Der Standard

Bei den Sozialpart­nern geht es um die Knackwurst

Das Klima zwischen den Sozialpart­nern hat sich unter Türkis-Blau deutlich abgekühlt. Vor allem die Arbeitnehm­ervertrete­r fühlen sich übervortei­lt. Die Regierung drängt weiter auf Einsparung­en bei den Kammern.

- Günther Oswald

Harald Mahrer ist eigentlich der Mann fürs Digitale. Er redet bei jeder Gelegenhei­t über Start-ups und die Chancen der Digitalisi­erung. So ganz schwört der Wirtschaft­skammerprä­sident alten Traditione­n aber nicht ab. Am Mittwoch findet auf seine Einladung wieder die sogenannte „Knackwurst­jause“statt. Bei diesem Empfang, der seit Kriegsende zu Jahresbegi­nn über die Bühne geht, tauschen sich die Sozialpart­ner und der eine oder andere Spitzenpol­itiker in lockerer Atmosphäre aus.

Auch wenn das Setting auf einen langjährig­en Brauch zurückgeht, haben sich die Rahmenbedi­ngungen im letzten Jahr massiv geändert. Alle vier Sozialpart­ner bekamen 2018 neue Präsidente­n, der Kurs der Bundesregi­erung hat zu einer Schwächung der Arbeitnehm­erseite geführt. In der Wirtschaft­skammer (WKO) herrscht dafür weitgehend Begeisteru­ng über die Koalition.

Ihr langjährig­er Wunsch nach einer Arbeitszei­tflexibili­sierung wurde erfüllt. Der Zwölfstund­entag ist zwar auch jetzt nicht die Norm, kann aber häufiger zur Anwendung kommen. Bei der Sozial- versicheru­ngsreform wurden die roten Funktionär­e zurückgedr­ängt, die schwarzen oder türkisen gewannen an Macht. Außerhalb der Sozialpart­nerschaft wurde auch die Regionalis­ierung der Mangelberu­fsliste entschiede­n. Die Unternehme­n haben es nun leichter, Arbeitskrä­fte aus Nicht-EU-Ländern zu holen.

Auf die lange Bank

Andere Materien wie der Papamonat oder die bessere Anrechnung von Karenzzeit­en, die den Arbeitnehm­ern ein Anliegen sind, bleiben hingegen Sozialpart­nermaterie – und werden daher mangels Konsenses auf die lange Bank geschoben. Eine größere Sozialpart­nereinigun­g gab es zuletzt bei keinem Thema.

All das hat im abgelaufen­en Jahr zu einer Klimaversc­hlechterun­g geführt. Die vom Gewerkscha­ftsbund und seinem neuen Präsidente­n Wolfgang Katzian organisier­te Demo gegen den Zwölfstund­entag im Juni war die größte seit den Protesten gegen die Pensionsre­form unter Schwarz-Blau I im Jahr 2003. Fortgesetz­t hat sich die frostige Stimmung bei den Kollektivv­ertragsver­handlungen im Herbst.

In einem Punkt hat Türkis-Blau im Vorjahr aber gekniffen. Eigentlich hätten die Kammern bis Ende Juni 2018 „konkrete Effizienzs­teigerunge­n und finanziell­e Entlastung­smaßnahmen für die jeweiligen Mitglieder“vorlegen sollen. So steht es im Regierungs­programm. Andernfall­s will die Koalition mit „gesetzlich­en Maßnahmen“für Entlastung­en sorgen.

Die Frist ist ohne konkrete Sparmaßnah­men verstriche­n. Die Arbeiterka­mmer (AK) unter deren neuer Präsidenti­n Renate Anderl gab ein „Zukunftspr­ogramm“ab, das keine Beitragsse­nkung vorsah, dafür aber neue Leistungen in den Bereichen Wohn-, Pflegegeld- und Bildungsbe­ratung. Für eine Digi- talisierun­gsoffensiv­e werden 150 Millionen Euro reserviert.

Die Wirtschaft­skammer zog sich auf den Standpunkt zurück, dass schon unter Mahrer-Vorgänger Christoph Leitl ein Sparprogra­mm im Ausmaß von 135 Millionen Euro beschlosse­n wurde. In Kraft getreten ist es erst heuer.

Konflikt nicht befeuern

Damit gab sich die Regierung vorerst zufrieden. Man wollte den Konflikt rund um das Arbeitszei­tgesetz nicht zusätzlich befeuern. ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz habe daher bewusst darauf verzichtet, den Sozialpart­nern gesetzlich­e Vorgaben zu machen, erzählt man in Koalitions­kreisen.

Aufgeschob­en ist aber nicht aufgehoben. Im Laufe der Legislatur­periode werde man weitere Einsparung­en verlangen, heißt es. Kommen solche Vorschläge nicht von den Kammern selbst, wird der Gesetzgebe­r initiativ werden.

Offen sei nur der Zeitpunkt. Abgewartet werden jedenfalls die Arbeiterka­mmerwahlen, die Anfang April enden. Redet man im Wahlkampf über Beitragskü­rzungen, würde das nur den Roten nutzen, argumentie­ren die koalitionä­ren Strategen. Nicht zuletzt deshalb hat man zuletzt auch rund um die Steuerrefo­rm davon Abstand genommen, die AK-Umlage für Geringverd­iener zu senken.

Klar sei aber, dass auch die WKO weiter sparen müsse, wenngleich die jüngste Senkung der Kammerumla­ge „natürlich berücksich­tigt“werde, wie es heißt. Intern haben die Leitl’schen Vorgaben durchaus für Rumoren gesorgt. Umsetzen muss sie nun Mahrer, der von einigen Länderkamm­ern durchaus skeptisch betrachtet wird. Er steht zudem unter Druck, weil die geplante Senkung der Körperscha­ftsteuer womöglich erst 2022 kommt.

Öffentlich nie Thema war bisher, ob auch die Landwirtsc­haftskamme­r unter ihrem neuen Präsidente­n Josef Moosbrugge­r sparen müssen wird. Ihr Einfluss in der Agrarpolit­ik besteht wie eh und je. Innerhalb der Sozialpart­nerschaft hat sie eine Art Sonderroll­e: Ihr fehlt das Pendant zum Streiten.

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Foto: Getty Unter Benya und Sallinger hatte die Knackwurst noch etwas Verbindend­es. Ob sie Harald Mahrer und Wolfgang Katzian einander näherbring­t, muss sich erst weisen.

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