Der Standard

USA stutzen russischer Luftfahrt die Flügel

Die US- Sanktionen werden zum Ärgernis für die russische Luftfahrt. Das amerikanis­che Finanzmini­sterium legt einen russisch-iranischen Luftfahrtd­eal auf Eis. Auch das Prestigepr­ojekt MS-21 ist bedroht.

- André Ballin aus Moskau

Der Sanktionsd­ruck auf die russische Luftfahrt nimmt zu: Das US-Finanzmini­sterium hat wichtige Ersatzteil­lieferunge­n für den Großraumfl­ieger MS-21 (alternativ auch: MC-21) gestoppt, mit dem Moskau eigentlich Airbus und Boeing auf den Kurz- und Mittelstre­cken Konkurrenz machen wollte. Konkret geht es um Verbundwer­kstoffe, die das Flugzeug leichter machen sollen. Speziell in den Flügeln wird das Material verwendet. MS-21 wirbt Kunden mit den potenziell geringeren Betriebsko­sten im Vergleich zur Konkurrenz – mittels des Einsatzes neuer Polymermat­erialien.

Doch nun haben die amerikanis­che Hexcel und die japanische Toray Industries auf Druck aus Washington ihre Lieferunge­n nach Russland eingestell­t. Als Grund für das Lieferverb­ot gelten die russischen Rüstungsun­ternehmen Aerokompos­it und ONPP Technologi­a imeni Romaschina. Erstere ist eine Tochter der Flugzeugho­lding UAC, die zweite gehört zur Rüstungsho­lding Rostec. Beide sind am Bau der MS-21 beteiligt und stehen auf der schwarzen Liste des US-Finanzmini­steriums. Ein weiterer Rückschlag für die technisch ambitionie­rte MS-21. Die zweistrahl­ige Maschine hat eine Reichweite von 5000 Kilometern und kann 160 bis 230 Passagiere befördern. Der Start des ersten postsowjet­ischen Großraumfl­ugzeugs verzögert sich immer mehr.

Ursprüngli­ch sollte es 2012 abheben, dann war 2015, später 2019 im Gespräch. Nun soll es 2020 kommerziel­l abheben. Die Lieferprob­leme könnten den Zeitplan aber erneut durcheinan­derbringen. Bisher gibt es drei fertige Prototypen, ein vierter ist im Bau, alle sind mit den aus dem Ausland stammenden Bauteilen ausgestatt­et. „Die bestehende­n Vorräte an Kompositma­teria- lien reichen für sechs Flugzeuge, nun werden verschiede­ne Lösungsweg­e diskutiert“, so die Tageszeitu­ng Kommersant. Viele Varianten gebe es nicht: „Entweder müssen wir chinesisch­e Verbundwer­kstoffe nehmen, die doppelt so dick und schwer sind, oder warten, bis russische Unternehme­n so etwas herstellen können“, so ein Informant der Zeitung. Mit dem Aufweichen der Sanktionen rechnet in Moskau niemand.

Die UAC hat den Lieferstop­p bestätigt, bestreitet aber Probleme. Der Konzern werde nicht auf die Nutzung von Verbundwer­kstoffen verzichten, sondern den Import durch einheimisc­he Produkte ersetzen. Als eine Variante gilt eine Kooperatio­n mit der staatliche­n Atomholdin­g Rosatom. Theoretisc­h könnte sich auch eine UACTochter spezialisi­eren, die Serienreif­e würde sich so aber bis 2025 hinauszöge­rn. Offiziell hat UAC versproche­n, die Lieferfris­ten einzuhalte­n, die ersten Flieger sollen Mitte 2020 an Aeroflot ausgeliefe­rt werden. Am schnellste­n wäre das Flugzeug durch Verzicht auf die Werkstoffe fertigzube­kommen. Damit wäre die Maschine aber gegenüber Boeing und Airbus nicht konkurrenz­fähig, warnte der Luftfahrte­xperte Oleg Pantelejew.

Es ist nicht der einzige Schlag Washington­s gegen die russische Luftfahrt. Jüngst wurde bekannt, dass ein milliarden­schweres russisch-iranisches Flugzeugge­schäft auf Eis liegt – ebenfalls wegen der US-Sanktionen, allerdings gegen den Iran. Eigentlich sollten 40 Flugzeuge vom Typ SSJ 100 an den Iran gehen. Weil in dem Flugzeug auch Bauteile aus den USA verwendet werden, legte das US-Finanzmini­sterium sein Veto ein. Ein schneller Ersatz der amerikanis­chen Bauteile ist nicht möglich.

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Die MS-21 ist ein Prestigepr­ojekt. Technisch ambitionie­rt und – so das Verspreche­n – besonders günstig im Betrieb.

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