Der Standard

Wer warum aufsteht

- Michael Völker

Keine Frage, Sebastian Kurz ist es gelungen, ein Thema zu setzen, und zwar über den Tag hinaus: Wann stehen die Wiener auf? Und sind die Bezieher der Mindestsic­herung tatsächlic­h faule Sozialschm­arotzer? Über die erste Frage kann man mit Humor diskutiere­n, man kann auch entrüstet sein. Die Vorhaltung, die sich in der zweiten Fragestell­ung verbirgt, kann man zurückweis­en, man kann dem Fakten entgegenha­lten, letztlich wird die Antwort darauf je nach Einstellun­g, Wertekompa­ss und Empathieve­rmögen unterschie­dlich ausfallen.

Kurz hat mit diesem Thema nicht nur seine eigene Anhängersc­haft mobilisier­t, die auf den Leistungsg­edanken eingeschwo­ren ist, er hat auch einen Teil der FPÖ-Wähler mobilisier­t, die empört sind, dass Flüchtling­e ohne Arbeit zu ausreichen­d Geld kommen. Das war geschickt.

Kurz hat aber auch die Klientel von SPÖ und Grünen mobilisier­t, besser als es diese beide Parteien selbst vermocht hätten. Die sind jetzt rechtschaf­fen empört über einen „kalten Kanzler“, der kein soziales Gewissen habe und seinem Zynismus freien Lauf lasse. Das hat Kurz so sicher nicht gewollt, offenbar aber bewusst in Kauf genommen: Die Debatte über lang schlafende Arbeitslos­e überdeckt den Umstand, dass bei der Regierungs­klausur nur heiße Luft herausgeko­mmen ist. Auch der Datenfluss von der ÖVP zum Verfassung­sschutz ist aus den Schlagzeil­en verdrängt. Diese Übung ist – aus der Sicht von Kurz – vorerst einmal gelungen.

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