Gelbe Frauenpower gegen Macron
Die Zahl protestierender Gelbwesten in Frankreich nimmt wieder zu
Die Proteste der Gelbwesten haben in Frankreich erneut Fahrt aufgenommen. Am Samstag gingen zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron und für mehr Bürgermitbestimmung zu demonstrieren. 129 Menschen wurden vorübergehend festgenommen. Am Sonntag gingen die Proteste weiter: In Le Mans (Bild) besetzten Frauen die Straße nahe einer neuen Polizeistation, um gegen den Einsatz der Sicherheitskräfte zu protestieren.
Diesmal knöpften sich die Gelbwesten die Bourgeois vor. Gemeint waren die Bewohner der beschaulichen Provinzstadt Bourges, bekannt für ihre Kathedrale und ein ChansonFestival. Über die sozialen Medien zusammengetrommelt, zogen am Samstag über 6000 Demonstranten durch die Altstadt und die Ladenstraßen, deren Schaufenster vorsichtshalber zugenagelt worden waren.
Nicht zuletzt wegen der Internetappelle hielten sich die Gewaltexzesse diesmal in Grenzen. Das galt für das ganze Land, wo insgesamt 84.000 Gilets jaunes auf die Straße gingen, 30.000 mehr als vor einer Woche. Nur in Paris und Bordeaux kam es zu kleineren Zusammenstößen mit der Polizei. 129 Personen wurden vorübergehend festgenommen.
Den Gelbwesten ist der Atem also auch am neunten Protestsamstag nicht ausgegangen. Im Gegenteil: Die Demonstrationen haben sich über die Landesgrenzen nach Großbritannien und Italien ausgeweitet, nachdem sie zuvor schon Belgien erfasst hatten. Auch in Deutschland suchen sich Nachahmer zu organisieren.
Dass die Gilets jaunes in Frankreich neuerdings gesitteter auftreten, schmälert ihre politische Wirkung nicht. Diese Woche erhalten sie sogar eine Bühne in Form einer nationalen Debatte. Präsident Emmanuel Macron hatte ihnen dieses Forum vor Weihnachten versprochen, am Dienstag soll es fristgerecht starten.
Begrenzte Themenpalette
Zwei Monate lang organisieren die Präfekten – die Vertreter des Staates in den gut hundert Départements – kollektive Sprechstunden. Meist finden sie in Rathäusern statt, geplant sind aber auch Versammlungen auf Märkten, in Bahnhöfen oder in Großfirmen. Einschreiben kann man sich per Internet; sollte sich der Andrang als zu stark erweisen, werden jeweils hundert Teilnehmer per Los ermittelt.
Und worüber soll geredet werden? Premierminister Edouard Philippe hat vier Themenkreise festgelegt, die den Alltag der Gelbwesten bestimmen: Lebenshaltungskosten, Steuergerechtigkeit, Staatsorganisation inklusive Volksinitiativen und Bürgerrechte. Die fünfte von den Gelbwesten angeregte Thematik, Immigration, überging Philippe; offenbar erach- tet er sie als zu brenzlig. Auch die Todesstrafe und die – 2013 gegen heftige Proteste eingeführte – Homo-Ehe sollen tabu sein.
Offen ist die politische Umsetzung der Debatten. Da allfällige Beschlüsse oder Empfehlungen durch die Nationalversammlung abgesegnet werden müssen, wo die Macron-Partei La République en marche (LRM) die Mehrheit hat, bleiben viele Gelbwesten skeptisch. Immerhin wollen die meisten bei den Debatten mitmachen. Deren genaue Modalitäten will Macron in einem „Brief“an alle Staatsbürger erklären. Zum Auftakt wird er selbst ein Forum in der Normandie aufsuchen.
Bei den Pariser Demonstranten stand aber ein anderes Gesprächsthema im Mittelpunkt: das Monatssalär von 14.000 Euro, das ExMinisterin Chantal Jouanno als offizielle Debattenleiterin erhalten soll. Nach einem Entrüstungssturm hat Jouanno die Gesprächsleitung abgegeben, allerdings ohne formell zurückzutreten. Jetzt heißt es, die ehemalige Ministerin von Nicolas Sarkozy scheue die Verantwortung, wolle aber ihr Salär trotzdem beziehen. Die Gilets jaunes sehen darin nur einen neuen Beweis für die Inkompetenz ihrer Staatsführung.