Zahlen zum Empören
Die Auseinandersetzung um die Mindestsicherung ist auch eine Propagandaschlacht. In Wien sinkt die Zahl der Bezieher von Mindestsicherung, die Zahl der ausländischen Bezieher steigt. Eine Hilfestellung zur Orientierung.
Wie steht es um die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien? Sind Nichtösterreicher in der Mehrheit? Ein Faktencheck.
Wir haben es mit zwei Modellen zu tun: Auf der einen Seite eine rot-grüne Stadtregierung, die offensiv für ein Förderungsprogramm für tschetschenische Großfamilien eintritt.
Es ist keine gute Entwicklung, wenn immer mehr Menschen keine Arbeit haben und von der Mindestsicherung abhängig sind.
Wir haben in Wien eine steigende Zahl an Mindestsicherungsbeziehern gehabt. Jeder zweite Mindestsicherungsempfänger ist ein ausländischer Staatsbürger.
Ein Verkäufer oder auch ein Lehrer oder ein Handwerker mit drei Kindern und einer Ehefrau kommt auf 2500 Euro im Monat netto; die Flüchtlingsfamilie, die frisch in Österreich ist, wo keiner von beiden arbeiten geht, die genauso drei Kinder hat, die kommt auf 2660 Euro netto.
Die Grünen schießen sich auf die Neuregelung der Mindestsicherung ein. Die Wiener Spitzenkandidatin Birgit Hebein bezeichnete das Gesetz am Montag als „Armutsförderungsgesetz“, das verfassungswidrig sei. Wien werde sich dem Gesetz verweigern, bekräftigte sie: „Kein Bundesland kann gezwungen werden, ein nicht rechtskonformes Gesetz umzusetzen.“
Auch die grünen Soziallandesräte aus Salzburg und Vorarlberg übten heftige Kritik an der Neuregelung. Die Regierung ziele damit auf eine „Zerstörung gut funktionierender Systeme der Mindestsi- cherung in den Bundesländern“, sagte die Vorarlberger Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker. In Vorarlberg gingen sowohl die Zahl der Bezieher als auch die Ausgaben für die Mindestsicherung stetig zurück. Die vorgesehenen Kürzungen würden hingegen für eine Verfestigung von Kinderarmut sorgen. Wenn es nach ihr ginge, würde sich auch Vorarlberg aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken querlegen, erklärte Wiesflecker, verwies allerdings auf die Koalition mit der ÖVP.
Der Salzburger Soziallandesrat Heinrich Schellhorn ortete bei der Neuregelung einen Versuch von Türkis-Blau, die westlichen Bundesländer „strategisch zu spalten“, zumal dort die Grünen in einigen Landesregierungen vertreten seien. Er sei in intensiver Diskussion mit der ÖVP, um in Salzburg „verfassungswidrige Experimente“, die nicht mit den Experten der Länder abgesprochen seien, zu verhindern. Schellhorn forderte die Regierung zu einer kompletten Neuverhandlung auf.
Vorsichtigere Töne schlagen die Tiroler Grünen an, die ebenfalls in einer Koalition mit der ÖVP sind – und nicht an der Pressekonferenz in Wien teilnahmen. Wichtig sei nun, sagte die grüne Soziallan- desrätin Gabriele Fischer, sich die Stellungnahmen zum Regierungsentwurf anzusehen und allfällige Änderungen abzuwarten. Vorher wolle man auch nicht über Widerstand gegen das Gesetz sprechen. Dass Wien bereits vorab angekündigt hat, den Regierungsentwurf nicht umsetzen zu wollen, sei laut Fischer „legitim“. In Tirol warte man jedoch auf den Gesetzestext.
Mit dem Finger zeigen
SPÖ-Chefin Pamela RendiWagner erwartet sich von der Regierung, dass diese die kritischen Stellungnahmen zur Mindestsicherung ernst nehme und gemein- sam mit Experten, Ländern und Parlamentsparteien einen neuen Entwurf erarbeite. „Was ich mir nicht erwarte, ist, dass die Regierung mit dem Finger auf bestimmte Menschengruppen zeigt.“Es brauche mehr Haltung, mehr Anstand, mehr Miteinander in der Politik und vor allem aufseiten der Bundesregierung, sagte RendiWagner. „Der Bundeskanzler zeichnet Feindbilder. Ich erwarte mir von einem Bundeskanzler, dass er verbindet, dass er zusammenführt und für alle Menschen in Österreich da ist.“(ars, ta)