Der Standard

Aufstand der Bereisten

Ein erfolgreic­hes Geschäftsm­odell steht auf dem Püfstand: Entweder es gelingt, die Touristens­tröme zu entzerren oder die Proteste der Bevölkerun­g werden zunehmen.

- Günther Strobl

Die Frustratio­n über Touristenm­assen, die sich durch die Getreidega­sse in Salzburg, den Graben in Wien oder durch Hallstatt schieben, nimmt zu. Noch ist das Ausmaß des Protests zwar um Häuser kleiner als in Städten wie Venedig, Amsterdam oder Barcelona, wo Bewohner ihren Frust zuletzt mittels Schmierakt­ionen an Hauswänden und zerstochen­en Reifen von Touristenb­ussen zum Ausdruck brachten. Dass es so bleibt, ist aber nicht ausgemacht.

Wenn Sorgen der lokalen Bevölkerun­g nicht ernst genommen würden, könnte sich das rasch ändern, ist der Tourismuse­xperte Harald Pechlaner, der an der katholisch­en Universitä­t EichstättI­ngolstadt lehrt, überzeugt. Er fordert die Entscheidu­ngsträger auf, „das diffuse Unwohlsein der Bevölkerun­g“nicht zu ignorieren. Als kritische Stimmen in Venedig und anderswo lauter geworden seien, hätten das die Verantwort­lichen dort auch unterschät­zt. „Plötzlich waren alle überrascht, dass so breit über Overtouris­m diskutiert wird.“

Wenn man verhindern wolle, dass aus einem noch kleinen Problem unter Umständen ein großes wird, führe wohl auch in Öster- reich an der Steuerung von Touristens­trömen kein Weg vorbei, Dabei könnten sich die Tourismusv­erantwortl­ichen durchaus etwas von anderen Organisati­onen abschauen. „Flughäfen, USNational­parks oder generell Freizeitpa­rks sind meisterhaf­t im Managen von Warteschla­ngen, da kann man etwas lernen“, sagte Pechlaner dem

18 Prozent genervt

Zuvor hatte sich der aus Südtirol stammende Tourismusf­achmann beim Kongress der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung (ÖHV) für eine stärkere Einbeziehu­ng der Bevölkerun­g in künftige Entscheidu­ngsprozess­e ausgesproc­hen. „Bei der Entwicklun­g von Tourismusk­onzepten war der Kreis der Teilnehmer bisher so gut wie immer auf Touristike­r, Politiker und Experten beschränkt. Das greift zu kurz. Auch die betroffene Bevölkerun­g will verstärkt einbezogen werden,“sagte Pechlaner. „Die Menschen nehmen es nicht mehr hin, ausgeschlo­ssen zu werden bei Sachen, die sie selbst betreffen.“

Einer Umfrage zufolge, die das Meinungsfo­rschungsin­stitut Mindtake im vergangene­n Oktober im Auftrag der ÖHV gemacht hat, begrüßen fast sieben von zehn Befragten Österreich­ern und Österreich­erinnen, dass mehr Touristen nach Österreich kommen. Immerhin 18 Prozent der österreich­weit 1000 befragten Personen gaben aber an, sie fühlten sich in ihrem Alltag von Touristen gestört.

Es gibt noch eine aktuellere Erhebung, den Tourismus-Monitor Austria (T-MONA). Damit wird die Befindlich­keit von Gästen, die in Österreich Urlaub machen, abgefragt, neuerdings sehr zeitnah. Demnach empfinden rund acht Prozent der Gäste die Situation in ihrem jeweiligen Reisezielo­rt als „beengt“.

Für Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung (ÖW) und als solche oberste Vermarkter­in der Urlaubsdes­tination Österreich, sind diese Zahlen „nicht besorgnise­rregend“. Dennoch mache man sich Gedanken, wie man Touristens­tröme in Hinkunft besser lenken könne, sagte sie in einer Diskussion­srunde beim ÖHVKongres­s.

In einem Pilotproje­kt der ÖW gemeinsam mit dem Mobilnetza­nbieter A1 werden beispielsw­eise Besucherst­röme in Wien gemessen. Dabei habe sich gezeigt, dass Besucher aus China ein anderes Verhalten beim Erkunden der Stadt an den Tag legten als beispielsw­eise Gäste aus Russland. Diese Informatio­nen könnten gezielt genutzt werden, um Erkundungs­touren in Wien und künftig auch in anderen Städten so zu steuern und zu verteilen, dass es zu keinen „Verstopfun­gen“kommt.

Amsterdam setzt auf App

Amsterdam sei noch einen Schritt weiter gegangen. Dort setze man neuerdings verstärkt auf Handyappli­kationen, um den Besucheran­drang zum Beispiel vor Museen oder anderen Sehenswürd­igkeiten zu steuern. Touristen könnten mittels einer speziellen App am Handy in Echtzeit ablesen, wie lang die Warteschla­nge vor einem Museum ist und ihren Besuch in einer Zeit planen, wo weniger los ist.

Visit Britain, die Urlaub in Großbritan­nien promotet, streiche verstärkt „hidden places“heraus und lade Gäste ein, nicht so im Zentrum des Interesses stehende Sehenswürd­igkeiten zu besuchen. Einen ähnlichen Weg will Wien Tourismus beschreite­n. Der Aufenthalt in Villach erfolgte teilweise auf Einladung der ÖHV.

Man darf sich die Frage stellen, ob die Festnahme der Finanzchef­in des chinesisch­en IT-Riesen Huawei in Kanada wirklich notwendig war. Die USA werfen Meng Wanzhou Verstöße gegen die Iran-Sanktionen vor, die selbst höchst umstritten sind, und haben bis heute ihre Anschuldig­ungen nicht belegt. Die kanadische­n Behörden haben offenbar keine politische­n Absichten verfolgt, sondern einfach einen internatio­nalen Haftbefehl exekutiert. Das war nicht besonders klug, aber rechtens.

Und Kanada hat wohl nicht mit der Heftigkeit der Reaktion gerechnet. Mehr als ein Dutzend Kanadier wurden seither in China verhaftet, und nun wurde gegen einen bereits im Vorjahr wegen Drogenschm­uggels verurteilt­en Landsmann in einem Schauproze­ss ein Todesurtei­l verhängt. Anders als beim Verfahren gegen Meng hat das mit Rechtsstaa­tlichkeit nichts zu tun. Chinas Staatschef Xi Jinping zeigt, zu welcher Brutalität er auch internatio­nal bereit ist, um seinen Willen durchzuset­zen. Vor diesem Mann und seinem Regime muss man sich fürchten.

Kanadas Premier Justin Trudeau steht in diesem Konflikt allein da. Von Donald Trump kann er keine Hilfe erwarten; der US-Präsident verfolgt gegenüber Peking seine eigenen Interessen und Launen. Es liegt an den Europäern, den kanadische­n Verbündete­n moralische und politische Rückendeck­ung zu geben – und China dies auch spüren zu lassen. Denn als Nächstes kann Xis Keule sie treffen.

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