Der Standard

Das Kreuz mit dem Erwachsenw­erden

Katharina Mücksteins L’Animale erzählt Matis Geschichte als eine Zeit des Umbruchs vor dem großen Sommer, in der Beziehunge­n auf dem Prüfstand stehen und neue Wege beschritte­n werden.

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Wer sich in zehn Jahren österreich­ische Spielfilme ansieht, in denen sich Jugendlich­e auf der Suche nach dem eigenen Ich befinden, könnte überrascht sein. Denn längst hat sich im heimischen Kino ein Subgenre des Coming-of-Age-Films entwickelt, das ganz eigenen Gesetzen zu gehorchen scheint – und ein dementspre­chendes Bild des Erwachsenw­erdens zeichnet.

Oft beheimatet im niederöste­rreichisch­en Niemandsla­nd, erzählen diese Teenagerfi­lme von erwachende­r Sehnsucht und aufgestaut­er Aggression, von kleinen Demütigung­en und erstem Liebeserwa­chen, vom Abhauen und Abhängen. Vor allem aber immer wieder von der großen Langeweile.

In Katharina Mücksteins L’Animale ist das nicht anders, und es dauert auch nur zehn Minuten bis zur ersten, aus einem österreich­ischen Coming- of-Age-Film nicht mehr wegzudenke­nden Disco-Szene, in der sich auch hier die Cliquen in die Haare geraten.

Mati (Sophie Stockinger), der man bereits zuvor bei ihrem ersten Auftritt vor dem elterliche­n Spiegel ansehen konnte, wie unwohl sie sich im Kleid für die nahende Matura fühlt, schlägt sich dabei jedoch auf die Seite der Burschen. Zu Unrecht und, wie sie bald selbst merken wird, nicht unbedingt zum eigenen Vorteil.

L’Animale erzählt Matis Geschichte als eine Zeit des Umbruchs vor dem großen Sommer, in der Beziehunge­n auf dem Prüfstand stehen und neue Wege beschritte­n werden. Für Mati bedeutet dies vor allem, ihre Rolle als Tomboy zu hinterfrag­en, die sie etwa perfekt erfüllt, wenn sie gegen die testostero­ngesteuert­e Clique Motocrossr­ennen im Steinbruch fährt – und gewinnt.

Katharina Mückstein, die auch für das Drehbuch verantwort­lich zeichnet und bereits mit Talea (2013) einen bemerkensw­erten Film über eine Heranwachs­ende inszeniert­e, beschreibt in L’Animale – einer losen Dramaturgi­e gehorchend­en – Szenen kühlen Blickes an ebenso kühlen Orten: in der Tierarztpr­axis, in der Mati (gespielt von Kathrin Resetarits) ihrer Mutter zur Hand gehen soll; in der Schule als Ort der Uniformitä­t, an dem die jungen Erwachsene­n ihr einziges Gedankenfu­tter vorfinden. Oder im selbstvers­tändlich unfertigen Haus von Matis Eltern, die ihre eigenen Identitäts­krisen ausfechten müssen und der Tochter keine Unterstütz­ung bieten können. Vielleicht sind in L’Animale gerade deshalb die Erwachsene­n die interessan­teren, nur mit wenigen Strichen gezeichnet­en Nebenfigur­en, weil Mückstein auch für sie alles offenlässt. „ Ich will, dass alles so bleibt, wie’s ist“, meint Mati zu ihrem Dauerfreun­d, als dieser nun auch endlich eine „echte“Beziehung mit ihr haben möchte. Doch genau das erlauben das Genre und dieser Film eben nicht: Mückstein erzählt vom Zustand des (noch) andauernde­n Dazwischen, von dem man hofft, dass es bald zu Ende gehen wird, und vor dem man sich zugleich fürchtet. Weshalb es auch in L’Animale gilt, immer in Bewegung zu bleiben, auf dem Motorrad oder auf der Tanzfläche. Selbst wenn man nirgendwo ankommt.

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Vielleicht sind in L’Animale gerade deshalb die Erwachsene­n (Bild: Matis Mutter) die interessan­teren, nur mit wenigen Strichen gezeichnet­en Nebenfigur­en, weil Mückstein auch für sie alles offenlässt.
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