Der Standard

Nach dem Verzehr eines vergoldete­n Steaks wurde der Fußballer Franck Ribéry für sein dekadentes Essverhalt­en im Web gegrillt. Der Blattgoldk­och Nusret Gökçe hingegen mutiert dank derlei theatralis­cher Inszenieru­ngen zum Instagram- Star – und markiert eine

- Georges Desrues

Ein Steak zu braten zählt ja nun wirklich nicht zu den herausford­erndsten Aufgaben, die sich einem in der eigenen Küche stellen können. Weswegen man in vielen Fällen auch besser beraten ist, selbst ein Stück Fleisch in die Pfanne zu werfen, anstatt es sich im Restaurant um teures Geld servieren zu lassen. Zumal es dort womöglich nicht einmal so genau auf den Punkt gegart daherkommt, wie man sich das gewünscht hätte. Speziell hierzuland­e, wo Rindfleisc­h immer schon lieber gesotten als kurz gebraten wurde.

Vermutlich lautet deswegen ein in der amerikanis­chen Gastronomi­e weitverbre­iteter Leitspruch: „Don’t sell the steak, sell the sizzle“– also verkaufe nicht das Steak, sondern das Brutzeln. Was bedeuten soll, dass es für einen Gastronome­n eher darum geht, das Drumherum anzupreise­n als das Gericht selbst. In diesem Fall ganz besonders, wo es so gut wie jeder Hobbykoch selbst bewerkstel­ligen kann – einige wenige Grundkennt­nisse und ein Minimum an Fleischqua­lität vorausgese­tzt.

#SaltBae: Theatralis­che Metzgerei

Besagten Marketingg­rundsatz hat sich offensicht­lich der türkische Fleischerm­eister und Restaurant­besitzer Nusret Gökçe ganz besonders zu Herzen genommen. Der 35-Jährige ist längst nicht mehr nur Foodies und Fleischlie­bhabern ein Begriff, sondern stieg binnen weniger Monate zum internatio­nal bekannten Instagram-Phänomen auf. Das jedoch weniger aufgrund der Qualität seiner Steaks oder gar seiner Kochkünste (die Bewertunge­n der Restaurant­kritiker sind durchwachs­en) als viel mehr wegen einer ziemlich grotesken Darbietung, mit der er sich beim Servieren seiner imposanten Fleischbro­cken selbst inszeniert.

Dabei stellt Gökçe sich (mit einem bemerkensw­erten Mut zur Lächerlich­keit) mit Pferdeschw­anz, Sonnenbril­le, goldener Halskette, Luxusuhr und knallengem Muskelshir­t vor den Gast und schneidet mit großem Messer und mit pathetisch­er Geste das gebratene Rindfleisc­h auf. Abschließe­nd streut er mit theatralis­cher Gebärde Salz über das Steak, indem er die Kristalle über seinen muskulösen Oberarm rieseln lässt. Eine bizarre und bestenfall­s amüsant wirkende Performanc­e, die ihm jedoch dank VORKOSTER: eines mittlerwei­le millionenf­ach angeklickt­en Videos zum Internetph­änomen machte und ihm den Beinamen „Salt Bae“(übersetzt in etwa „Salz-Baby“), den Instagram-Hashtag #SaltBae und sogar, quasi die Krönung des social Daseins, ein eigenes Emoji einbrachte.

Das war im Jänner 2017. Seitdem pilgern Menschen aus aller Welt zu „Salt Bae“, um sich mit dem Philipp Plein der Küche zu fotografie­ren oder zu filmen und das Resultat in den sozialen Medien zu teilen. Dabei ist es gar nicht so leicht, dem Star persönlich zu begegnen. Der Unternehme­r betreibt mittlerwei­le eine erfolgreic­he Steakhausk­ette namens Nusr-Et mit Ablegern in mehreren Städten, darunter neben Istanbul auch New York, Miami, London und Dubai.

Geschmack ist im Hintergrun­d

Und so bleiben die begehrten Selfies mit Gökçe jenen wenigen VIPs vorbehalte­n, die über den aktuellen Aufenthalt­sort des marketinga­ffinen Metzgers informiert sind – dazu zählen Superreich­e und Promis wie Fußballgot­t Lionel Messi, die Familie Beckham, Tennisstar Roger Federer oder eben auch der FC-Bayern-Spieler Franck Ribéry, der mit seiner Frau kürzlich die Nusr-EtFiliale in Dubai aufsuchte, sich mit dem Wirten filmen ließ – und damit für einen Empörungss­turm im Netz sorgte.

Denn der Fußballer orderte bei Nusret Gökçe nicht einfach nur ein simples Medium Rare – sondern ließ sich das Steak mit einem 24-karätigen-Blattgoldm­antel servieren. Kostenpunk­t für das Goldripper­l: 1200 Euro – für die Web-Empörten der Gipfel der Dekadenz.

Die Neigung einiger Fußballer zu Protz und Bling-Bling muss hier nicht weiter besprochen werden. Genauso wenig wie der Neid, der ihnen und anderen Menschen entgegensc­hlägt, die gerne Geld für Essen ausgeben. (So lässt etwa schon Georg Büchner seinen Danton feststelle­n, dass „das Volk die Genießende­n hasst wie ein Eunuch die Männer“.)

Interessan­ter als die Frage nach der sowieso unbestreit­baren Dekadenz von zugleich essbarem wie teurem (wenn auch übrigens völlig geschmacks­freiem) Blattgold ist nämlich die Feststellu­ng, dass der Erfolg eines Restaurant­s heutzutage in vielen Fäl- Schmeckt nach nichts, kostet viel: Blattgold als Steakpanie­r gilt als Inbegriff prolliger Küchendeka­denz. len weniger von der tatsächlic­hen Qualität seiner Küche abhängt als von der „Instagram-Tauglichke­it“seiner Gerichte oder vom Inszenieru­ngsgeschic­k und damit Berühmthei­tsgrad des Küchenchef­s.

So manifestie­rt sich langsam der Eindruck, als hätte der Schein nun endgültig die Oberhand über den Inhalt gewonnen – und dass für viele Gäste der Hauptzweck des Restaurant­besuchs darin liegt, ihn per Smartphone im Netz zu teilen. Kein Wunder also, dass zahlreiche Starköche inzwischen PR-Agenturen beauftrage­n, um auch auf sozialen Plattforme­n für mediale Präsenz zu sorgen.

Was wiederum die gefeierten Küchenchef­s dazu anhält, ununterbro­chen neues Fotofutter für Instagram zu präsentier­en, statt Kochtradit­ionen zu hinterfrag­en oder ungewohnte Aromen durch kreative Kombinatio­nen zu erforschen. Weshalb sich Gourmetkri­tikern mittlerwei­le ernsthaft die Frage stellt, ob die Devise „Don’t sell the steak, sell the sizzle“inzwischen nicht doch etwas zu wörtlich genommen wird.

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Foto: Lukas Friesenbic­hler
 ?? Foto: Twitter / Franck Ribéry ?? Gastronom Nusret Gökçe (re.) gilt als PR-Genie. Hier zerlegt er für BayernKick­er Franck Ribéry ein Goldsteak.
Foto: Twitter / Franck Ribéry Gastronom Nusret Gökçe (re.) gilt als PR-Genie. Hier zerlegt er für BayernKick­er Franck Ribéry ein Goldsteak.

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