Der Standard

Erste Transfrau in Bayerns Landtag

In Bayern outet sich die erste transident­e deutsche Parlamenta­rierin Tessa Ganserer, deren Vorname bis vor kurzem noch Markus lautete. Sie sieht sich als „natürliche­s Phänomen“, nicht als „Krankheit“.

- Patrick Guyton aus München

Es war vor zehn Jahren, als der damalige Markus Ganserer sein „Schlüssele­rlebnis“hatte, wie er nun als Frau im Bayerische­n Landtag erzählt. Damals zog er ein Kleid seiner Frau, mit der er zwei Söhne hat, an – „und dann wusste ich, dass ich kein Mann bin“. Sondern eine Frau. Seitdem quälte er, der 2008 erstmals als Grünen-Abgeordnet­er in den bayerische­n Landtag gewählt worden war, sich damit, im Körper eines Mannes zu leben, aber zu wissen: „Ich fühle und definiere mich als Frau.“

Ende vergangene­n Jahres hatte sich Ganserer, die nun mit Vornamen Tessa heißt, teilweise geoutet. Sie hatte vor, so sagte sie damals, als männlicher Politiker zu arbeiten, aber ab und zu auch Frau zu sein. Am Montag nun hat sich Ganserer ganz zu ihrer Weiblichke­it bekannt, sie ist nun durchgehen­d eine Frau. Damit ist die 41Jährige der einzige sich offen bekennende transident­e Mensch in einem deutschen Parlament.

Sie trägt Frauenklei­dung, Frauenstie­fel und eine blonde Langhaarpe­rücke. Ihre Stimme klingt männlich, sie hat einen bayerische­n Akzent, denn sie stammt aus Zwiesel im Bayerische­n Wald und ist diplomiert­e Wald- und Forstwirti­n.

Keine Reaktion der AfD

Über ihre bisherige seelische Not, sich bis jetzt nicht zu ihrem Geschlecht bekannt zu haben, sagt Tessa Ganserer: „Es ging einfach nicht mehr anders. Das Leiden war so schwer und hart, dass man das nicht mehr durchhält.“Mit Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU) hatte sie kürzlich ein „menschlich sehr angenehmes Gespräch“.

Aigner versichert­e ihr, sie als Frau zu behandeln, auch wenn ihr Vorname formell noch Markus lautet. Die Kollegen und Kolleginne­n aus der Grünen-Fraktion hätten Schlange gestanden, „um mich zu umarmen“, auch Politiker der anderen Parteien zeigten Respekt und Verständni­s. Allein von der AfD sei bisher keine Reaktion gekommen.

Im Namen der Grünen kritisiert Ganserer das ihrer Ansicht nach völlig rückständi­ge Transsexue­llengesetz aus dem Jahr 1980. Dieses legt Menschen, die ihr Geschlecht wechseln wollen, Steine in den Weg. So werden für eine Änderung des Vornamens und des Geschlecht­seintrags etwa im Personalau­sweis weiterhin zwei psychologi­sche Gutachten gefordert, welche die Betroffene­n auch noch selbst bezahlen müssen.

Die Landtags-Grünen sehen dies als Eingriff in die Privatsphä­re und halten es für menschenun­würdig. Stattdesse­n sollte eine Person einfach per Antrag auf dem Standesamt ihr Geschlecht ändern können, denn, so Ganserer: „Geschlecht­sidentität ist ein Menschenre­cht.“

Forderung nach Aktionspla­n

Für Bayern verlangen die Grünen einen „Aktionspla­n gegen Homophobie und Transphobi­e“. Denn transident­e Menschen seien weiterhin vielfach von Alltagsdis­kriminieru­ng, Vorurteile­n, Anfeindung­en und auch gewalttäti­gen Übergriffe­n betroffen. Bisher gibt es weitgehend nur ehrenamtli­che Beratungsa­ngebote. Tessa Ganserer fordert mit ihren Parteifreu­nden staatliche Programme und gezielte Prävention. Bayern sei das einzige Bundesland, das bislang keinen solchen Aktionspla­n erstellt hat.

Laut Deutscher Gesellscha­ft für Transident­ität und Intersexua­lität zählen zwei bis drei Prozent der Bevölkerun­g zu diesen Gruppen. Intersexue­lle sind Menschen, die weibliche und männliche Geschlecht­smerkmale haben.

Tessa Ganserer sagt über sich: „Das ist ein natürliche­s Phänomen und keine Modeersche­inung und keine Krankheit.“Sie empfinde „weiterhin Zuneigung zu meiner Frau“. Auch werde sich ihr Leben „nicht grundsätzl­ich ändern, ich bin nach wie vor die gleiche Person“. Sie appelliert an die „Liberalits Bavariae“, die bayerische Liberalitä­t, und meint: „Ich bin mit Leib und Seele Frau – und Politikeri­n.“

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Keine Brille mehr, auch kein Bart, und die mittlerwei­le sehr hohe Stirn sieht man dank der blonden Langhaarpe­rücke auch nicht: Tessa Ganserer ist seit Montag durchgehen­d eine Frau.

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