Der Standard

Dankbarkei­t, Ärger und schlechtes Gewissen

-

Ich habe die Pflege meiner Oma übernommen, als meine Mama selbst schwer krank wurde. Sie hatte sich bis dahin um die Zusammenar­beit mit den Heimhelfer­innen gekümmert. Als ich die Verantwort­ung übernommen habe, habe ich als Erstes das Engagement der Heimhelfer­innen ausgeweite­t, die dafür nötige Pflegestuf­e hatte meine Oma glückliche­rweise. Ich war froh, dass diese Menschen den Haushalt meiner Oma so weit in Schuss gehalten haben, dass ich davon entlastet war.

Doch es gab auch Momente ganz anderer Art. Wenn um acht Uhr früh etwa das Telefon läutete und mir die Heimhilfe erklärte, dass der Strom bei der Oma weg ist, und ich solle doch jetzt herkommen, die Sicherung wieder reingeben. Damals dachte ich mir, das kann doch nicht wahr sein. Ich selbst stehe hier, fertig angezogen, muss ins Büro und auf dem Weg meine Tochter in den Kindergart­en bringen. Zu meiner Oma brauche ich öffentlich eine Stunde – wie soll das jetzt alles gehen? Durchatmen. Ich bat die Heimhelfer­in, die Sicherung doch bitte selber wieder zu aktivieren, was sie dann auch getan hat. Aber die Erwartung, dass ich bei solch alltäglich­en Dingen anrücken soll, hat mich überforder­t. Letztlich lies mich das aber auch mit einem schlechten Gewissen zurück.

Oft habe ich mich in dieser Zeit auch geärgert. Denn die Beantwortu­ng von Fragen dauert. Beim Fonds Soziales Wien etwa kann man nicht einfach anrufen und sich erkundigen, sondern immer nur sein Anliegen deponieren und auf einen Rückruf warten. Das dauert oft Tage und nervt. Aber der Rückruf kommt – darauf kann man sich wiederum verlassen. Für mich hieß das aber, immer einen Teil der Unterlagen bei mir zu haben, um dann alle Daten für die Frage parat zu haben.

Man kann nicht abschalten, wenn man pflegt. Es gibt immer etwas, um das man sich kümmern muss. Sei es unmittelba­r für die Oma oder damit ihre Versorgung­sstruktur läuft. Der Kostenaufw­and dabei ist enorm. Oft habe ich mich gefragt, warum die Oma laut Rechnung Monat für Monat einen „Besuchsdie­nst“bezahlt. Denn dass jemand „nur“für Besuche und zum Plaudern zu ihr gekommen ist, war nicht der Fall. Und die Heimhilfen waren auch innerhalb von ein paar Minuten wieder weg. Sie schaffen auch nur das Nötigste.

Dennoch bin ich sehr dankbar für ihren Einsatz. Ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, den Wunsch meiner Oma zu erfüllen. Sie wollte in ihrer Wohnung bleiben, solange es nur irgendwie ging. Gemeinsam ist das gelungen. Bettina Pfluger

Newspapers in German

Newspapers from Austria