Der Standard

Brief an die Franzosen

Die USA machen klar, dass ihr angekündig­ter Abzug aus Syrien nicht heißt, dass der Iran in der Region eine Carte blanche besitzt. Der Druck auf Teheran wächst, auch aus Israel.

- Gudrun Harrer

Präsident Macron hat den Franzosen einen langen Brief geschickt, um die nationale Debatte über die Antworten auf die Gelbwesten-Krise voranzutre­iben.

IANALYSE: nmitten der chaotische­n Signale der US-Regierung rund um den Abzug der Truppen aus Syrien hat sich eine Gewissheit entwickelt: Der Druck auf den Iran wird erhöht. Das von Donald Trump angekündig­te nahende Ende der US-Präsenz in Nordostsyr­ien schien ja nicht nur ein Freibrief für die Türkei, die syrischen Kurden anzugreife­n – was der US-Präsident nun mit Drohungen gegen Ankara verhindern will. Die Partner der USA in der Region waren auch deshalb entsetzt, weil Trump einfach so hinzunehme­n schien, dass sich der Iran nach dem Sieg des Assad-Regimes dauerhaft in Syrien festsetzt.

Eine Äußerung während einer von Trumps skurrilen Unterhaltu­ngen mit Journalist­en wurde ebenfalls dahingehen­d interpreti­ert: „Offen gesagt können die Iraner in Syrien tun, was sie wollen“, hatte Trump gesagt. Der erste Teil des Satzes wird nicht so oft zitiert: „Iran zieht sich aus Syrien zurück.“Der Iran von heute sei völlig anders als zu Beginn seiner Präsidents­chaft. Trump meint damit, seine Politik der Härte gegen den Iran habe positive Folgen gezeigt.

Die Einschätzu­ng, dass der Iran nicht plant, langfristi­g ständige Militärbas­en in Syrien zu unterhalte­n, gibt es aber auch in Israels Sicherheit­sestablish­ment. Das bedeutet für die Israelis aber keine Entwarnung: Es wird vermutet, dass der Iran gegen Israel in alter Manier auf seine „Stellvertr­eter“setzt, die Hisbollah im Libanon, aber auch Iran-loyale schiitisch­e Milizen im Irak, die sich bei den Parlaments­wahlen im Mai 2018 ja als zweitstärk­ste Kraft erwiesen haben. Und auch in Syrien gibt es weiter schiitisch­e Kämpfer aus Afghanista­n, Pakistan und so weiter.

In den vergangene­n Tagen wetteifert­en Premier Benjamin Netanjahu und der scheidende Generalsta­bschef Gadi Eisenkot miteinande­r, Israels militärisc­hes Eingreifen in Syrien während der letzten Jahre groß herauszust­reichen, ganz gegen israelisch­en Usus: „Tausende“Angriffe auf iranische Einrichtun­gen, nicht nur auf Hisbollah-Ziele, hätten stattgefun­den. Kommentato­ren verweisen auf den anlaufende­n Wahlkampf in Israel. Aber die Botschaft richtet sich mit Sicherheit nicht nur an das eigene Wahlvolk, sondern auch an den Iran sowie an die libanesisc­he Hisbollah. Israelisch­e Medien hatten am Wochenende gemeldet, dass deren Führer Hassan Nasrallah einen Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll erlitten haben soll, Hisbollah-freundlich­e Medien dementiert­en. Zudem hat Is- rael die Zerstörung von sechs von libanesisc­her Seite gegrabenen Tunnels abgeschlos­sen, insgesamt also ein sensibler Moment.

Und auch die USA legen nach: am auffälligs­ten mit der Ankündigun­g eines internatio­nalen Nahosttref­fens in Polen am 13. und 14. Februar, dessen einziger Inhalt die gemeinsame Front gegen den Iran sein soll. Mit der rechten polnischen Regierung hat Trump bessere Beziehunge­n als mit anderen europäisch­en Hauptstädt­en, geschweige denn zur EU selbst, de- ren diplomatis­che Vertretung in Washington vor ein paar Tagen protokolla­risch herunterge­stuft wurde. Aber auch Warschau ist den USA nicht gefolgt, was die Ablehnung des 2015 geschlosse­nen Atomdeals mit dem Iran betrifft. Das Treffen in Polen wird zwei Stoßrichtu­ngen haben: Druck auf jene Staaten, die weiter am Atomdeal festhalten, sowie ein Konsens gegen den Iran abseits der Atomdeal-Frage.

Drohung aus Teheran

Auch der Iran zeigt indes Nerven: Laut Atomchef Ali Akbar Salehi steht man kurz davor, eine neue Technologi­e für die Brennstoff­herstellun­g für den Teheraner Forschungs­reaktor zu entwickeln. Ob und wann der Iran wirklich wieder Brennstoff aus Uran herstellen will, das in diesem Fall auf 19,75 Prozent angereiche­rt sein müsste, ist dabei offen. Der Iran hat im Moment kein Uran mit diesem Anreicheru­ngsgrad; die Produktion wäre, auch wenn es kein waffenfähi­ges Uran ist, laut dem Atomdeal untersagt. Aber es ist nicht die erste Drohung aus Teheran, den Atomdeal aufzugeben.

US-Außenminis­ter Mike Pompeo schloss am Montag im Oman seine große Nahosttour ab: Auch hier standen ja die Staaten im Mittelpunk­t, aus denen die USA eine strategisc­he Allianz gegen den Iran, an der auch Israel teilhaben soll, schmieden wollen. Dazu müsste sich jedoch der Golfkooper­ationsrat (GCC) wieder zusammenra­ufen: Katar wird nach wie vor von Saudi-Arabien, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und Bahrain boykottier­t.

Seine Visite in Kuwait sagte Pompeo kurzfristi­g ab, wegen privater Verpflicht­ungen. Wenn der Bericht von Al-Monitor stimmt, dass sich Kuwait dem allgemeine­n Tauwetter der arabischen Golfstaate­n vis-à-vis Israel nicht anschließe­n will, könnte es auch eine Spitze Pompeos sein. Sultan Qabus von Oman hatte Ende Oktober Netanjahu überrasche­nd sogar in Maskat empfangen.

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Die letzte Etappe auf der Nahostreis­e von US-Außenminis­ter Mike Pompeo am Montag war nicht Kuwait, wie ursprüngli­ch geplant, sondern der Oman. Hier mit dem Sultan Qabus von Oman in Maskat.

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