USA stutzen russischer Luftfahrt die Flügel
Die US- Sanktionen werden zum Ärgernis für die russische Luftfahrt. Das amerikanische Finanzministerium legt einen russisch-iranischen Luftfahrtdeal auf Eis. Auch das Prestigeprojekt MS-21 ist bedroht.
Der Sanktionsdruck auf die russische Luftfahrt nimmt zu: Das US-Finanzministerium hat wichtige Ersatzteillieferungen für den Großraumflieger MS-21 (alternativ auch: MC-21) gestoppt, mit dem Moskau eigentlich Airbus und Boeing auf den Kurz- und Mittelstrecken Konkurrenz machen wollte. Konkret geht es um Verbundwerkstoffe, die das Flugzeug leichter machen sollen. Speziell in den Flügeln wird das Material verwendet. MS-21 wirbt Kunden mit den potenziell geringeren Betriebskosten im Vergleich zur Konkurrenz – mittels des Einsatzes neuer Polymermaterialien.
Doch nun haben die amerikanische Hexcel und die japanische Toray Industries auf Druck aus Washington ihre Lieferungen nach Russland eingestellt. Als Grund für das Lieferverbot gelten die russischen Rüstungsunternehmen Aerokomposit und ONPP Technologia imeni Romaschina. Erstere ist eine Tochter der Flugzeugholding UAC, die zweite gehört zur Rüstungsholding Rostec. Beide sind am Bau der MS-21 beteiligt und stehen auf der schwarzen Liste des US-Finanzministeriums. Ein weiterer Rückschlag für die technisch ambitionierte MS-21. Die zweistrahlige Maschine hat eine Reichweite von 5000 Kilometern und kann 160 bis 230 Passagiere befördern. Der Start des ersten postsowjetischen Großraumflugzeugs verzögert sich immer mehr.
Ursprünglich sollte es 2012 abheben, dann war 2015, später 2019 im Gespräch. Nun soll es 2020 kommerziell abheben. Die Lieferprobleme könnten den Zeitplan aber erneut durcheinanderbringen. Bisher gibt es drei fertige Prototypen, ein vierter ist im Bau, alle sind mit den aus dem Ausland stammenden Bauteilen ausgestattet. „Die bestehenden Vorräte an Kompositmateria- lien reichen für sechs Flugzeuge, nun werden verschiedene Lösungswege diskutiert“, so die Tageszeitung Kommersant. Viele Varianten gebe es nicht: „Entweder müssen wir chinesische Verbundwerkstoffe nehmen, die doppelt so dick und schwer sind, oder warten, bis russische Unternehmen so etwas herstellen können“, so ein Informant der Zeitung. Mit dem Aufweichen der Sanktionen rechnet in Moskau niemand.
Die UAC hat den Lieferstopp bestätigt, bestreitet aber Probleme. Der Konzern werde nicht auf die Nutzung von Verbundwerkstoffen verzichten, sondern den Import durch einheimische Produkte ersetzen. Als eine Variante gilt eine Kooperation mit der staatlichen Atomholding Rosatom. Theoretisch könnte sich auch eine UACTochter spezialisieren, die Serienreife würde sich so aber bis 2025 hinauszögern. Offiziell hat UAC versprochen, die Lieferfristen einzuhalten, die ersten Flieger sollen Mitte 2020 an Aeroflot ausgeliefert werden. Am schnellsten wäre das Flugzeug durch Verzicht auf die Werkstoffe fertigzubekommen. Damit wäre die Maschine aber gegenüber Boeing und Airbus nicht konkurrenzfähig, warnte der Luftfahrtexperte Oleg Pantelejew.
Es ist nicht der einzige Schlag Washingtons gegen die russische Luftfahrt. Jüngst wurde bekannt, dass ein milliardenschweres russisch-iranisches Flugzeuggeschäft auf Eis liegt – ebenfalls wegen der US-Sanktionen, allerdings gegen den Iran. Eigentlich sollten 40 Flugzeuge vom Typ SSJ 100 an den Iran gehen. Weil in dem Flugzeug auch Bauteile aus den USA verwendet werden, legte das US-Finanzministerium sein Veto ein. Ein schneller Ersatz der amerikanischen Bauteile ist nicht möglich.