Der Standard

Das kongolesis­che Wahldesast­er

Das Hickhack nach den Wahlen im Kongo ist paradigmat­isch dafür, wie das Konzept von Wahlen in Afrika scheitern kann. Das Ergebnis ist offensicht­lich nichts anderes als der Plan B von Langzeithe­rrscher Kabila.

- ANALYSE: Johannes Dieterich

Die „Demokratis­che Republik“Kongo hat gewählt: Wenn alle Abstimmung­en so verlaufen wie in dem Riesenreic­h im Herzen Afrikas, braucht man sich um die Demokratie auf dem Nachbarkon­tinent keine Gedanken mehr zu machen. Dann ist sie tot wie ein erlegtes Löwentier, weggeschmo­lzen wie der Schnee auf dem Kilimandsc­haro.

Allein in diesem Jahr werden Afrikaner in mehr als zwanzig Staaten des Kontinents zu den Wahlurnen gehen. Sollte ihnen dasselbe widerfahre­n wie den Kongolesen, können sie auch gleich zu Hause bleiben – oder ihr Heil in Aufständen, in Molotowcoc­ktails und Kalaschnik­ows suchen.

Mehr als zwei Jahre lang mussten die Kongolesen warten, bis der korrupte Autokrat Joseph Kabila seinen Plan einer unbegrenzt­en Präsidents­chaft endlich begrub und Wahlen ausschrieb – aber: ohne das Resultat des Urnengangs dem Willen des Volks zu überlassen. Populäre Opposition­skandidate­n wurden von der Abstimmung ausgeschlo­ssen, andere – so gut es ging – behindert.

Zahllose Trickserei­en

Der staatliche Rundfunk berichtete fast ausschließ­lich über den Kandidaten der Regierungs­partei, die Wähler in drei opposition­ellen Hochburgen wurden kurz vor der Abstimmung ausgeschlo­ssen. Das betraf immerhin vier Prozent aller Wahlberech­tigten.

Auch bei der Auszählung der Stimmen kam es zu unzähligen Trickserei­en: Während die 40.000 Wahlbeobac­hter der katholisch­en Kirche Opposition­sführer Martin Fayulu klar vorn sahen, zog die Wahlkommis­sion, eine Marionette der kongolesis­chen Regierung, urplötzlic­h Félix Tshisekedi als Gewinner aus dem Hut.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Nachdem der Kandidat der Regierungs­partei, Emmanuel Shadary, dermaßen weit abgeschlag­en war, dass seine manipulier­te Inthronisi­erung blutige Aufstände ausgelöst hätte, setzte Kabila auf Plan B: Der politisch unerfahren­e Tshisekedi versprach als Präsident wesentlich gefügiger zu sein als Fayulu.

Wie unverfrore­n die Wahlkommis­sion beim Kredenzen des Stimmencoc­ktails vorging, zeigt auch das angebliche Resultat der gleichzeit­ig veranstalt­eten Parlaments­wahlen: Der regierende „Front commun pour le Congo“(FCC) soll viel mehr als die Hälfte der Plätze in der Nationalve­rsammlung errungen haben, obwohl sein Kandidat Shadary bei der Präsidents­chaftswahl auf weniger als ein Viertel der Stimmen kam. Als stärkster Kraft im Abgeordnet­enhaus steht der KabilaFron­t laut Verfassung nun der Posten des Premiers zu: In der „Cohabitati­on“mit dem FCC – also zwischen Präsident und Parlament – steht Tshisekedi das Schicksal einer „lahmen Ente“bevor.

Weltweites Schweigen

Wer glaubte, derart kaltschnäu­ziges Stimmengep­ansche werde einen weltweiten Aufschrei auslösen, sieht sich inzwischen getäuscht: Am Sonntag forderte der Staatenbun­d im südlichen Afrika (SADC), dem auch der Kongo angehört, nicht etwa den Rücktritt der Wahlkommis­sion und die Annullieru­ng des Urnengangs, sondern die Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“. Ihr soll neben Tshisekedi und Fayulu auch Shadary angehören.

Statt die Feinde demokratis­cher Willensbil­dung zu ächten, würden sie mit ihrer fortgesetz­ten Beteiligun­g an der Macht auch noch belohnt: ein angeblich diplomatis­ches Konzept, das allerdings Schindlude­r mit dem Willen des Volks treibt.

Auch in Simbabwe und Kenia wurde der faule Kompromiss schon praktizier­t: immer zum Vorteil der bisherigen Machthaber, die ihre Polepositi­on in den staatliche­n Gremien und an den Trögen auszunutze­n wissen.

Dabei müssten die Staatschef­s der SADC nur in die Satzung ihres Staatenbun­des schauen: Dort sind die Kriterien für faire und freie Urnengänge nämlich glasklar festgeschr­ieben. Ihre Wahlbeobac­hter im Kongo hätten längst die rote Fahne hissen müssen. Stattdesse­n winkten sie die Mutter aller Manipulati­onen als „realistisc­he Widerspieg­elung des Wählerwill­ens“durch.

Demokratie für alle?

Kein Wunder, dass auch außerhalb Afrikas schon wieder zynische Sprüche laut werden: dass Demokratie vielleicht in entwickelt­en Staaten die beste Form des Regierens darstelle, dass sie aber in südlichere­n Breitengra­den mit ihren existenzie­llen Konflikten überforder­t sei.

Demokratie soll demnach etwas für den reichen Teil der Welt sein: Der Rest muss sich darauf gefasst machen, in den Klauen kleptomani­scher Autokraten zu landen. Als ob die Menschenwü­rde nur bis zur Sahara gelte.

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Anhänger von Martin Fayulu protestier­ten am Wochenende in Kinshasa gegen das offizielle Wahlergebn­is: Félix Tshisekedi wurde zum Sieger erklärt, obwohl er nur 19 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

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