Der Standard

NS-Prozess: „Santa“Hitler und Helge Schneider

Ein 47-Jähriger hat einschlägi­ge Dokumente versandt und beruft sich auf Humor

- Michael Möseneder

Wien – Mag Gerhard K., wie er selbst sagt, „schwarzen Humor“und „Satire“und ist gleichzeit­ig mit „extremer politische­r Blödheit“ausgestatt­et, wie es sein Verteidige­r Gregor Rathkolb formuliert? Oder hat sich der 47-Jährige zwischen 2015 und 2017 der nationalso­zialistisc­hen Wiederbetä­tigung schuldig gemacht, indem er via Whatsapp an die 50 einschlägi­ge Beiträge verbreitet­e, wie die Staatsanwä­ltin überzeugt ist? Diese Frage muss das Geschworen­engericht unter Vorsitz von Georg Olschak im Prozess gegen den Unbescholt­enen klären.

Das Verfahren ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnli­ch. Erstens geht es um den Hintergrun­d, wie die Ermittler auf die Spur des Angeklagte­n gekommen sind. Auf dem Mobiltelef­on einer rechten Szenegröße, die 1993 im Zusammenha­ng mit der Briefbombe­nserie verhaftet, aber freigespro­chen worden ist und in jüngerer Vergangenh­eit in Wiener Neustadt wegen Wiederbetä­tigung verurteilt wurde, wurden die Dokumente gefunden. „Ich habe den kennengele­rnt, da er vor 26 Jahren mit meiner Ex zusammen gewesen ist“, behauptet der Angeklagte, der optisch ein wenig an JetztAbgeo­rdneten Alfred J. Noll erinnert, auf die Frage seines Kontaktes mit dem Mann. Von den „Problemen“des Mannes will er nichts mitbekomme­n haben.

Das zweite ungewöhnli­che Element des Prozesses ist, dass zwei seiner Urgroßelte­rn im deutschen Vernichtun­gslager Auschwitz ermordet worden seien, wie K. in der Raum stellt. „Weil man behauptet hat, sie seien jüdischer Herkunft.“Umso verblüffen­der ist es, dass eines der verschickt­en Bilder den Eingang zum Stammlager Auschwitz zeigt – der zynische Schriftzug „Arbeit macht frei“ersetzt durch „Asylantenh­eim“und die Zusatzinfo­rmation „Wir haben wieder geöffnet“, wie sich Beisitzeri­n Nicole Baczack wundert.

Zu Weihnachte­n verschickt­e K. Bilder von Adolf Hitler mit einer roten „Santa Claus“-Mütze, aber auch Grußkarten mit Hakenkreu- zen. Hitler scheint ihn überhaupt beschäftig­t zu haben: Auch eine Szene aus dem Film „Mein Führer“, in dem der deutsche Komiker Helge Schneider Hitler spielt, hat er verbreitet.

„Es ist ein Selbstläuf­er geworden, irgendwer hat angefangen. Heute bereue ich es zutiefst“, verteidigt sich der Angeklagte, dass er sich an der losen Gruppe beteiligt habe. „Ich habe teilweise überhaupt nicht geschaut, was auf den Bildern zu sehen ist, sondern einfach auf Weiterleit­en gedrückt.“Was eine Geschworen­e ihm nicht recht glauben mag: „Es stimmt mich nachdenkli­ch, dass Sie überhaupt so was bekommen“, merkt sie an. Weitere Beispiel seines „schwarzen Humors“: das Bild einer Gaskammer, kombiniert mit dem Liedtitel „Atemlos durch die Nacht“oder von SS-Männern erschossen­e Zivilisten samt den Worten „Asylantrag abgelehnt“.

Die Geschworen­en sprechen K. nicht rechtskräf­tig schuldig, er erhält 18 Monaten bedingt. Die Übermittlu­ng der SchneiderF­ilmszene wurde übrigens freigespro­chen.

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