„Bin froh, dass ich die Bibi nur spielen muss“
Eine Leiche im „Tatort“zu spielen ist für viele ein Ziel. Adele Neuhauser hält es für eine „unglückliche Aufgabe“. Als Bibi Fellner deckt sie kommenden Sonntag in ihrem 20. „Tatort“„wahre Lügen“auf.
Die erste Frage erfolgt auf vielfachen Wunsch: Wie wird man Leiche im „Tatort“? Neuhauser: Hochinteressant! Ich frage mich immer wieder, wieso Menschen diesen Wunsch hegen, als Leiche da herumzuliegen. Es ist erstens ungemütlich, zweitens eine unglückliche Aufgabe, weil die Aufmerksamkeit doch auf den Ermittlern liegt und man wirklich nichts tun darf – nicht atmen, blinzeln, schlucken. Meistens liegt man auf dem schrecklichen Seziertisch bei den Pathologen, der sehr ungemütlich ist. Wie wird man Leiche? Na ja, über den üblichen Weg: Man wird ermordet.
Das ist, in der Tat, eine wichtige Voraussetzung. Neuhauser: Sehr wichtig! Und um so weit zu kommen, muss man sich bei einer Statistenagentur wie Austroconcert melden.
Haben Sie Erfahrungen als Leiche im Film? Neuhauser: Noch nicht, aber ich erinnere mich an eine ORF-Jahresrückschau, bei der ich mich in einen dieser von der Polizei vorgezeichneten Rahmen legen und eine Leiche spielen sollte. Da habe ich mich wirklich zu wahrer Brillanz hinaufge-nicht-atmet.
Dann gibt es auch gute und schlechte Leichen? Neuhauser: Die gibt es. Ich erinnere mich an einen Film, in dem jemand aufgebahrt in einem Sarg lag, sehr enge Kleidung trug und ewig lang das Gesicht desjenigen im Bild zu sehen war. Dazu kam, dass die Trauernde ihn berührte und küsste, und es war keine Regung zu sehen. Umwerfend!
Wie geht es Ihnen im Angesicht der Spieltoten? Neuhauser: Sehr unterschiedlich. Manchmal ist es schon gespenstisch. Bei einem Tatort ging es um Kindesmissbrauch, uns ging es allen richtig seltsam.
Wie bewerten Sie die jüngsten Horror-„Tatort“-Folgen? Neuhauser: Das sind Ausflüge. Die Tatort- Macher der ARD haben offenbar Sorge, dass der Tatort jetzt nach 40 Jahren in Gefahr ist. Was ich überhaupt nicht so sehe, aber trotzdem versucht man immer wieder etwas Neues. Es wird versucht, mit anderen Stilmitteln zu arbeiten und das Mainstreampublikum zu bedienen. Also so: In der Sekunde fünf muss eine nack- INTERVIEW: te Frau, spätestens nach Sekunde 15 die Leiche zu sehen sein. Ich glaube, aus dieser Matrix sind wir langsam draußen.
Gibt’s die? Neuhauser: Nicht unbedingt beim Tatort, aber ich weiß von Vorgaben, die sagen: So fesseln wir das Mainstreampublikum.
„Wahre Lügen“ist Bibi Fellners 20. Fall. Es geht um den ungeklärten Tod des ehemaligen Verteidigungsministers Karl Lütgendorf. Neuhauser: Bis heute ist es ein sehr prekärer Fall. Wir haben die Geschichte im Vorfeld mit Samthandschuhen angefasst, weil wir nicht in ein Wespennest stechen wollten. Es ist auch eine österreichische Tradition, so lange nicht über eine Sache zu sprechen, bis sich scheinbar kein Mensch mehr dafür interessiert.
Die „echte“Polizei muss immer wieder zum Einsatztraining. Wie schaut das bei Ihnen aus? Neuhauser: Gott sei Dank müssen wir ja nicht mit scharfer Waffe schießen. Wir haben zu Beginn einen Tag bei der Cobra verbracht, damit ich sehe, wie Schießtraining ist.
Und? Neuhauser: Mir machen Waffen Angst. Als Juli Zirbner habe ich für Vier Frauen und ein Todesfall eine Jagdprüfung absolvieren müssen. Da habe ich herumgeballert wie eine Blöde, das war überhaupt kein Problem. Aber beim Tatort ist es doch eigenartig, da stehen Papierfiguren, die Men- schenumrisse haben. Ich bin froh, dass ich die Bibi Fellner nur spielen muss. Es ist ein harter Job.
Was ist so super daran, im „Tatort“zu spielen? Neuhauser: Ich hatte immer die Sehnsucht, von mir, Adele, in eine andere Biografie zu kommen, und jetzt ist die Bibi am nächsten an mir dran. Das und weil der Tatort wie kein anderes Genre die Gelegenheit hat, ein Spiegelbild unserer Zeit zu zeigen. Das ist eine irre Qualität.
ADELE NEUHAUSER ist im Frühjahr als Helene Weigel in Heinrich Breloers Dokudrama über Bertolt Brecht zu sehen. Am 17. Februar feiert sie ihren 60. Geburtstag. Mehr von Adele Neuhauser können Sie im Podcast Serienreif auf derStandard.at/Etat nachhören.