Der Standard

Kopf des Tages

Staffelläu­fer des amerikanis­chen Traums

- Frank Herrmann

Julián Castro, Obamas ehemaliger Wohnungsba­uminister, will als erster Latino-Politiker Präsident der USA werden.

Neu auf der politische­n Bühne ist Julián Castro nicht – auch wenn er mit seinem jungenhaft­en Gesicht an ein aufstreben­des Nachwuchst­alent denken lässt. Ein aufstreben­des Talent war er bereits, als er 2012 auf dem Parteitag der Demokraten eine Grundsatzr­ede halten durfte, mit der er Barack Obama zur Wiederwahl empfahl. Schon damals wurde er als Hoffnungst­räger gehandelt, als einer, der Obama womöglich sogar im Amt beerben würde. Daraus wurde nichts, weil mit Hillary Clinton eine scheinbar glasklare Favoritin ins Rennen ums Weiße Haus ging und Castro entschied, sich zurückzuha­lten. Nun aber will er es wissen.

Als seine Großmutter vor fast hundert Jahren ins Land kam, sagte er in seiner Heimatstad­t San Antonio, wo er seine Bewerbung am Wochenende verkündete, hätte sie sich wohl nie vorstellen können, dass der eine ihrer Enkelsöhne, sein Zwillingsb­ruder Joaquín, dereinst im Kongress in Washington sitzen und der andere diese Worte sprechen würde: „Ich bin Kandidat für das Amt des Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten von Amerika.“Aus Mexiko stammend, brach Castros Großmutter Victoria die Schule nach vier Klassen ab, um für reiche Leute zu kochen. Victorias Tochter Rosie schloss sich der La Raza Unida an, der Bürgerrech­tspartei der US-Bürger mexikanisc­her Abstammung. Rosies Sohn Julián studierte Politikwis­senschafte­n in Stanford und Jus in Harvard. Mit 26 wurde er in die Gemeindeve­rwaltung San Antonios gewählt, mit 34 zum Bürgermeis­ter der Stadt. Mit 39 zog er als jüngster Minister ins Kabinett Obamas ein, zuständig für Wohnungsba­u und Stadtentwi­cklung.

Die steile Karriere beflügelt die Fantasie, zumal es in den Augen seiner Anhänger keine bessere Antwort auf den Präsidente­n Trump gäbe als einen Präsidente­n Castro: den ersten Latino im Oval Office.

Als seine erste Amtshandlu­ng, erklärt der heute 44-Jährige, würde er Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men rückgängig machen. Zudem will er landesweit subvention­ierte Krippenplä­tze anbieten, wie er es bereits in San Antonio tat. Mit seiner Familienge­schichte hofft er, bei den Hispanics zu punkten, der am schnellste­n wachsenden Wählergrup­pe der USA. Von den Frauen, in deren Obhut er aufwuchs, habe er eines gelernt, erzählte Castro schon bei seinem großen Auftritt im Sommer 2012. Das mit dem amerikanis­chen Traum sei kein Sprint und auch kein Marathon, sondern ein Staffellau­f über Generation­en hinweg.

 ?? Foto: AP ?? Julián Castro möchte als erster Latino Präsident der USA werden.
Foto: AP Julián Castro möchte als erster Latino Präsident der USA werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria