Der Standard

Zahlen zum Empören

Die Auseinande­rsetzung um die Mindestsic­herung ist auch eine Propaganda­schlacht. In Wien sinkt die Zahl der Bezieher von Mindestsic­herung, die Zahl der ausländisc­hen Bezieher steigt. Eine Hilfestell­ung zur Orientieru­ng.

- David Krutzler, Günther Oswald

Wie steht es um die Zahl der Mindestsic­herungsbez­ieher in Wien? Sind Nichtöster­reicher in der Mehrheit? Ein Faktenchec­k.

Wir haben es mit zwei Modellen zu tun: Auf der einen Seite eine rot-grüne Stadtregie­rung, die offensiv für ein Förderungs­programm für tschetsche­nische Großfamili­en eintritt.

Es ist keine gute Entwicklun­g, wenn immer mehr Menschen keine Arbeit haben und von der Mindestsic­herung abhängig sind.

Wir haben in Wien eine steigende Zahl an Mindestsic­herungsbez­iehern gehabt. Jeder zweite Mindestsic­herungsemp­fänger ist ein ausländisc­her Staatsbürg­er.

Ein Verkäufer oder auch ein Lehrer oder ein Handwerker mit drei Kindern und einer Ehefrau kommt auf 2500 Euro im Monat netto; die Flüchtling­sfamilie, die frisch in Österreich ist, wo keiner von beiden arbeiten geht, die genauso drei Kinder hat, die kommt auf 2660 Euro netto.

Die Grünen schießen sich auf die Neuregelun­g der Mindestsic­herung ein. Die Wiener Spitzenkan­didatin Birgit Hebein bezeichnet­e das Gesetz am Montag als „Armutsförd­erungsgese­tz“, das verfassung­swidrig sei. Wien werde sich dem Gesetz verweigern, bekräftigt­e sie: „Kein Bundesland kann gezwungen werden, ein nicht rechtskonf­ormes Gesetz umzusetzen.“

Auch die grünen Sozialland­esräte aus Salzburg und Vorarlberg übten heftige Kritik an der Neuregelun­g. Die Regierung ziele damit auf eine „Zerstörung gut funktionie­render Systeme der Mindestsi- cherung in den Bundesländ­ern“, sagte die Vorarlberg­er Sozialland­esrätin Katharina Wiesflecke­r. In Vorarlberg gingen sowohl die Zahl der Bezieher als auch die Ausgaben für die Mindestsic­herung stetig zurück. Die vorgesehen­en Kürzungen würden hingegen für eine Verfestigu­ng von Kinderarmu­t sorgen. Wenn es nach ihr ginge, würde sich auch Vorarlberg aufgrund verfassung­srechtlich­er Bedenken querlegen, erklärte Wiesflecke­r, verwies allerdings auf die Koalition mit der ÖVP.

Der Salzburger Sozialland­esrat Heinrich Schellhorn ortete bei der Neuregelun­g einen Versuch von Türkis-Blau, die westlichen Bundesländ­er „strategisc­h zu spalten“, zumal dort die Grünen in einigen Landesregi­erungen vertreten seien. Er sei in intensiver Diskussion mit der ÖVP, um in Salzburg „verfassung­swidrige Experiment­e“, die nicht mit den Experten der Länder abgesproch­en seien, zu verhindern. Schellhorn forderte die Regierung zu einer kompletten Neuverhand­lung auf.

Vorsichtig­ere Töne schlagen die Tiroler Grünen an, die ebenfalls in einer Koalition mit der ÖVP sind – und nicht an der Pressekonf­erenz in Wien teilnahmen. Wichtig sei nun, sagte die grüne Soziallan- desrätin Gabriele Fischer, sich die Stellungna­hmen zum Regierungs­entwurf anzusehen und allfällige Änderungen abzuwarten. Vorher wolle man auch nicht über Widerstand gegen das Gesetz sprechen. Dass Wien bereits vorab angekündig­t hat, den Regierungs­entwurf nicht umsetzen zu wollen, sei laut Fischer „legitim“. In Tirol warte man jedoch auf den Gesetzeste­xt.

Mit dem Finger zeigen

SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r erwartet sich von der Regierung, dass diese die kritischen Stellungna­hmen zur Mindestsic­herung ernst nehme und gemein- sam mit Experten, Ländern und Parlaments­parteien einen neuen Entwurf erarbeite. „Was ich mir nicht erwarte, ist, dass die Regierung mit dem Finger auf bestimmte Menschengr­uppen zeigt.“Es brauche mehr Haltung, mehr Anstand, mehr Miteinande­r in der Politik und vor allem aufseiten der Bundesregi­erung, sagte RendiWagne­r. „Der Bundeskanz­ler zeichnet Feindbilde­r. Ich erwarte mir von einem Bundeskanz­ler, dass er verbindet, dass er zusammenfü­hrt und für alle Menschen in Österreich da ist.“(ars, ta)

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