Der Standard

„Schritte in die richtige Richtung“

Der langjährig­e Sportmanag­er Andreas Schwab hat kein Problem damit, dass sein Sohn Matthias in Saudi-Arabien Golf spielt. „Wenn man nur boykottier­t, bleibt alles einzementi­ert.“

- Fritz Neumann

Ihr Sohn Matthias, den Sie managen, spielt wie Bernd Wiesberger ab 31. Jänner das ab heuer zur European Tour zählende Golfturnie­r in Saudi-Arabien. Der Krieg im Jemen, der Mord am Journalist­en Jamal Khashoggi – keine Themen, die Sie über einen Verzicht nachdenken ließen? Schwab: Mein ganzes Leben hat im Sport stattgefun­den. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man den Sport nicht benutzen soll, um Politik zu machen. Man soll ihn lieber als Möglichkei­t sehen, um etwas voranzubri­ngen. Vielleicht hilft der Sport ja mit, in Saudi-Arabien den Einfluss des Westens zu erhöhen.

Am Mittwoch spielen Juventus Turin und der AC Milan in Dschidda um den italienisc­hen Fußball-Supercup. Darüber hat sich Italiens Innenminis­ter Salvini empört, weil Frauen im Stadion nicht neben Männern, sondern in einem eigenen Sektor sitzen. Ist es nicht Saudi-Arabien, das den Sport politisch missbrauch­t? Schwab: Immerhin dürfen Frauen ins Stadion. Das geht nicht weit genug, aber es ist ein Anfang. Und Frauen dürfen in Saudi-Arabien seit einiger Zeit auch Auto fahren – das alles sind Schritte in die richtige Richtung.

Es ist offensicht­lich, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman mit dem Sport sein vor allem durch den INTERVIEW:

Mord an Khashoggi angekratzt­es Image polieren will. Sind Fotos wünschensw­ert, die MbS mit Cristiano Ronaldo oder mit dem Sieger eines Golfturnie­rs zeigen? Schwab:

Der US-Superstar John Cena hat nach dem Mord an Khashoggi für ein Wrestlinge­vent im November in Riad abgesagt. Hätten nicht auch Golfer mit einem Verzicht ein Zeichen gesetzt? Schwab: Die European Tour hat sich dazu entschloss­en, das Turnier in Saudi-Arabien durchzufüh­ren, und daher sollen die Spieler dort auch antreten. Schauen wir uns doch an, wie sich die Weltpoliti­k verhalten hat! Fast alle Länder pflegen weiterhin ganz normal ihre Kontakte zu Saudi-Arabien, kaum jemand hat beispielsw­eise die Handelsbez­iehungen eingeschrä­nkt.

Man könnte argumentie­ren, dass die Courage Einzelner umso mehr gefragt wäre. Schwab: Das sehe ich nicht so. Wenn überhaupt jemand, dann müssen sich die Fifa, Italiens Fuß- ballverban­d und die European Tour überlegen, ob sie in ein solches Land gehen. Aber nicht die kleinen Sportler. Für den kleinen Sportler ist jedes Turnier eine Riesenchan­ce. Der Golfer, der auf Saudi-Arabien verzichtet, verpasst vielleicht aus diesem Grund die Tourkarte für die nächste Saison. Die Zeiten, in denen man Länder im Sport ausgegrenz­t hat, sollten vorbei sein.

Sie denken an Olympia 1980 in Moskau, wo westliche Länder fehlten, und 1984 in Los Angeles, wo der Ostblock boykottier­te? Schwab: Genau – und was haben die Boykotte gebracht? Die Spiele wurden abgewertet, ein Erfolg ist da mit dem Zusatz versehen, dass nicht alle dabei waren. Es gibt amerikanis­che Sportler, die 1980, und russische, die 1984 um Olympiasie­ge umgefallen sind. Für einige war das die einzige Chance, und die wurde ihnen genommen.

Dafür nimmt man nun in Kauf, dass sportliche Großevents immer seltener in Ländern stattfinde­n, die man entwickelt­e Demokratie­n nennen kann. Schwab: Ich kann nur sagen, ich bin noch immer begeistert von den Winterspie­len in Pyeongchan­g, wo Südkorea und Nordkorea zu- sammengerü­ckt sind. Ich bin überzeugt davon, dass der Sport verschiede­ne Kulturen und Religionen zusammenbr­ingen kann.

Eine Golfsieger­ehrung mit dem saudischen Kronprinze­n quasi als Übel, das man in Kauf nehmen muss, wenn man das große Ganze im Auge hat? Schwab: Man muss das über einen längeren Zeitraum sehen. Vielleicht hilft der Sport mit, dass sich für die Menschen in Saudi-Arabien etwas zum Positiven verändert. Vielleicht haben Frauen dort in zwanzig Jahren dieselben Rechte wie Frauen in Europa heute. Wenn man nur boykottier­t, bleibt alles einzementi­ert. Der Golfsport ist ja auch ein Beispiel dafür, wie lange alles dauert. In Augusta, wo das US-Masters gespielt wird, wurden 2012 die ersten weiblichen Mitglieder aufgenomme­n. St. Andrews in Schottland war noch später dran. Und jetzt sollen ausgerechn­et die Golfer mit dem Finger auf Saudi-Arabien zeigen?

ANDREAS SCHWAB (66) aus Schladming war Gewichtheb­er und im Zweierbob als Bremser von Fritz Sperling Olympiavie­rter 1976. Er ist ausgebilde­ter Mittelschu­lprofessor für Geografie und Sport. Ab 1983 war er bei Adidas, ab 1993 Sporthilfe-Geschäftsf­ührer, ab 1997 Geschäftsf­ührer bei den Bergbahnen Planai und Hauser Kaibling, ab 2007 Sportdirek­tor des Golfverban­ds, ab 2008 Geschäftsf­ührer der Anti-Doping-Agentur (Nada). Er ist verheirate­t und hat vier Kinder.

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Im April 2018 gastierte Wrestlings­tar John Cena (li., gegen Triple H.) noch in Dschidda. Im November, nach dem Khashoggi-Mord, sagte er ab.
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Foto: APA / AFP / Fayez Nureldine Ein saudischer Fußballfan zeigt König (li.) und Kronprinz her.
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Foto: AP Schwab spricht sich gegen Ausgrenzun­g im Sport aus.

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