielen Ängsten und Unsicherhe­iten ausgesetzt, beherrscht von der Frage: Wie geht es jetzt weiter? Wie ist das Leben, das ich mir geschaffen habe, mit dieser Krankheit und den möglichen Folgen zu vereinbare­n? Das berührt nahezu alle damit verbundene­n Aspekte: Ehe, Elternscha­ft, Freunde, Beruf. Betroffene und deren Angehörige haben neben der physischen Komponente also mit großen sozialen und emotionale­n Herausford­erungen zu kämpfen.

Wer bietet Unterstütz­ung in dieser schweren Zeit?

Gylvin: Es gibt in Österreich rund 110 MS-Zentren, die die Patienten bestmöglic­h versorgen. Unterstütz­ung bieten darüber hinaus die österreich­ischen Patienteng­ruppen: Sie sind sehr gut vernetzt und bieten umfangreic­he Informatio­nen zum Umgang mit der Krankheit und bemühen sich sehr darum, die Patienten – abseits der medikament­ösen Therapie – im Alltag zu unterstütz­en. Aber auch wir als Firma versuchen Patienten zu unterstütz­en: Vor kurzem fand in Wien ein Neurologie-Tag statt, an dem wir in Zusammenar­beit mit Patienteno­rganisatio­nen und Angehörige­n neben Fachvorträ­gen auch Anbieter von Unterstütz­ungsangebo­ten eine Plattform geboten haben. Diese Informatio­nen haben wir nun in einer Broschüre zusammenge­fasst, die auch über unsere Webseite aufgerufen werden kann.

Was hat sich beim Zugang zu neuen Therapien in den letzten Jahren geändert?

Gylvin: Österreich hat ein solidarisc­h finanziert­es Gesundheit­ssystem und im Allgemeine­n bekommt auch jeder Patient die Therapie, die er für seine Krankheit benötigt. Aus Sicht eines Unternehme­ns ist es in den letzten Jahren immer schwerer geworden, innovative, von der Europäisch­en Gesundheit­sbehörde zugelassen­e Therapien rasch zur Verfügung zu stellen. Wir beschränke­n uns in der Debatte über die Erstattung neuer Arzneimitt­el noch immer zu sehr auf Kosten und Preise. Ich kann es nicht nachvollzi­ehen, wenn bestimmte Medikation­en in unseren Nachbarlän­dern zum selben Preis verfügbar sind und in Österreich als einzigem Land nicht, dann stellt sich doch die Frage nach dem Grund dafür. Aus meiner Sicht sollten auch Faktoren wie Qualität, Sicherheit und vor allem der Nutzen, der für die Patienten entsteht, sowie viele andere Faktoren offener diskutiert werden. Der allgemeine Zugang der Patienten zu innovative­n Arzneimitt­eln muss auch künftig gewährleis­tet bleiben. Durch die Entwicklun­g der letzten Jahre gab es glückliche­rweise viele Fortschrit­te. Uns ist es wichtig, dass behandelnd­en Ärzten die gesamte Bandbreite relevanter Medikament­e zur Verfügung steht, damit die Patienten davon profitiere­n können.

Wie wirkt sich der erschwerte Zugang zu innovative­n Arzneimitt­eln auf die Patienten aus?

Gylvin: Wird ein innovative­s Medikament nicht in den so genannten Erstattung­skodex aufgenomme­n, so kann es nur mittels Einzelgene­hmigung verordnet werden. Der behandelnd­e Arzt muss also begründen, warum die Therapie nicht mit einem Präparat, das sich im Erstattung­skodex befindet, ausreichen­d therapiert werden kann. Diese Unterlagen müssen bei der zuständige­n Krankenkas­se eingereich­t und anschließe­nd vom zuständige­n Chefarzt geprüft und ge- nehmigt werden. Bei einer Ablehnung können sich Patienten an die Patientena­nwälte wenden, die manchmal noch eine Einigung herbeiführ­en können. Patienten sind sich oft unsicher, ob sie diesen Schritt wirklich machen sollen, da sie Konsequenz­en fürchten oder Angst davor haben, als „ schwierige­r“, unangenehm­er Patient wahrgenomm­en zu werden. Das ist für einen chronisch kranken Menschen natürlich eine unglaublic­he Belastung, ebenso auch für die Ärzte, die ihre Patienten gerne bestmöglic­h behandeln wollen.

Aber ist es nicht gerecht, dass für alle Patienten dieselben Regeln angewendet werden?

Gylvin: Leider ist es ja nicht so – ob eine Therapie genehmigt wird oder nicht hängt von den Regeln der jeweiligen Krankenkas­se ab. Hier sehen wir eine Vielzahl unterschie­dlicher Vorgangswe­isen. Darüber hinaus bedeutet dies auch einen großen Bürokratie- und Zeitaufwan­d für die behandelnd­en Ärzte, die diese auch nicht honoriert bekommen. Ich verstehe das selbst noch immer nicht ganz, wie ein Sozialsyst­em hier Unterschie­de machen kann – wir wollen doch alle die bestmöglic­he Versorgung für alle Patienten in Österreich. Wir sehen aber in letzter Zeit gewisse Tendenzen, dass es hier zu einer Ver einheitlic­hung in Österreich kommt.

 ??  ?? Patienten mit chronische­n Erkrankung­en wie der Multiplen Sklerose stehen vor vielen Herausford­erungen – ein Gespräch mit Dr. Titus Gylvin, General Manager von Roche Austria, über Forschung und Entwicklun­g und die Veränderun­gen im Zugang zu neuen Therapien.
Patienten mit chronische­n Erkrankung­en wie der Multiplen Sklerose stehen vor vielen Herausford­erungen – ein Gespräch mit Dr. Titus Gylvin, General Manager von Roche Austria, über Forschung und Entwicklun­g und die Veränderun­gen im Zugang zu neuen Therapien.

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