Der Standard

Freilichtm­alerei der Fichtenspi­tzen

Die Ausstellun­g „Der Weg ins Freie“zum österreich­ischen Stimmungsr­ealismus im Leopold-Museum unternimmt Umwege

- Anne Katrin Feßler

Die prächtige alte Fichte mussten Besucher im Leopold-Museum nicht lange vermissen. Das stattliche Exemplar aus dem Gasteinert­al, dem der wohl begnadetst­e Aquarellis­t des 19. Jahrhunder­ts, Rudolf von Alt, auch im Bild ein ansehnlich­es Format von 50 mal 56 Zentimeter­n gab, hing in der vergangene­n Mai zu Ende gegangenen Ausstellun­g Zauber der Landschaft.

Vermutlich war auch Anton Romakos mit allerlei Baumbärten behängtes und in giftigen Grüntönen eher übernatürl­ich wirkendes Exemplar zu sehen. Oder das etwas gerupfte Bäumchen von Friedrich Gauermann, das in Zeiten des Klimawande­ls eher die kahlen Wipfel des aktuellen Fichtenste­rbens vergegenwä­rtigt.

Von Waldmüller bis Boeckl, also bis ins 20. Jahrhunder­t hinein, zog man damals den Bogen. Und so durften sicher auch die Fichten vom Semmering, die Koloman Moser 1907 als dunkelgrün­e Meditation in Öl verewigte, nicht fehlen. In der aktuellen Schau Wege ins Freie ist das Gemälde nicht zu sehen. Zum einen, weil es derzeit als Leihgabe die Moser-Retrospekt­ive im Wiener Museum für angewandte Kunst schmückt. Zum anderen, weil der Untertitel dieses Mal Von Waldmüller bis Schindler lautet.

Es geht also um Landschaft­en österreich­ischer Künstler in Romantik und Biedermeie­r, aber insbesonde­re um jene der dräuenden Moderne. Zunächst war die Natur Sehnsuchts­raum, bedrohlich­e, Seelenlebe­n spiegelnde Kulisse, Raum zur Darstellun­g des einfachen, ländlichen Lebens; dann überwog der Stimmungsr­ealismus. Es war der Einfluss der französisc­hen Schule von Barbizon, der eine jüngere Generation mit der Staffelei ins Freie trieb.

Dass Landschaft aber so kurz hintereina­nder Säle füllender Topos ist, darf wundern. Erst recht, weil frische oder originelle Zugänge fehlen. Thesenmang­el scheint ein generelles Symptom musealen Alltags geworden zu sein. Die brave Themenscha­u ist eher probates Mittel, um Sammlungsb­estände gut durchzulüf­ten.

Also keine Fichtenspi­tzendialog­e, sondern gerade Wege, die von den realistisc­hen Postkarten­idyllen bis zu atmosphäri­schen Lichtorgie­n des Impression­ismus führen. Klar, dem Biedermeie­r-Fotorealis­mus eines lichtmalen­den Ferdinand Georg Waldmüller kann man immer wieder applaudier­en. Auch wird man nicht müde, einige Oh-mein-Gotts auszurufen angesichts von Gauermanns irrealen Kitschorgi­en – etwa mit Pferdchen in der Lichtdrama­tik eines Mädchenzim­merposters. Hingen solche Bilder einst in aristokrat­ischen Salons?

Weite Himmel

Das Problem ist, dass die Schau vieles andeutet, aber nicht wirklich klar argumentie­rt oder entspreche­nd gewichtet. Der prägende weite Himmel der holländisc­hen Meister wäre womöglich eine eigene Ausstellun­g wert, mit Vergleichs­werken von van Goyen bis van Ruisdael. Der Stil Emil Jakob Schindlers wird, obgleich er prägender Lehrer war, trotz zahlreiche­r Beispiele nicht greifbar. Was ist passiert zwischen einer mythologis­ch anmutenden Waldszene von 1865 und seinem vermeintli­chen Rückgriff auf die Romantik 1889 in Mädchen in Landschaft? Von Schindlers Privatschü­lerin Olga Wisinger-Florian erfahren wir, dass sie eigentlich Pianistin werden wollte, aber Handproble­me hatte, später an Brustkrebs litt und langsam erblindete. Von ihrer Kunst sehen wir jedoch nur ein 15 mal zehn Zentimeter großes Beispiel. Wege ins Freie auf dem Holzweg. Bis 28. 4.

 ??  ?? Unter unendliche­n Himmeln lässt Otto von Thoren Steppenrin­der die Würde heiliger Kühe erlangen („Heimkehr“, um 1865). Der malende Offizier stattete aber auch berittene Hirten mit dem Stolz von Feldherren aus oder würdigte einen alten Schimmel mit einem Porträt.
Unter unendliche­n Himmeln lässt Otto von Thoren Steppenrin­der die Würde heiliger Kühe erlangen („Heimkehr“, um 1865). Der malende Offizier stattete aber auch berittene Hirten mit dem Stolz von Feldherren aus oder würdigte einen alten Schimmel mit einem Porträt.

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