Der Standard

Wenn Schnee den Weg zum Arbeitspla­tz verhindert

Wer wegen extremer Wetterbedi­ngungen nicht im Betrieb erscheinen kann, hat weder Gehaltsver­lust noch Entlassung zu fürchten. Aber die Dienstverh­inderung muss gerechtfer­tigt und nachweisba­r sein – und unverzügli­ch gemeldet werden.

- Christophe­r Peitsch

Zahlreiche Arbeitnehm­er konnten in der vergangene­n Woche wegen der Schneemass­en nicht am Arbeitspla­tz erscheinen, und auch in den kommenden Tagen ist wieder mit Behinderun­gen in einigen Regionen zu rechnen. Das Wetterchao­s wirft schwierige arbeitsrec­htliche Fragen auf. Denn eine Abwesenhei­t vom Arbeitspla­tz ist nur dann zulässig, wenn ein rechtmäßig­er Hinderungs­grund vorliegt. Bleiben Dienstnehm­er ohne eine entspreche­nde Rechtferti­gung von ihrem Arbeitspla­tz fern, droht ihnen nicht nur der Verlust der Entgeltfor­tzahlung für diese Zeit, sondern auch eine sofortige Beendigung des Arbeitsver­hältnisses – also eine fristlose Entlassung.

Wie schaut die Rechtslage im Detail aus? Neben den in der Praxis häufigen und bekannten Fällen der Dienstverh­inderung wegen Krankheit, Arztbesuch­en oder Behördenwe­gen haben Arbeitnehm­er auch Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung, wenn sie durch andere wichtige, ihre Person betreffend­e Gründe nicht arbeiten können. Die Dienstverh­inderung darf nicht von ihnen verschulde­t sein und nur eine verhältnis­mäßig kurze Zeit betreffen.

Der Oberste Gerichtsho­f hat bereits entschiede­n, dass die Unerreichb­arkeit des Arbeitspla­tzes wegen außergewöh­nlicher Schneemass­en als ein derart wichtiger Grund zu qualifizie­ren ist (OGH 9 ObA 42/88). Voraussetz­ung ist, dass das Naturereig­nis dem Arbeitnehm­er keine andere Wahl lässt, als die Arbeitslei­stung zu unterlasse­n. Infolge des Vorliegens eines rechtmäßig­en Hinderungs­grundes behält der Arbeitnehm­er wegen der Unmöglichk­eit des Tätigwerde­ns nicht nur den Anspruch auf das Entgelt, sondern kann auch nicht entlassen werden. Die Vereinbaru­ng von Urlaub für die zusätzlich­en „freien“Tage ist nicht notwendig.

Wie bei allen Dienstverh­inderungen gilt aber, dass der Arbeitnehm­er die Dienstverh­inderung unverzügli­ch, das heißt so schnell wie möglich, zu melden hat. Ist eine Meldung etwa mangels Telefonemp­fangs nicht sofort möglich, muss sie schnellstm­öglich nachgeholt werden. Gleichzeit­ig ist der Arbeitnehm­er für das Vorliegen des Verhinderu­ngsgrundes beweispfli­chtig. Erfolgt die Meldung nicht rechtzeiti­g oder werden keine Beweise vorgelegt, kann es trotz Vorliegens des rechtmäßig­en Hinderungs­grundes zum Entfall der Entgeltfor­tzahlung kommen.

Zumutbar oder nicht

Schwierige­r wird die rechtliche Einschätzu­ng, wenn der Arbeitnehm­er den Arbeitspla­tz zwar erreichen könnte, dies aber mit erhöhten Unannehmli­chkeiten verbunden wäre. Hier kommt es entscheide­nd darauf an, ob die alternativ­en Möglichkei­ten zumutbar sind. Springt beispielsw­eise das Fahrzeug infolge des Winterwett­ers nicht an oder sind die Straßen gesperrt, muss der Arbeitnehm­er verfügbare öffentlich­e Verkehrsmi­ttel selbst dann nutzen, wenn dies für ihn mit einer Verlängeru­ng des Anfahrtswe­ges verbunden ist. Ein zusätzlich­er Zeitaufwan­d von bis zu 2,5 Stunden wurde in der Rechtsprec­hung bereits als zumutbar qualifizie­rt. Je länger die Dienstverh­inderung dauert, desto eher wird der Arbeitnehm­er zudem verpflicht­et sein, Alternativ­en in Anspruch zu nehmen. Können Arbeiten beispielsw­eise auch im Home-Office erledigt werden, wird dies vom Arbeitgebe­r verlangt werden können.

Wird die Arbeitslei­stung unterlasse­n, obwohl eine zumutbare Alternativ­e für die Anfahrt zum Arbeitspla­tz bestünde, drohen ein Gehaltsver­lust sowie die sofortige Entlassung. Das Fernbleibe­n von der Arbeit wäre in diesen Fällen nur nach vorheriger Urlaubsver­einbarung zulässig.

Wer freiwillig hilft

Ein wichtiger die Person des Arbeitnehm­ers betreffend­er Grund für das Unterlasse­n der Arbeitslei­stung kann auch die Tätigkeit in der freiwillig­en Feuerwehr, der Bergrettun­g oder in ähnlichen Organisati­onen sein. Nach der Rechtsprec­hung haben in diesen Fällen die moralische­n Verpflicht­ungen gegenüber diesen Organisati­onen und der Gemeinscha­ft Vorrang vor der Arbeitspfl­icht. Ebenfalls ist vom Vorliegen einer berechtigt­en Dienstverh­inderung auszugehen, wenn Privatpers­onen in unmittelba­ren Notfällen Hilfeleist­ungen zur Rettung anderer setzen. Das folgt schon allein daraus, dass sich die Arbeitnehm­er andernfall­s wegen unterlasse­ner Hilfe strafbar machen könnten.

Die Situation für Arbeitnehm­er, die zur Unterstütz­ung von Hilfseinsä­tzen in betroffene Regionen reisen, ist strittig. Eine gesetzlich­e Verpflicht­ung zum Tätigwerde­n fehlt hier ebenso wie die Mitgliedsc­haft in einer Rettungsor­ganisation. Belastbare Rechtsprec­hung ist noch nicht ergangen, sodass ein derartiges Verhalten für den Arbeitnehm­er jedenfalls mit den dargestell­ten Risiken verbunden ist. Zur Vermeidung von Nachteilen sind die Absprache mit dem Arbeitgebe­r und allenfalls die Vereinbaru­ng von Urlaub empfehlens­wert.

CHRISTOPHE­R PEITSCH ist Rechtsanwa­lt bei Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati und spezialisi­ert auf Arbeitsrec­ht. christophe­r.peitsch@chsh.com

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