ZITAT DES TAGES
In Deutschland gelten die ersten Dieselverbote. Die treibende Kraft dahinter ist Jürgen Resch, Gesicht und Chef der Deutschen Umwelthilfe. Der Diesel sei mausetot, sagt er – und wählt gewohnt drastische Worte. Hofer will schwere Lkws schneller fahren lass
„Der Dieselstinker hat in der Stadt nichts mehr zu suchen.“
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation DUH, über die Wende hin zu klimafreundlichem Verkehr
Das größte Projekt der Lobbyorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) sind die Fahrverbote für Dieselautos. Gegen 34 Städte hat die DUH geklagt, erste Verbote sind in Kraft. DUH-Chef Jürgen Resch gilt den einen als Mr. Umwelthilfe, den anderen als kompromissloser, aggressiver Dieselschreck, der auch nicht zögert, deutschen Landeschefs mit Gefängnis zu drohen.
Vergangenes Jahr ist es laut geworden in der Dieselsache, hat sich der Sturm ausgezahlt? Resch: Wir sind der Auffassung, dass wir im Moment eine relevante Hilfestellung für saubere Luft in unseren Städten und für eine Verkehrswende leisten. Es wird Ihnen gefallen, dass Wien neben Zürich sehr häufig als eine der Metropolen genannt wird, die klügere Ansätze hat als viele deutsche Metropolen und Landes- und Bundesregierungen. Hin zu weniger Individualverkehr und mehr kollektivem Verkehr.
Wien steht in Sachen E-Mobilität eher auf der Bremse. Keine freie Fahrt auf der Busspur oder Gratisparkplätze für E-Autos. Wie soll da eine Wende hin zu klimafreundlicherem Verkehr gelingen? Resch: Wir möchten Privatautos in Deutschland auch nicht auf den Busspuren sehen. Der motorisierte Individualverkehr muss unabhängig von den Antriebsarten zurückgedrängt werden. Wir brauchen eine Privilegierung für die öffentlichen Verkehre, schmutzige müssen raus aus den Städten. Der Dieselstinker hat in der Stadt nichts mehr zu suchen.
Ganz schön hart für Dieselfahrer, die ihre Autos im guten Glauben, etwas für die Umwelt zu tun, gekauft haben und jetzt auf einem Haufen zusehends wertlosem Blech sitzen. Resch: Er muss eben ersetzt oder in vielen Fälle repariert werden. Es ist kein Hexenwerk, aus einem schmutzigen Diesel einen sauberen zu machen. Die Defekte, häufig eine betrügerische Abgasanlage, kann man in einem zweibis vierstündigen Werkstattauf- enthalt durch eine funktionierende Abgasanlage ersetzen.
Das kostet Geld. Dadurch rechnen sich Kleinwagen für Autobauer angesichts der ambitionierten Verbrauchs- und Abgasvorschriften nicht mehr. Schneidet man sich ins eigene Fleisch? Resch: Das betrifft vor allem kleine Dieselmodelle. Die Autohersteller haben höhere Renditen, wenn sie SUVs verkaufen, und bewerben diese auch intensiv.
Es ist doch legitim und sogar ihre Pflicht, dass die Industrie Geld verdient, um Investitionen, die es auch für die E-Mobilität braucht, stemmen zu können. Resch: Es ist betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich eine Fehlentscheidung. Die Hersteller und die Industriegewerkschaft Metall kämpfen gegen ehrgeizige CO2-Vorgaben der EU und funktionierende E-Mobilitätsförderungen. Zu sehen an den erschreckend niedrigen Zulassungszahlen für E-Autos. Warum werden E-Antriebe, Elektro-Gas-Hybridantriebe, Brennstoffzellenantriebe, die gebetsmühlenartig als Zukunft dargestellt werden, von deutschen oder österreichischen Herstellern nicht oder nur in homöopathischen Dosen angeboten?
Vielleicht weil tausende Jobs bedroht sind? Resch: In Großbritannien sind viele Arbeitsplätze auf den Kohlelokomotiven verlorengegangen. Man hat versucht, Posten dadurch zu retten, dass auf den Elektrolokomotiven Heizer mitfahren mussten. Es ist nicht aufzuhalten, dass die Welt andere Antriebe braucht. Deutschland wie Österreich haben sich für 2020 Klimaziele gesetzt. Der Verkehrsbereich ist der einzige, der in den vorigen 28 Jahren nicht nur keinen Beitrag geleistet hat, sondern der sogar seine CO2-Emissionen erhöht hat.
Das werfen Sie der Industrie vor? Resch: Vergleiche ich die Autos von 1990 mit denen von 2019, stelle ich eine Aufrüstung fest, die INTERVIEW: durch nichts gerechtfertigt ist. Wir brauchen eine ordnungsrechtliche Hand des Staates, die der Industrie sagt, dass bestimmte Fahrzeuge nicht erwünscht sind. Will sie jemand haben, muss er dafür erhöhte Steuer zahlen. Mit diesen Mehreinnahmen versucht man, Produkte der Zukunft zu entwickeln. Wie soll eine deutsch-österreichische Automobilindustrie überleben, die sich viel zu stark auf Diesel eingestellt hat, wenn die Welt der deutschen und österreichischen Automobilindustrie keine Diesel mehr abkauft? Der internationale Dieselmarkt ist tot.
Durch Ihren Beitrag? Resch: Nicht durch die Enthüllungen der Deutschen Umwelthilfe, sondern durch den organisierten und selbsteingestandenen Betrug, der über 20 Jahre in einem Kartell abgesprochen wurde. Genau so wie im Coppola-Epos Der Pate, wo sich die organisierte Kriminalität in Hotelhinterzimmern getroffen hat. Eine solche Industrie, die die Glaubwürdigkeit der Dieseltechnologie international an die Wand gefahren hat, muss sich genau überlegen, ob sie jetzt diese Erpressungspolitik den Regierungen gegenüber weiterführt.
Was würde eine kluge Politik jetzt machen? Resch: Sie würde versuchen, der Automobilindustrie Rahmenbedingungen zu geben, zum einen alle Diesel, die sie ausgeliefert hat, zwingend durch Hardwarenachrüstungen sauberzumachen, um die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Die USA hat das gegenüber Porsche, Audi und Volkswagen durchgesetzt. Warum bekommen es die deutsche, österreichische und andere europäische Regierungen nicht hin, das Gleiche für ihre betrogenen Bürger zu fordern und durchzusetzen? Wir haben das erst teilweise gelöst.
Dabei gibt es schon einige Dieselfahrverbote. Wie erklären Sie das den Dieselbesitzern? Resch: Die Regierungen in Deutschland und Österreich müssen sicherstellen, dass die Industrie die Kosten für die Nachrüstung über- nimmt. Es kann nicht sein, dass ein schmutziges Fahrzeug – Euro 5 sind, was Stickoxide angeht, schmutziger als 30 Jahre alte Diesel – weiter in Städte fahren darf. Selbst die neueste Abgasnorm 6d wird jetzt vom Europäischen Gericht als illegal bezeichnet. Diesel ist tot, mausetot.
Jetzt gibt es eine Rechts - grundlage, aber kaum Nachrüstangebote am Markt. Resch: Vierzig Monate hat die DUH gebraucht, um die Regierung dazu zu bringen, endlich eine Verordnung zu schreiben, dass man nachrüsten kann. Es ist aberwitzig, dass die Autoindustrie diesen Betrug missbraucht hat, um die Kunden dazu zu bringen, ihre Euro-5-Autos zu verkaufen, um sich ein Euro-6-Auto zu kaufen. Ich hoffe sehr, dass wir schnell Nachrüstangebote am Markt finden und auch die österreichische Regierung ausreichend Mumm findet, sich für ihre Bürger prioritär einzusetzen. Wer ein Auto gekauft hat, das als sauber und klimafreundlich versprochen wurde, hat Anspruch darauf, dass es so nachgerüstet wird, dass es diese Eigenschaften hat.
In Bayern wurde der Streit um Dieselfahrverbote und den Luftreinhalteplan bis zum EuGH getragen. Selbst die Inhaftierung von Ministerpräsidenten verlangen Sie. Gehen Sie zu weit? Resch: Wir haben in München seit über vier Jahren ein rechtskräftiges Urteil und höchstrichterliche Entscheidungen, und seit vier Jahren wehrt sich die Staatsregierung von Bayern, das Urteil zu beachten. Wenn es ums Auto und den Diesel geht, wagt man nicht mehr, Recht und Gesetz anzuwenden.
JÜRGEN RESCH (59) ist seit 1988 Geschäftsführer der DUH, die sich durch Privatspenden, öffentliche Gelder und Sponsoring von Unternehmen (darunter Toyota) finanziert. Die Deutsche Telekom ist 2017 abgesprungen. Immer lauter wurde zuletzt Kritik am Geschäftsmodell. Die DUH darf als Verbraucherschutzorganisation klagen und Unternehmen abmahnen, die etwa gegen Verbrauchervorschriften verstoßen. Wien – Volkswagen droht in der Dieselaffäre weiteres Ungemach. Das deutsche Kraftfahrtbundesamt wirft VW laut Bild am Sonntag vor, auch beim Software-Update für manipulierte Diesel mit 1,2-Liter-Motor zu schummeln. Die Behörde soll demnach prüfen, ob in Deutschland 30.000 Fahrzeugen die Typengenehmigung entzogen werden müsse.
Hierzulande sollte Dieselfahrern – geht es nach Verkehrsminister Norbert Hofer – zumindest die Abschaffung des Steuervorteils für Diesel auch künftig erspart bleiben. Der FPÖ-Verkehrsminister sprach sich im Hinblick auf die Steuerreform im Ö1-Format Im Journal zu Gast zwar für eine Ökologisierung der Steuern in Form von Stimuli aus, lehnt aber negative Anreize ab. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer komme für ihn nicht infrage, auch eine Abschaffung des Steuervorteils für Diesel sei kein Thema.
Seine autofreundliche Linie will Hofer fortsetzen. Tempo 140 auf der Autobahn soll auf weitere Teststrecken ausgeweitet werden. Aufheben will der Minister außerdem die 60-km/h-Beschränkung für schwere Lkws in der Nacht. Mit diesem Tempo hätten Lkws einen höheren Schadstoffausstoß als mit 70 und seien auch lauter.
Laut wurde auch Kritik an der Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVa), die durch das neue Messregime gestiegen ist. Trotz rückläufiger Autokäufe sei sie seit September um 51 Prozent gestiegen, kritisiert der Verbraucherschutzverein von Peter Kolba – entgegen den Versprechen von Finanzminister Hartwig Löger und seines Vorgängers. (red)