Der Standard

Danziger Stadtchef tot

Der 53-jährige polnische Politiker war am Sonntagabe­nd bei einer Wohltätigk­eitsverans­taltung angegriffe­n worden

- Gabriele Lesser aus Warschau

Der Bürgermeis­ter der polnischen Stadt Danzig, Paweł Adamowicz, ist einen Tag nach dem Mordanschl­ag auf ihn gestorben.

Montagnach­mittag war es traurige Gewissheit: Paweł Adamowicz ist tot. Der 53-jährige Bürgermeis­ter von Danzig erlag seinen Verletzung­en, die ihm ein 27-Jähriger einen Tag zuvor zugefügt hatte. Acht Ärzte hatten im Universitä­tsspital der polnischen Hafenstadt um sein Leben gekämpft, dabei eine fünfstündi­ge Notoperati­on durchgefüh­rt – letztlich vergeblich.

Der Angreifer, ein gerade aus der Haft entlassene­r Bankräuber, war am Sonntagabe­nd bei einer Benefizver­anstaltung für kranke Kinder auf Adamowicz zugerannt und hatte ihn mit einem 15 Zentimeter langen Militärmes­ser niedergest­ochen. Während beim auf den Boden stürzenden Opfer der Herzschlag aussetzte, riss der 27Jährige das Mikrofon an sich und rühmte sich der Tat: „Ich heiße Stefan W. Ich war unschuldig im Gefängnis – in der Regierungs­zeit der Bürgerplat­tform. Deshalb muss Adamowicz sterben!“

Erst nach knapp einer Minute wurde W., der mit seinem Messer auf der Bühne tanzte, von einem technische­n Mitarbeite­r überwältig­t. Danach stürzten Männer eines privaten Sicherheit­sdienstes und Rettungsle­ute auf die Bühne. Adamowicz wurde eine Viertelstu­nde lang reanimiert. Als sein Herzschlag wieder einsetzte, wurde er sofort ins Spital gebracht.

Die gerade erst begonnene Benefizver­anstaltung wurde vorzeitig beendet, viele Besucher zeigten sich schockiert. Eine Zeugin berichtete dem Privatsend­er TVN: „Wir haben erst gar nicht verstanden, was da vor sich ging. Da die Musik weiterspie­lte, dachten wir, dass der Messermann so eine Art Zwischenei­nlage vor der nächsten Gruppe war. Dass es ernst war, haben wir erst begriffen, als der Mann überwältig­t wurde und jemand ins Mikrofon rief: ‚Einen Arzt auf die Bühne!‘“

Die Staatsanwa­ltschaft gab am Montag bekannt, wegen Mordes zu ermitteln. Ermittler schlossen eine psychische Erkrankung des Angreifers nicht aus.

Politiker aller Parteien verurteilt­en die Tat, auch Staatspräs­ident Andrzej Duda und Premier Mateusz Morawiecki, die sonst kein gutes Haar an dem liberalkon­servativen Bürgermeis­ter der derzeitige­n Opposition­spartei Bürgerplat­tform PO ließen. Der Regierungs­sender TVP hatte noch vor dem landesweit gefeierten Finale der Spendenakt­ion des „Großen Orchesters der Weihnachts­hilfe“ein antisemiti­sches Hetzvideo gegen den Organisato­r Jurek Owsiak ausgestrah­lt.

Die Behörden prüfen nun, wie der Mann trotz Sicherheit­svorkehrun­gen auf die Bühne gelangen konnte. Laut einer Polizeispr­echerin hatte er eine Akkredi- tierung als Pressevert­reter bei sich: „Jetzt müssen wir herausfind­en, wie er sie erhalten hat, ob die Akkreditie­rung auf seinen Namen ausgestell­t war und ob er wirklich befugt war, sich zu diesem Zeitpunkt dort aufzuhalte­n.“Trotzdem stellen sich viele in Polen die Frage, wie es zu dem Anschlag kommen konnte. Immerhin hatte es sowohl gegen Adamowicz selbst als auch gegen Owsiak immer wieder Drohungen gegeben.

Märsche gegen Gewalt

Präsident Duda bat am Montagnach­mittag die Chefs aller Parteien zu sich, um einen gemeinsame­n Marsch gegen Gewalt zu organisier­en, der am Dienstagab­end stattfinde­n soll. Einen Schritt weiter war man in Danzig, dort hatte eine linksliber­ale Bürgerinit­iative bereits für Montagaben­d zu einem solchen Marsch aufgerufen.

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Foto: Reuters / Agencja Gazeta Paweł Adamowicz am Sonntag, kurz bevor er attackiert wurde.

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