Der Standard

Steuerrefo­rm in Häppchen

Die Regierung hat am Freitag jene Punkte der Steuerrefo­rm, auf die man sich bisher einigen konnte, im Ministerra­t beschlosse­n. Ein paar Details konnten noch geklärt werden. So werden die Krankenver­sicherungs­beiträge ab Jänner 2020 um 700 Millionen Euro ge

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dem Familienbo­nus, der heuer in Kraft getreten ist, soll die nächste Entlastung­sphase per 1. Jänner 2020 mit einer weiteren Senkung der Sozialvers­icherungsb­eiträge eingeleite­t werden. Volumen: 700 Millionen Euro. Die Regierung sagte der Sozialvers­icherung zu, den Einnahmena­usfall zu kompensier­en, Leistungsk­ürzungen seien daher nicht zu befürchten, so das offizielle Wording. „Dafür wird eine gesetzlich­e Regelung angestrebt“, heißt es im Ministerra­tsbeschlus­s vom Freitag.

Darin ist nun auch explizit festgehalt­en, dass man die Krankenver­sicherungs­beiträge senken wird. Am Vortag hatte man sich auch noch andere Optionen offengehal­ten. Die konkrete Höhe der Senkung beziehungs­weise die Verteilung auf Arbeitnehm­er, Pensionist­en, Bauern und Selbststän­dige muss bis spätestens April geklärt sein. Dann muss Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) seinen jährlichen Budgetberi­cht nach Brüssel melden. Profitiere­n sollen vor allem niedrigere Einkommen.

Eine erste kleine Senkung bei der Arbeitslos­enversiche­rung gab es bereits im Vorjahr. Einkommen bis 1681 Euro zahlen aktuell keine Arbeitslos­enversiche­rung mehr. Für Verdienste bis 1834 Euro wird ein Prozent verrechnet, bis 1987 Euro zwei Prozent, und erst darüber fällt der reguläre Satz von drei Prozent an. Eine ähnliche Staffelung könnte es nun bei der Krankenver­sicherung (KV) geben. Aktuell zahlen die Dienstnehm­er 3,87 Prozent, die Dienstgebe­r 3,78 Prozent des Gehalts für die KV. (red)

nicht einigen konnten sich ÖVP und FPÖ auf die Details einer Tarifrefor­m. Geplant ist, dass diese im Jahr 2021 in Kraft tritt. Aktuell fällt bis zu einer Steuerfrei­grenze von 11.000 Euro pro Jahr keine Einkommens­teuer an. Zwischen 11.001 und 18.000 Euro sind es 25 Prozent, zwischen 18.001 und 31.000 Euro 35 Prozent, zwischen 31.001 und 60.000 Euro 42 Prozent, zwischen 60.001 und 90.000 Euro 48 Prozent und über 90.000 sind es 50 Prozent.

Für Einkommen über einer Million gibt es einen Sondersteu­ersatz von 55 Prozent. Dieser dürfte auch bleiben. In Diskussion war, die untersten zwei oder die untersten drei Steuersätz­e zu senken. Konkretes soll auch hier bis spätestens April dieses Jahres vorliegen. Profitiere­n würden von einer Senkung auch mittlere und höhere Einkommen sowie Selbststän­dige. Für Letztere gelten dieselben Steuersätz­e. Die Körperscha­ftsteuer kommt nur bei Kapitalges­ellschafte­n zur Anwendung. (red)

noch etwas gedulden müssen sich die Unternehme­r. Geplant ist eine Senkung der Körperscha­ftsteuer (KÖSt), die derzeit bei 25 Prozent liegt, in Richtung 20 Prozent. Die Wirtschaft wehrt sich noch gegen ein Inkrafttre­ten erst im Jahr 2022, denkbar ist daher auch eine Senkung in zwei Etappen 2021 und 2022.

Bereits fixiert wurde, dass Kleinunter­nehmer künftig erst ab 35.000 Euro (bisher 30.000) Umsatzsteu­er verrechnen müssen. Diese Verbesseru­ng bekommen die Selbststän­digen, weil es auf der anderen Seite auch eine Anhebung der Werbungsko­stenpausch­ale von 132 auf 300 Euro für Arbeitnehm­er gibt.

Bereits im kommenden Jahr sollen weitere Anreize geschaffen werden, um Fahrzeuge mit geringem Schadstoff­ausstoß steuerlich zu begünstige­n. Darüber hinaus sind steuerlich­e Anpassunge­n in den Bereichen Fotovoltai­k, Biogas und Wasserstof­f geplant. Die Details sind auch hier offen. (red)

Schritt vorwärts geht es bei der Besteuerun­g von Unternehme­n wie Google und Facebook: Wie erwartet, wird Österreich eine Werbeabgab­e für entgeltlic­he Anzeigen im Internet einführen. Die Maßnahme greift nur bei Unternehme­n ab einem Umsatz von 750 Millionen Euro, österreich­ische Unternehme­n werden damit nicht betroffen sein. Mehr Druck wird es auch auf Airbnb geben: Der Dienstleis­ter soll verpflicht­et werden, steuerrele­vante Informatio­nen an die Finanz zu liefern. Neu ist: Der Mehrwertst­euertarif auf E-Books soll halbiert werden, von zwanzig auf zehn Prozent, wie das bei gedruckten Büchern schon der Fall ist. (szi)

und FPÖ haben sich wiederholt für die Abschaffun­g der schleichen­den Steuererhö­hung ausgesproc­hen. Im Wahlprogra­mm von Kanzler Sebastian Kurz wurde das explizit angekündig­t. Bei ihrer Regierungs­klausur in Mauerbach hat die Regierung das Projekt hinausgesc­hoben: 2023 soll die kalte Progressio­n abgeschaff­t sein, sagte Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs von der FPÖ.

Das Phänomen spielt in den aktuellen Steuerdeba­tten dennoch eine wichtige Rolle. Mit der kalten Progressio­n wird regelmäßig der Ruf nach Steuerentl­astungen für Arbeitnehm­er gerechtfer­tigt. Wenn der Finanzmini­ster ständig „schleichen­d“mehr einnimmt, ist es nur fair, wenn er wieder was zurückgibt, so das Argument. Aber was ist die kalte Progressio­n?

Fix ist, was sie nicht ist: Die kalte Progressio­n findet nicht nur dann statt, wenn Arbeitnehm­er mehr verdienen und in höhere Steuerklas­sen rutschen, auch wenn dies gern und oft behauptet wird. Die Steuerstuf­en liegen in Österreich weit auseinande­r, von 31.000 bis 60.000 Euro gilt etwa derselbe Tarif. Viele Menschen bleiben immer in derselben Stufe. Die kalte Progressio­n kann sie dennoch betreffen.

Ein Beispiel: 2018 verdiente Frau Müller 15.000 Euro. Sie bekommt 2019 zwei Prozent mehr Lohn. Diese deckt aber nur die höhere Inflation ab. Frau Müller ist also in Wahrheit finanziell nicht bessergest­ellt worden.

Trotzdem zahlt sie auf ihr neues Einkommen in Höhe von 15.300 Euro nun mehr Steuern. Das ist die kalte Progressio­n. Bekäme Frau Müller 2,5 Prozent mehr Lohn, muss unterschie­den werden: Bis zur Lohnsteige­rung in Höhe der Inflation freut sich der Finanzmini­ster über die kalte Progressio­n. Nimmt er mehr ein durch jenen Teil der Lohnsteige­rung, der über der Inflations­rate liegt, ist das die „normale“, gewollte Progressio­n. Wer mehr verdient und dadurch leistungss­tärker ist, soll mehr Steuern zahlen, das ist der Sinn der progressiv­en Lohnsteuer.

Um die kalte Progressio­n abzuschaff­en, müssten die Tarifstufe­n automatisc­h mit der Inflation mitsteigen. Der Ökonomen Peter Brandner vom wirtschaft­sliberalen Thinktank Weisse Wirtschaft argumentie­rt, dass man die Steuerzahl­er damit überkompen­sieren würde.

Denn viele Menschen trifft die kalte Progressio­n nicht: wer in Karenz war oder keine Lohnsteige­rungen in einem Jahr hatte. In den gängigen Berechnung­en wird dies nicht berücksich­tigt. Je nachdem variieren die Szenarien stark: Der unternehme­rnahe Thinktank Agenda Austria sagt, dass die kalte Progressio­n zwischen 2016 bis 2020 etwa 3,6 Milliarden ausmacht. Brandner dagegen kommt auf „nur“1,57 Milliarden Euro, eben weil er versucht zu erfassen, dass viele nicht betroffen sind. (szi)

Gliederung der Entlastung­en in mehrere Etappen hat vor allem auch damit zu tun, dass Türkis-Blau ab dem heurigen Jahr Budgetüber­schüsse erwirtscha­ften will. Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) geht davon aus, dass er dieses Ziel ohne größere weitere Einschnitt­e erreichen kann.

Die Konjunktur­prognosen wurden zuletzt zwar etwas zurückgeno­mmen, die Wirtschaft­sforscher gehen dennoch davon aus, dass die heimische Wirtschaft auch im heurigen Jahr mit knapp zwei Prozent wachsen wird. Zum Vergleich: 2018 legte das Bruttoinla­ndsprodukt um rund 2,7 Prozent zu.

Im abgelaufen­en Jahr dürfte allerdings noch kein Nulldefizi­t erreicht worden sein. Laut vorläufige­n Zahlen des Finanzmini­steriums lag das administra­tive Minus bei 0,2 Prozent. Die Auszahlung­en lagen also um rund 1,1 Milliarden Euro über den Einzahlung­en. Die offizielle Abrechnung folgt aber erst. (red)

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