Der weite Weg zu Mehrweg
Der Druck auf die Einführung eines Pfands für Plastikflaschen steigt. Österreichs Händler fürchten eine Kostenlawine. Warum PET vielen deutschen Supermärkten ein Körberlgeld bringt und ein Großteil der Verpackung aus der Kreislaufwirtschaft herausfällt.
Sie sind für den schnellen Konsum produziert. Entsorgt in freier Natur, zerfallen sie erst nach mehr als 450 Jahren in kleinste Plastikteile, die sich in der Umwelt anreichern. Ihr großes Volumen lässt Müllberge rasant wachsen. Ein großer Teil unter ihnen wird trotz ambitionierten Recyclings mit dem Restmüll verbrannt.
PET-Flaschen werden in Österreich zusehends zu einem Reizthema. Vielen Umweltexperten geht das geplante Verbot des Plastiksackerls im Einzelhandel nicht weit genug, zumal diese allein zwei Prozent zum Plastikmüll beitragen. Sie sehen den weit stärkeren Hebel im Kampf gegen die Flut an Kunststoff bei den Getränkeverpackungen.
Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste „Jetzt“(früher Pilz), brachte dazu im Nationalrat nun einen Entschließungsantrag ein. Dieser fordert die Bundesregierung dazu auf, eine Machbarkeitsstudie rund um die Einführung eines flächendeckenden, verpflichtenden Pfandsystems in Auftrag zu geben. Sämtliche Plastikflaschen und Getränkedosen gehörten erfasst. Parallel dazu müsse die Studie bis Herbst einen Rechtsrahmen für Mehrwegsysteme untersuchen. Debattiert werden soll der Antrag im nächsten Umweltausschuss. Rossmann ortet dazu aus der Politik recht positive Signale.
25 Cent sind in Deutschland retournierte PET-Flaschen dem Handel wert, mit der Folge, dass 97,9 Prozent derselben den Weg zurück in den Kreislauf finden. In Österreich werden derzeit 73 Prozent der ausgegebenen Flaschen gesammelt. Bares Geld gibt es für sie hier für Konsumenten, anders als in acht EU-Ländern, bisher keines.
„Mehr Aufwand als Nutzen“
Ein neues Pfand darauf ist vor allem für Handel und Wirtschaftskammer ein rotes Tuch. Dieses würde allein den Lebensmittelketten 200 bis 400 Millionen Euro kosten, ist Rainer Will, Chef des Handelsverbands, überzeugt. Der bürokratische Aufwand sei hoch, der Nutzen für die Umwelt gering. „Warum sollen wir ein zweites System einführen, wenn uns Deutschland um unser bestehendes beneidet?“Die Österreicher seien schon jetzt perfekte Sammler.
Werner Knausz beziffert die einmaligen Investitionen des Handels in Rücknahmeautomaten mit 100 Millionen Euro, gefolgt von jährlichen Betriebskosten von zehn bis zwölf Millionen. Ansonsten aber teilt der Vorstand der Altstoff Recycling Austria den Befund der Händler. „Wären wir in Rumänien mit einer Sammelquote von praktisch null würde ich sofort zum Pfand raten.“Österreich aber erkaufe sich die 7400 Tonnen an Kunststoffflaschen, die aktuell im Rest- müll landen und die sich durchs Pfand zusätzlich sammeln ließen, zu teuer.
Fest steht: Österreich muss bis 2025 exakt 77 Prozent der PET-Flaschen sammeln, 90 Prozent bis 2029. So will es die EinwegPlastikrichtlinie der EU. Über alle Kunststoffverpackungen hinweg gilt bis 2025 eine Recyclingquote von 50 Prozent. Bisher schafft Österreich 34 Prozent. Für Knausz führt an neuen Restmüll-Sortieranlagen in Wien und in den Ländern kein Weg vorbei. Mit noch größerem Sammelengagement allein sei die Quote nicht zu erreichen.
Mit Plastikflaschen U-Bahn fahren
„Österreich soll die Vorgabe von 90 Prozent ohne Pfand schaffen? Das geht nie und nimmer“, ist sich jedoch Christian Pladerer, Vorstand des Ökologieinstituts, sicher. Für ihn steht außer Zweifel, dass auch hierzulande ein Pfand auf alle Einwegverpackungen – Glas, Dosen wie PET – kommen wird. Nur so lasse sich die stoffliche Verwertung erhöhen. Dass derzeit drei von vier PET-Flaschen gesammelt werden, sage wenig über das weitere Recycling aus. Pladerer schätzt die Verwertungsquote auf lediglich 60 Prozent, der Rest werde verbrannt.
Jede gesammelte Tonne an PET-Flaschen ist Geld wert. Die Frage sei, wer verdiene daran, und wem werde was umgehängt, gibt Lisa Kernegger, Ökologin bei Global 2000, zu bedenken. Sie erinnert an Sammelsysteme im öffentlichen Raum, wie es sie etwa in Schweden gibt, oder an Peking, wo sich U-Bahn-Fahrten mit PET-Flaschen bezahlen lassen. „Wir müssen nichts Neues erfinden.“Auch sie glaubt nicht, dass sich die Quote ohne Pfand realisieren lässt. „Die Bevölkerung ist dafür offener als die Politik.“
Wie sieht der Blick aus Deutschland nach Österreich aus? Benedikt Kauertz, Verpackungsexperte am Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg, rät Österreich dazu, Schwachpunkte des bestehenden Sammelsystems zu evaluieren, ehe ein Pfand eingeführt werde. Deutschland habe Traumwerte bei der Erfassung von PET-Flaschen, habe es aber verabsäumt, alle Akteure in der Wertschöpfungskette früh an einen Tisch zu bekommen. Rund 180 Millionen Euro verbleiben durch nicht zurückgegebene Einwegflaschen beim Handel. Dieses Geld wäre bei Umweltprojekten besser aufgehoben, sagt Kauertz. Weniger als 30 Prozent der retournierten Flaschen dienten neuen Flaschen. Der Rest werde zu Folien bis hin zu Fasern verarbeitet und sei für die Kreislaufwirtschaft verloren. Reduziert hat das deutsche Pfand den Anteil an Mehrwegverpackung. Dieser ist mit 42 Prozent aber doppelt so hoch wie jener in Österreich.