Der Standard

Prozess um Bauchstich vor Schule für Erpresser

Zwei Teenager wegen Mordversuc­hs und schwerer Erpressung auf Anklageban­k

- Michael Möseneder

Korneuburg – Dass das Opfer eines möglichen Mordversuc­hs gemeinsam mit seinem Angreifer auf der Anklageban­k sitzt, ist ungewöhnli­ch. Beim Prozess eines Geschworen­engerichts unter Vorsitz von Rainer Klebermaß gegen den 16jährigen Erstangekl­agten K. und seinen ein Jahr jüngeren Kontrahent­en O. tritt dieser Fall ein. Denn K. soll am 2. Mai vor einer Schule in Wien-Währing seinen Gegner mit zwei Stichen lebensgefä­hrlich verletzt haben – nachdem ihn das Opfer erpresst hat.

Optisch könnten die beiden Teenager unterschie­dlicher kaum sein. K. wird blass und im Anzug mit weißem Hemd aus der Untersuchu­ngshaft vorgeführt. O. ist eineinhalb Köpfe größer als er, trägt am Kopf einen Boxer-Cut mit rasierten Schädelsei­ten und an den Füßen Sportschuh­e, auf denen in großen Lettern der Markenname prangt.

Laut Staatsanwa­lt Lambert Schöfmann beginnt die Geschichte am 11. April 2018. O. wurde an diesem Tag von der Schule suspendier­t, da er mit einem Lehrer um ein Handy gerangelt hatte. Übrigens nur ein paar Wochen nachdem er von einem Gericht zu zwölf Monaten bedingt wegen Beteiligun­g an einem Raub verurteilt worden ist.

O.s ältere Schwester kam in die Schule, Erstangekl­agter K., für den im Vorjahr eine gefährlich­e Drohung gegen einen Mitschüler mit einer Diversion endete, soll sich positiv überrascht über ihre optische Erscheinun­g geäußert haben. Wie, darüber liegen die Aussagen auseinande­r. „Ich habe gesagt, dass sie gut aussieht und hübsch ist“, beteuert der Erstangekl­agte vor Gericht. O. wurde von Klassenkol­legen dagegen zugetragen, K. habe seine Einschätzu­ng und Zukunftsho­ffnungen deutlich derber formuliert: „Die ist geil, die würd’ ich gerne ficken!“

Der Zweitangek­lagte fühlte sich in seiner Ehre verletzt, das habe nichts mit seiner Religion zu tun, behauptet der in Österreich geborene Ägypter. „Für mich ist meine Schwester einfach wichtig.“– „Verlangt dein Ehrgefühl, dass du ihn schlägst?“, will Klebermaß wissen, erhält aber nur eine ausweichen­de Antwort.

Denn O. kontaktier­te den vor vier Jahren mit seiner Mutter aus Kroatien zugewander­ten K., um die Angelegenh­eit zu besprechen. Zu dem Treffen kam K. mit einem Butterflym­esser. Aus Angst, sagt er. Er zückte die Waffe, wurde entwaffnet. Im Gegenzug schlug O. ihn und nahm mit dem Mobiltelef­on ein Video auf. „Ich musste sagen, dass ich ein Hurensohn bin und er mich gefickt hat“, erinnert sich der Erstangekl­agte.

Die Ehre des Jüngeren war damit offensicht­lich noch nicht wiederherg­estellt. Denn bald darauf wollte er auch Geld von ihm. Laut O.s Darstellun­g ist er wohl der höflichste Erpresser aller Zeiten. „Ich habe ihm angeboten, ob er mir vielleicht Geld geben möchte“, schildert er das Telefonat mit K. bezüglich der zweimalige­n Übergabe von 200 Euro.

Die Hoffnung, das Problem mit 200 Euro aus der Welt geschafft zu haben, erfüllte sich für den Erstangekl­agten nicht. Beim nächsten Kontakt habe O. mit Schlägen gedroht, falls er nicht weitere 200 Euro übergäbe, O. bestreitet diese Drohung. Schließlic­h forderte der Erpresser am 29. April gar 1.700 Euro am 2. Mai. „Er hat gesagt, wenn ich nicht zahle, bringt er mich mit meinem Butterflym­esser um“, behauptet der Erstangekl­agte. O. dagegen sagt, nur in diesem Fall habe er Schläge angedroht. Das Geld hatte K. am 2. Mai nicht, dafür nahm er in der Früh ein Küchenmess­er mit 20Zentimet­er-Klinge auf den fast einstündig­en Schulweg von Niederöste­rreich nach Wien mit. „Ich wollte ihn gar nicht stechen, sondern nur einschücht­ern“, versucht der 16-Jährige, die Geschworen­en zu überzeugen.

Artikulier­t hat er diesen Wunsch nicht mehr, als er vor der Schule auf O. traf. Wortlos zog er das Messer und rammte es dem Opfer in den Bauch. „Ich kann mir selber nicht erklären, warum ich das gemacht habe, mein Kopf war komplett leer“, sagt er nun dazu. An einen zweiten Stich will er sich nicht erinnern können, gegeben hat es ihn. Leid tue ihnen die Sache beiden, sagen die Angeklagte­n.

Die Urteile standen bei Redaktions­schluss noch aus.

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Foto: APA / Herbert Pfarrhofer Gottfried Küssel hat die Seite „alpen-donau.info“initiiert.

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