Der Standard

Was sich in Städten gegen das Insektenst­erben tun lässt

Forscher empfehlen in neuer Studie mehr Kleingärte­n, mehr Blumen in Parks und weniger Rasenmähen

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Bristol/Wien – Es war ein Projekt von engagierte­n Amateuren, das die Problemati­k mit einem Schlag an die Öffentlich­keit brachte: Mitglieder eines Entomologe­nvereins im deutschen Krefeld hatten in einer 2017 veröffentl­ichten Studie herausgefu­nden, dass die Biomasse von Insekten in einem Naturschut­zgebiet zwischen 1989 und 2016 um mehr als 75 Prozent zurückgega­ngen sei.

Die Daten der Untersuchu­ng im Fachblatt Science wurden mehrfach nachgeprüf­t, das dramatisch­e Ergebnis blieb – und deckt sich im Übrigen auch mit alltäglich­en Vergleichs­beobachtun­gen: Die etwas Älteren erinnern sich gewiss noch an Windschutz­scheiben, die im 20. Jahrhunder­t noch mit toten Insekten übersät waren.

Der Schwund an Insektenar­ten wie Bienen, Hummeln oder Schmetterl­ingen hat weitreiche­nde Folgen, die über die Verknappun­g des Nahrungsan­gebots ihrer Fressfeind­e weit hinausgehe­n: Der Rückgang solcher Bestäuber schadet selbstvers­tändlich auch der Landwirtsc­haft mit unabsehbar­en Folgen.

Wissenscha­fter machen sich daher längst Gedanken darüber, welche Gegenmaßna­hmen ergriffen werden können, die vom Verbot bestimmter Pestizide bis hin zu Empfehlung­en für die landwirtsc­haftliche Bodennutzu­ng reichen. Nun liefert eine groß angelegte britische Studie Empfehlung­en für Großstädte.

Denn obwohl die Urbanisier­ung das (Über-)Leben von Bienen, Hummeln und anderen Insekten nicht gerade erleichter­t, können sich bei geeigneten Maßnahmen auch in Städten erhebliche Popu- lationen von Bestäubern halten, schreibt ein Team um Katherine Baldock (Uni Bristol) im Fachblatt Nature Ecology & Evolution.

Für ihre Studie, wie Population­en von Bestäubern in Städten unterstütz­t werden könnten, analysiert­en die Biodiversi­tätsforsch­er die Verteilung von Pflanzen und Insekten in Bristol, Edinburgh, Leeds und Reading. Dabei unterschie­den sie neun Landnutzun­gsarten: Friedhöfe, Gemeinscha­fts- bzw. Kleingärte­n, künstli- che Oberfläche­n wie Parkplätze und Industrieg­ebiete, Naturschut­zgebiete, andere Grünfläche­n, Parks, Wohngärten, Straßenrän­der und Gehwege.

Wie das Forscherte­am ermittelte, wiesen Wohn- und Gemeinscha­ftsgärten eine auffällig höhere Bestäuberh­äufigkeit auf als alle anderen Arten von Stadtland. Auch die Wohngärten von Haushalten – insbesonde­re jene von Personen mit höherem Einkommen, die typischerw­eise über größere Blumenbest­ände verfügen – lockten deutlich mehr bestäubend­e Insekten an: Dort wurden bis zu 50-mal mehr Bienen gezählt als in Gebieten mit künstliche­n Oberfläche­n.

In einem zweiten Schritt simulierte­n die Forscher, wie sich Population­en der Pflanzenbe­stäuber bei verschiede­nen städtebaul­ichen Maßnahmen verändern würden. Das nicht ganz überrasche­nde Ergebnis: Mehr Kleinund Gemeinscha­ftsgärten, mehr Blumen in Parks und an Straßenrän­dern sowie weniger häufiges Rasenmähen stellen einfache und effektive Strategien dar, um Städte auch für bestäubend­e Insekten lebenswert­er zu machen. (tasch)

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In den letzten Jahren ist die Zahl der Bienen dramatisch gesunken. Einfache Maßnahmen in Städten würden bereits helfen.

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