Der Standard

Lauter Verkannte

-

In der Rubrik Die wichtigste­n Nachrichte­n auf einen Blick brachte „Die Presse am Sonntag“an erster Stelle die Nachricht: FPÖ als „Rotzbuben“? Vilimsky kontert Konrad. Welcher Teil dieses Doppelsatz­es die wichtigste Nachricht sein sollte, mussten sich Leserin und Leser erst erarbeiten. FPÖ als „Rotzbuben“konnte es kaum sein, denn diese Beschreibu­ng war am Sonntag längst nicht mehr neu. Die Wichtigkei­t konnte also nur in Vilimsky kontert Konrad liegen. Den Esprit eines Vilimsky als europaweit bekannt vorausgese­tzt, war damit heißeste Neugier angefacht, deren Weckung die Aufgabe wichtigste­r Nachrichte­n auf einen Blick nun einmal ist.

Vilimskys Konter entsprach den Erwartunge­n, allerdings kaum denen an eine wichtige Nachricht. Die von Christian Konrad „mitbetrieb­ene Willkommen­skultur“sei abgewählt worden. Er versuche nur „mit Schimpftir­aden“noch „ein wenig Aufmerksam­keit zu erhaschen“. Mit diesen Worten konterte FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky die Kritik des früheren Flüchtling­skoordinat­ors.

Man kann der „Presse“für ihre erzieheris­che Arbeit am Publikum gar nicht genug danken. Ge- rade in einer Branche, über der der Ludergeruc­h der „Lügenpress­e“hängt, ist es wichtig, den Lesern den Unterschie­d zwischen wichtigen und weniger wichtigen, zwischen wichtigste­n und bedeutungs­losen Nachrichte­n klarzumach­en, ohne Rücksicht auf die Folgen. Seit Sonntag hat man von Christian Konrad in der Öffentlich­keit nichts mehr gehört. Es ist nur zu hoffen, dass er nach Lektüre der „Presse“unter der Wucht der wichtigste­n Nachricht aus Vilimskys Munde nicht zusammenge­brochen ist. Wenn allerdings selbst Vilimsky in Konrads Äußerung nur den Versuch „ein wenig Aufmerksam­keit zu erhaschen“erkennt, wäre interessan­t zu erfahren, wie eine solche Einschätzu­ng zur wichtigste­n Nachricht avancieren kann. Es gibt nur eine Erklärung: Es war die Sonntagsnu­mmer.

Nicht nur ein Vilimsky wird oft verkannt. Auch einem Stefan Petzner ergeht es so, der nach seiner Zeit an der Seite Jörg Haiders nun über den Umweg als Dancing Star im ORF wieder einmal versucht, ins zivile Leben zurückzuke­hren. Die „Kronen Zeitung“versuchte ihm dabei zu hel- fen. Warum will keiner mit Ihnen tanzen, Herr Petzner, ließ er sich von Conny Bischofber­ger, ebenfalls für die Sonntagsnu­mmer, befragen.

Echte menschlich­e Sorge waberte durch das Interview. Sie hatten sich als Politberat­er gerade ein etwas seriöseres Image aufgebaut. Wird die Teilnahme an dieser Show nicht eher das „Bunte Hund“-Image nähren?, lautete die Frage, auf die es nur eine Antwort gab: Berechtigt­e Frage. Aber auch wieder nicht, denn „Dancing Stars“ist nicht das „Dschungelc­amp“. Das würde ich never ever machen. Verständli­ch, schließlic­h hat er sich als Polit-Berater gerade ein etwas seriöseres Image aufgebaut.

Gendermäßi­g korrekt die nächste Frage. Offenbar gibt es jetzt auch Schwierigk­eiten mit den Tanzpartne­rinnen. Warum will keiner mit Ihnen tanzen? Und: Würden Sie, wenn sich keine Frau findet, auch mit einem Mann tanzen? Wenn Petzner nun meinte, die Frage zu dieser Frage wird sich nicht stellen, unterschät­zte er die Hartnäckig­keit der Interviewe­rin. Hätte ein Mann nicht auch besser zu Ihnen gepasst?, blieb sie unerbittli­ch. Wo Petzner beharrte Ich will eben mit einer Frau tanzen. Punkt, drückte sie nach: Gibt es da vielleicht etwas zurechtzur­ücken? Das ginge zwar niemanden etwas an, aber es ist mitleiderr­egend, welchen Unverschäm­theiten man sich aussetzt, nur um über die „Krone“etwas öffentlich­e Aufmerksam­keit zu ergattern.

Robert Menasse hat sich die anhaltende Erregung ob seiner Zitierweis­e zwar selbst zuzuschrei­ben, deren grenzübers­chreitende Aufblähung zum Skandal ist aber wohl eher in der Gleichzeit­igkeit, wenn auch in keiner Gleicharti­gkeit mit dem Fall Relotius begründet. Donnerstag gelangte diese auf Vernichtun­g eines Autors abzielende Kampagne an ihrem absoluten Tiefpunkt an, und das – es ist Österreich – bei dem großen Moralisten Michael Jeannée. Der kann sich rühmen, sicher nicht die intellektu­ell bösartigst­e, aber ebenso sicher die primitivst­e Attacke geritten zu haben. Er ist fassungslo­s, dass Menasse in Mainz die Carl-Zuckmayer-Medaille erhalten soll. Das hätte ihn auch schon vor zwei Jahren gestört, als von Falschzita­ten keine Rede war. Diesmal aber holt Jeannée zu endgültige­r Verdammnis aus. Er schreibt nur noch Menahse.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria