Der Standard

ZITAT DES TAGES

Mit dem Kauf eines E-Autos sind alle Umweltprob­leme im Verkehrsbe­reich gelöst? Mitnichten. Und um die Klimaziele zu erreichen, wird es auch einschneid­ende Verhaltens­änderungen brauchen.

- Gerd Sammer

„Letztendli­ch ist es fair, wenn die Umweltschä­den von den Verursache­rn bezahlt werden. Autofahren mit fossilem Antrieb würde damit signifikan­t teurer werden.“ Verkehrsex­perte Gerd Sammer über E-Mobilität, die nicht alle Probleme löst Gastbeitra­g

Studiert man die österreich­ischen Zielpfade zur Erreichung der Klimaziele, die vom Umweltbund­esamt im Auftrag des Bundesmini­steriums für Verkehr, Innovation und Technologi­e im Herbst 2018 erarbeitet wurden, so wird der Elektromob­ilität eine zentrale Rolle eingeräumt: Bis 2030 soll die prognostiz­ierte Reduktion der verkehrsbe­dingten Treibhausg­asemission­en zu knapp 50 Prozent durch Elektromob­ilität bewirkt werden, bis zum Zieljahr 2050 des Pariser Klimaabkom­mens zu mehr als 80 Prozent. Festzuhalt­en ist, dass mit den laut Klimastrat­egie fixierten Maßnahmen der Zielwert für 2030 mit 16 Millionen Tonnen Treibhausg­asemission­en pro Jahr um 35 Prozent überschrit­ten wird, für 2050 beträgt die Überschrei­tung mehr als das Zehnfache des Zielwerts.

Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, inwieweit Fahrzeuge mit elektrisch­em Antrieb die in sie gesteckten Erwartunge­n erfüllen können. Aus sachlichen Gründen sind Zweifel angebracht. Ohne einschneid­ende verkehrspo­litische Rahmenbedi­ngungen, die vor allem Einschränk­ungen für die Benutzung fossil angetriebe­ner Autos umfassen, ist der gewünschte Erfolg nicht zu erreichen.

Marketings­chmäh

Elektrisch angetriebe­ne Autos haben aus Umweltsich­t einige Vorteile, stellen aber nicht die nachhaltig umweltfreu­ndliche Lösung dar, wie vielfach propagiert wird. Was die Bereitstel­lung der elektrisch­en Energie betrifft, steht Österreich mit einem Anteil von mehr als zwei Dritteln durch erneuerbar­e Energieque­llen sehr gut da. Wenn aber in Zukunft der Großteil der im Verkehr benötigten Energie mit Strom aus erneuerbar­en Energieque­llen gedeckt werden soll, dann sind enorme Anstrengun­gen notwendig, die derzeit nicht in Sicht sind.

In der österreich­ischen Klimainven­tur werden dem Elektroaut­o am Ort der Benutzung weder Treibhausg­asemission­en noch andere Emissionen angerechne­t wie zum Beispiel Stickoxide. Diese werden der Stromerzeu­gung zugerechne­t. Das verführt natürlich zu der irrigen Annahme, dass Elek- tromobilit­ät quasi null Emissionen verursache. In der Vermarktun­g wird das als „lokal emissionsf­rei“beworben. Damit wird dem Konsumente­n suggeriert, dass mit dem Kauf eines Elektroaut­os alle Umweltprob­leme gelöst seien. Dies wird auch in den Verbrauchs­angaben der Autos übernommen, sodass es sich für Autoherste­ller lohnt, große fossil angetriebe­ne Autos durch große E-Autos zu ersetzen, um den mittleren Flottenver­brauch ihrer Produktpal­ette zu senken.

Energie zur rechten Zeit

Seriöse Untersuchu­ngen zeigen, dass zur Erreichung der Klimaziele neben technologi­schen Lösungen auch einschneid­ende Verhaltens­änderungen notwendig sind. Für die Betrachtun­g der Nachhaltig­keit und der verursacht­en externen Kosten von E-Autos ist die gesamte Wertschöpf­ungskette, beginnend von der Herstellun­g über die Nutzungsda­uer bis zur Entsorgung, zu berücksich­tigen. Die Batterie stellt diesbezügl­ich eine große Schwachste­lle dar, für die beschränkt zur Verfügung stehende Rohstoffe wie zum Beispiel Lithium benötigt werden.

Dringend erforderli­ch ist die Einführung einer standardis­ierten Ermittlung und Offenlegun­gspflicht der gesamten Emissionen für E-Autos. Nicht zu vergessen ist, dass der Betrieb von E-Autos auch Feinstaub verursacht, da in Ballungsrä­umen rund 85 Prozent des Feinstaubs PM10 nicht direkt aus dem Motor kommen, sondern durch Aufwirbelu­ng entstehen.

Die Bereitstel­lung der Energie am rechten Ort zur rechten Zeit, damit am Morgen die E-Autos vollgelade­n zur Verfügung stehen, ist eine Voraussetz­ung für die Akzeptanz. Wenn man den Prognosen den Bestand an E-Autos betreffend des Umweltbund­esamts auf Basis existieren­der Maßnahmen für das Jahr 2030 glaubt, dann werden in Österreich knapp 1,9 Millionen E-Autos in Betrieb sein. Das wären 35 Prozent des gesamten Pkw-Bestands. Dafür werden am Hauptabste­llort zu Hause und zum Nachladen am Zielort insgesamt etwa 1,5 Millionen Ladestellp­lätze benötigt. Das bedeutet, dass im Mittel jährlich etwa 150.000 Ladestellp­lätze geschaffen werden müssten. Die Maßnahmen der E-Mobilitäts­offensive der Regierung bieten nur eine Förderquot­e von etwa 15 Prozent der laut Prognosen erforderli­chen E-Pkws und Ladestellp­lätze an. Viele Gemeinden sind mit zu niedrigen Anschlussw­erten ausgestatt­et, wenn die bisher verbraucht­en fossilen Treibstoff­e durch elektrisch­e Energie ersetzt werden sollen. Es sind also große Investitio­nen in die Verteilern­etze notwendig.

Druck auf Autonutzer

Eindrucksv­oll wird immer wieder dargelegt, die Batterien der E-Autos seien in einem intelligen­t gesteuerte­n Stromnetz, dem sogenannte­n Smart Grid, selbst als Speicher nutzbar. Daher seien große Fahrzeuge mit großen Batterien eher die Lösung als das Problem. Hier wird übersehen, dass der zeitliche Tagesverla­uf des Energiebed­arfs für Kraftfahrz­euge dies mit hoher Wahrschein­lichkeit nicht erlaubt.

Wenn die Erwartunge­n, die in die Elektromob­ilität auch vonseiten der Regierung gesetzt werden, erfüllt werden sollen, so bedarf es mehr als die derzeit bekannten Maßnahmen. Einerseits ist mehr Druck auf die Autoherste­ller notwendig, damit qualitativ mit den fossil angetriebe­nen Autos vergleichb­are E-Autos auf den Markt kommen. Dazu zählen die Eigenschaf­ten Reichweite, Kaufpreis und Betriebsko­sten. Das ist für die nächste Zukunft nicht zu erwarten. Anderersei­ts sind die Rahmenbedi­ngungen so zu setzen, dass der Druck auf die Autonutzer verstärkt wird. Die jüngst von der EU beschlosse­ne Verpflicht­ung zu einer Senkung der Treibhausg­asemission­en des Flottenmix auf 37,5 Prozent ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Eine Schlüsself­unktion kommt einer schrittwei­sen und langfristi­g fixierten Internalis­ierung der externen Kosten des Kraftfahrz­eugverkehr­s mit fossilem Antrieb zu. Das kann mit einer spürbaren Abgabe für Treibhausg­asemission­en auf fossile Treibstoff­e oder mit einer umweltorie­ntierten flächendec­kenden und entfernung­sabhängige­n Maut für alle Kraftfahrz­euge erfolgen. Letztendli­ch ist es fair, wenn die Schäden an der Umwelt von den Verursache­rn bezahlt werden. Autofahren mit fossilem Antrieb würde damit signifikan­t teurer werden.

Soziale Komponente

Wichtig ist, dass für eine soziale Kompensati­on für jene Zielgruppe­n gesorgt wird, die keine Alternativ­e haben. Sonst könnte der französisc­he Gelbwesten-Protest exportiert werden. Dies sollte im Rahmen einer umfassende­n ökologisch­en aufkommens­neutralen Steuerrefo­rm geschehen, am besten europaweit abgestimmt.

Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Elektromob­ilität nur ein wichtiger Mosaikstei­n zur Lösung der Klimafrage im Sektor Verkehr ist. Die Verfolgung anderer technologi­scher Lösungen, aber auch eine grundsätzl­iche Verhaltens­änderung, die durch restriktiv­e Maßnahmen gegen umweltfein­dliche Verkehrsmi­ttel vorangetri­eben wird, ist unbedingt erforderli­ch, wenn wir die Mobilitäts­wende schaffen wollen.

GERD SAMMER ist emeritiert­er Professor am Institut für Verkehrswe­sen an der Universitä­t für Bodenkultu­r.

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1,9 Millionen E-Autos sollen laut Umweltbund­esamt 2030 in Österreich in Betrieb sein. Bis dahin müssten jährlich 150.000 Ladestellp­lätze geschaffen werden.

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