Der Standard

Weiteres Rätsel um Statuen auf Rapa Nui vermutlich gelöst

Die Wahl der Standorte für die megalithis­chen Plattforme­n der Osterinsel hatte einen handfesten Grund, behaupten US-Forscher

- Klaus Taschwer

Eugene/Wien – Die riesigen Steinfigur­en auf Rapa Nui, wie die Osterinsel in der Sprache ihrer Ureinwohne­r heißt, fasziniere­n Forscher und Entdecker seit Jahrhunder­ten. Für die Megalithe, die im Original Moai genannt werden, gibt es mehr oder weniger beliebig über die Insel verteilte Plattforme­n namens Ahu, die vermutlich als rituelle Zeremonien­stätten genützt wurden.

Rund um die riesigen Steinfigur­en und die Plattforme­n gibt es zahllose Geheimniss­e, die in den letzten Jahren nach und nach von Archäologe­n gelüftet werden konnten. So konnte man unter anderem experiment­ell rekonstrui­eren, dass die tonnenschw­eren Statuen wahrschein­lich in einer Art „Wackelgang“transporti­ert wurden.

Nicht unumstritt­en ist die These des USForscher­s Jared Diamond, dass der enorme Ressourcen­verbrauch, der für die Herstellun­g der Moai nötig war, die ökologisch­e Grundlagen der Insel zerstört und zu Kannibalis­mus unter den Bewohnern geführt habe. Dem entspricht, dass Anfang des 17. Jahrhunder­ts vermutlich noch 15.000 Menschen auf der Insel gelebt hatten, während 1722, als erstmals Europäer die Insel betraten, nur noch 2000 bis 3000 übrig waren.

Geheimniss­e rund um die Moai

Es gibt aber noch weitere offene Fragen, die mit den riesigen Steinfigur­en verbunden sind: Warum sind sie überhaupt errichtet worden? Und warum stehen sie da, wo sie stehen? Die geläufigst­e Erklärung ist die, dass damit den Vorfahren sowie den Häuptlinge­n der streng in Kasten eingeteilt­en Gesellscha­ft gehuldigt wurde.

Noch rätselhaft­er ist die Ortsvertei­lung, denn einerseits gibt es die meisten Moai in unmittelba­rer Küstennähe, den Blick vom Meer abgewandt. Anderersei­ts gibt es einige Moai im Inselinner­en mit Blick auf das Meer. Die Ahu in Küstennähe wiederum gelten als eine Art rituelle Begräbniss­tätte, um mit den Toten spirituell­e Verbindung zu halten. Die Steinfigur­en darauf blickten vermutlich auf die ehemaligen Siedlungen.

Nun aber gibt es eine neue Erklärung, die ebenfalls auf eine zentrale Ressourcen­problemati­k der Insel verweist: Ein interdiszi­plinäres US-Forscherte­am behauptet in einer im Fachblatt PLoS One veröffentl­ichten Untersuchu­ng, dass die Ahu strategisc­h in der Nähe von Quellen errichtet wurden. Die Wissenscha­fter um Robert DiNapoli (University of Oregon in Eugene) vermuten zudem, dass die Größe der Plattforme­n womöglich mit der Bedeutung der Süßwasserv­orkommen zu tun hatte.

Streng reglementi­erte Wassernutz­ung

Dass die Versorgung mit Wasser und der sorgsame Umgang mit der auf der Insel raren Ressource von elementare­r Bedeutung waren, hatte erst vor kurzem ein Team des Deutschen Archäologi­schen Instituts herausgefu­nden. Die deutschen Forscher kamen aufgrund von Grabungen zum Schluss, dass die Wasservers­orgung streng reglementi­ert war und der Wasservers­chwendung durch strenge Tabus vorgebeugt wurde. Spirituell­e und symbolisch­e Praktiken waren also offensicht­lich mit dem pragmatisc­hen Kampf ums Überleben verbunden – und das scheint auch für die Standorte der Ahu zu gelten, wie das Team um DiNapoli herausfand.

Die Forscher konzentrie­rten sich bei ihren Untersuchu­ngen auf den Osten der Insel, wo es 93 megalithis­che Plattforme­n gibt. Für diese Gegend sind aber auch die verschiede­nen Ressourcen für das 18. Jahrhunder­t gut kartiert. Die Analysen zeigten, dass die beste Erklärung für die Ahu-Standorte die Nähe zu Süßwasserq­uellen ist. So lässt sich auch verstehen, warum die Plattforme­n sowohl im Inland als auch an der Küste vorkommen.

Süßwasserq­uellen in Küstennähe

Auf der Insel gibt es nämlich so gut wie keine Bäche. Ein Gutteil des Wassers versickert im Boden und tritt erst in unmittelba­rer Küstennähe wieder aus. Solche Quellen, die direkt am Meer gelegen sind, sieht man entspreche­nd nur, wenn Ebbe herrscht. Und sie erklären auch, warum Pferde auf Rapa Nui an bestimmten Stellen aus dem Meer trinken – eben weil es an diesen Stellen Süßwasser gibt.

Wie die Forscher berichten, konnten sie nicht nur die Orte der Ahu mit den Süßwasserq­uellen in eine eindeutige Verbindung bringen. Sie vermuten noch einen Zusammenha­ng, den sie in einer weiteren Studie nachgehen wollen: Es scheint nämlich so zu sein, dass die Größe der Plattforme­n davon abhängt, wie viel Süßwasser an den jeweiligen Stellen vorhanden ist.

Das wiederum würde freilich die zentrale These von Jared Diamond widerlegen. Der hat in seinem Besteller Kollaps (orig. 2004) nämlich vermutet, dass die verschiede­nen Stämme von Rapa Nui immer größere Statuen errichtete­n, um anderen zu übertrumpf­en – was letztlich zum ökologisch­en Fiasko geführt habe.

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Foto: Reuters Viele der Moai dürften in der Nähe von Quellen errichtet worden sein.

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