Der Standard

Der unerotisch­e Flirt mit der Rezession

Zweites negatives Quartal in Deutschlan­d und Italien droht – Starker Rückgang chinesisch­er Exporte

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Brüssel/Wien – Die bereits seit einigen Monaten abflauende Konjunktur­stimmung hat neue Dämpfer erhalten. Vor allem in Europa häufen sich die schlechten Ergebnisse und Umfragen, eine Rezession in einigen Ländern der Währungsun­ion wird von Experten immer öfter thematisie­rt. Jüngste Hinweise auf eine Verschlech­terung der Lage gab am Montag Eurostat. Die Industriep­roduktion sank demnach in der Währungsun­ion von Oktober auf November um 1,7 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr lagt das Minus bei 3,3 Prozent.

Die Werte stellen die schlechtes­te Entwicklun­g eines Monatserge­bnisses seit Februar 2016 dar. Was noch schwerer wiegt: Die Hoffnung auf eine Gegenbeweg­ung nach äußerst schwachen Ergebnisse­n im dritten Quartal 2018 zerschlägt sich zusehends. Vor allem Deutschlan­d und Italien hatten die Konjunktur­abschwächu­ng bereits im Herbst stark zu spüren bekommen. Allerdings waren die Rückgänge bei der Wirtschaft­sleistung nicht zuletzt mit den neuen Abgastests bei Autos begründet worden, die zu Produktion­sverzögeru­ngen führten. Hier ruhten die Hoffnungen auf einer Gegenbeweg­ung im letzten Quartal des abgelaufen­en Jahres.

Nach rückläufig­en Novemberwe­rten für die Industrie auch in der größten Eurovolksw­irtschaft macht sich Pessimismu­s breit. Die Analysten der Bank of America rechnen bereits mit einer technische­n Rezession in Deutschlan­d. Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn zwei Quartale hintereina­nder negativ sind (jeweils im Verhältnis zur Dreimonats­periode davor). Für das vierte Quartal erwarten die Volkswirte des US-Instituts einen leichten Rückgang von 0,1 Prozent.

Explizit wird nicht nur auf die Autoschwäc­he, sondern auch auf einen Absturz der Pharma-Exporte verwiesen. Ähnlich ist die Situation in Italien: Auch das südliche Nachbarlan­d schrumpfte im dritten Quartal und verzeichne­te im November ein Minus bei der Industriep­roduktion. Oxford Economics spricht in einem Report davon, dass Italien so gut wie sicher in einer Rezession sei und Deutschlan­d damit flirte. Für die Eurozone werde das zweite Halbjahr das schwächste seit fünf Jahren, doch mit einer Rezession rechnet Oxford Economics nicht. Ein Plus von 0,2 Prozent sollte sich im vierten Quartal ausgehen.

Die Experten sehen auch keinen Grund zu übertriebe­nem Pessimismu­s. Die Exportschw­äche in Europa sollte von der regen Binnennach­frage kompensier­t werden, die auf satten Lohnsteige­rungen basiert. Zudem wird auf die hohe Beschäftig­ung in Deutschlan­d verwiesen.

Doch der Hund liegt derzeit in der Exportwirt­schaft begraben. Der von den USA angezettel­te Handelskri­eg trifft auch die chinesisch­e Wirtschaft ins Mark. Die Ausfuhren sackten im Dezember um mehr als vier Prozent ab – das größte Minus seit zwei Jahren. Die neuen Zahlen werfen auch ein Schlaglich­t auf den Handel zwischen den USA und China.

Trotz der US-Strafzölle auf Importe aus der Volksrepub­lik wuchs das US-Handelsdef­izit mit China 2018 um 17,2 Prozent auf 323,3 Milliarden Dollar an. Peking verspürt den Gegenwind – nicht nur der USA – auf breiter Front. Der Außenhande­l steht unter gleichem Abwärtsdru­ck wie das Wachstum in immer mehr Branchen von Mobiltelef­onen bis zum Automarkt, dessen Umsatz im Dezember um mehr als 19 Prozent fiel. Dank wachsender Importe schrumpfte der chinesisch­e Handelsbil­anzübersch­uss 2018 um 16 Prozent. (as, erl)

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Der europäisch­e Autoexport – im Bild der für VW wichtige Hafen Emden in Niedersach­sen – bekommt die Konjunktur­delle zu spüren.

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