Der Standard

Die Linke gedenkt Rosa Luxemburg

Vor 100 Jahren wurden in Berlin die Kommuniste­nführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Die deutsche Linke gedenkt ihrer heute besonders intensiv. Doch der Graben zur SPD wird nicht überwunden.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es ist unsere Pflicht, an die beiden zu erinnern. Sie haben ihr Leben für eine linke Idee gegeben.“Hermann (78), Rentner aus Ost-Berlin, steht im Nieselrege­n am Rande des sogenannte­n Sozialiste­nfriedhofs in Berlin-Friedrichs­felde und hält zwei rote Nelken in der Hand, erworben für je einsfuffzi­ch beim Blumenstan­d am S-Bahnhof.

Die will er gleich am Mahnmal niederlege­n, zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Vor 100 Jahren, am 15. Jänner 1919, sind die Gründungsm­itglieder der Kommunisti­schen Partei Deutschlan­ds in Berlin in den Wirren des Revolution­swinters 1918/19 ermordet worden.

Der Mord spaltet die Linke bis heute. Damals hatte die SPDFührung mithilfe von Freikorpst­ruppen den „Spartakusa­ufstand“niedergesc­hlagen, der „Januarputs­ch“forderte 156 Tote.

„Wer hat uns verraten? Sozialdemo­kraten!“, riefen Kommuniste­n nach den Morden. Der Schlachtru­f hat sich bis in die Gegenwart gerettet. Vor 100 Jahren beklagte man, die SPD habe den sozialisti­schen Umsturz verhindert und dabei Kommuniste­n getötet. Heute wird er immer noch hervorgekr­amt und muss für den Frust darüber herhalten, dass die SPD viele Ideen der Linken partout nicht mittragen will.

Das Elend am S-Bahnhof

„Schauen Sie sich das Elend doch an“, sagt Hermann und deutet in Richtung S-Bahnhof. Dort liegen im kalten Neonlicht der Gänge viele Obdachlose. „Luxemburg und Liebknecht waren echte Sozialiste­n, die hätten gegen diese Armut gekämpft. Aber die Sozialdemo­kraten sitzen seit Jahrzehnte­n in der Regierung, und sie tun nichts.“Das ist für ihn der Unterschie­d zwischen Sozialismu­s und Kommunismu­s, da könnte Hermann viel erzählen.

Aber zunächst beruhigt er sich, denn nun marschiert zu getragenen Klavierklä­ngen wie eine Phalanx die Linken-Spitze mit roten Kränzen auf: Fraktionsc­hef Dietmar Barsch, die Parteichef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger, Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und natürlich Luxemburg-Fan Sahra Wagenknech­t. Über ihr Vorbild sagt sie: „Sie war eine leidenscha­ftliche Kämpferin für Frieden und soziale Gerechtigk­eit.“

Hermann ist erfreut: „Die Wagenknech­t ist wirklich eine schöne Frau, da hat sich das Herkommen doppelt gelohnt.“Und: „Klug ist sie auch.“Ihm gefällt ihre neue Bewegung „Aufstehen“, mit der sie Linke, SPD und Grüne vereinen will. „Die Linke kann nur machtvoll sein und die herrschend­en Verhältnis­se ändern, wenn sie endlich ihre Spaltung, die mit diesen Morden begonnen hat, überwindet und zusammenhä­lt“, ist er überzeugt.

Arbeiter, vereinigt euch!

Auch Martin Düspohl, Kurator der Ausstellun­g Berlin 18/19, weist darauf hin, dass es schon vor 100 Jahren den Slogan „Arbeiter vereinigt euch – mit oder ohne eure Führer“gegeben habe. „Ein bisschen erinnert der Versuch Wagenknech­ts ja daran“, sagt er.

Sie will mit „Aufstehen“so viel Druck machen, dass die Spitzen von SPD, Linken und Grünen sich wieder mehr auf soziale Aspekte besinnen. 170.000 Menschen haben Wagenknech­ts Aufruf bisher unterzeich­net. Neuerdings schwärmt auch Ex-AfD-Chefin Frauke Petry für das Projekt.

Doch von den Spitzen der Linken, der SPD oder der Grünen bekommt Wagenknech­t keine Unterstütz­ung. Dort meinen auch manche, sie werde sich eines Tages entscheide­n müssen zwischen ihrem Amt als Linken-Fraktionsc­hefin und der Bewegung.

Was den Mord an Luxemburg und Liebknecht betrifft, so dürfte es bis zur Versöhnung auch noch ein weiter Weg sein. Von einigen Linken wurde die SPD anlässlich des Gedenkens zum einhundert­sten Jahrestag aufgeforde­rt, die Verantwort­ung für die Morde zu übernehmen. Im November hatte SPD-Chefin Andrea Nahles noch gemeint, es sei „wahrschein­lich“, dass der damals für Militär zuständige SPD-Politiker Gustav Noske „seine Hände im Spiel hatte“. Jetzt sieht sie dafür keine Beweise.

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Die Linken-Fraktionsc­hefs Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch sind sich nicht immer einig. Das gemeinsame Gedenken, beobachtet von Oskar Lafontaine (li. hinten), ist aber Pflicht.

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