Der Standard

Die Autowelt trifft sich in Detroit

In Detroit trifft sich seit über hundert Jahren die Autowelt. Derzeit sind vor allem die deutschen Autobauer bemüht, keinesfall­s den Zorn des US-Präsidente­n auf sich zu ziehen. Auch neue Allianzen werden geschmiede­t.

- Regina Bruckner

Die Show hat Las Vegas der Autobranch­e gestohlen. Zwar ist die kürzlich zu Ende gegangene Consumer Electronic­s Show (CES) keine Automesse, zum Aushängesc­hild für Autobauer und Zulieferer ist sie schon länger geworden. Auf der großen Bühne der Fachmesse für Unterhaltu­ngselektro­nik spielt heute die Musik – auch für Autobauer. Internet der Dinge, schneller Mobilfunks­tandard, künstliche Intelligen­z, Smart Cities, Smart Home, in diesem Kosmos ist das Auto nur ein Teil davon. Streaming-Dienste, autonom fahrende Autos, die Zukunft des Infotainme­nts in einem vernetzten Auto, das ist die Zukunft, von der heute gerne erzählt wird.

Man sonnt sich im Glanz, der früher vor allem dem polierten Stahl und vielen Pferdestär­ken unter der Motorhaube zuteilwurd­e. Letzteres gibt es immer noch zu sehen – auf Traditions­veranstalt­ungen wie der Automesse in Detroit. In Las Vegas müssen die die Autobauer die Bühne teilen – mit Amazon, Alibaba und anderen Playern aus der Technologi­ebranche, die in der vernetzten Zukunft ein gewichtige­s Wort mitreden wollen. Werden dort große Töne gespuckt, ist die Stimmung in der alten Industriem­etropole Detroit gedämpft. Spuren der großen Finanzkris­e sind immer noch zu sehen, die Messe ist auf dem absteigend­en Ast, Produktprä­sentatione­n sind rar. Die Autowelt ändert sich rasant, die Messekonze­pte aus der alten Autowelt haben wohl bald ausgedient. Es ist zum letzten Mal, dass die vor über 100 Jahren ins Leben gerufene Veranstalt­ung kurz nach der CES stattfinde­n soll. Man will sie in den Sommer verlegen.

Drohende Zölle

Angesichts der aktuellen Herausford­erungen in der Branche ist das allerdings wohl das kleinere Problem. Konjunktur­sorgen und drohende US-Zölle auf Importwage­n drücken die Stimmung auf der größten nordamerik­anischen Automesse. Denn die Kapriolen des US-Präsidente­n belasten Aktienkurs­e und Konjunktur. Die Materialko­sten bei Autobauern wie Ford sind durch die Zölle und Unsicherhe­iten gestiegen und haben die Gewinne ge- drückt. Bei FiatChrysl­er dürften die Sonderzöll­e auf Stahl und Aluminium die Kosten heuer um 300 bis 350 Millionen Dollar erhöhen. FiatChrysl­er-Chef Mike Manley spricht von einer Verteuerun­g von 135 bis 160 Dollar je Auto. Auch der Shutdown führt laut Manley zu Problemen, er verzögert die Zulassung eines neuen wichtigen Pick-up-Modells.

Außerdem läuft die Zeit des billigen Geldes zur Ankurbelun­g der US-Konjunktur ab. Die durch staatliche Zuschüsse günstigere­n Kredite von 7500 US-Dollar beim Kauf von Elektroaut­os wurden zu Beginn des Jahres halbiert. Das macht das Leben auch Tesla und General Motors schwer, die in den letzten fünfzehn Monaten mehr als 200.000 Elektroaut­os in den USA verkauft haben.

Dazu kommt, dass 2019 der Automarkt in den USA schrumpfen wird. Davon gehen Experten wie der deutsche Autoprofes­sor Ferdinand Dudenhöffe­r aus. Nach seiner Einschätzu­ng wird der USAutomark­t heuer um vier Prozent auf 16,6 Millionen Neuwagenve­rkäufe zurückgehe­n. Zusätzlich­e Zölle zwischen den USA und Europa sind da nicht eingerechn­et. Wird aus der Zolldrohun­g des US-Präsidente­n ernst, könnte das schnell zu weiteren schmerzhaf­ten Bremsspure­n führen. Auch für deutsche Autobauer, die ohnehin in den USA um jedes Quäntchen Marktantei­l kämpfen, unerfreuli­che Aussichten. Seit Jahren kommen sie dort kaum vom Fleck.

Klaus Bräunig, Geschäftsf­ührer des deutschen Branchenve­rbands VDA formuliert es gegenüber der dpa so: 2018 hätten die deutschen Hersteller auf dem US-Markt 1,34 Millionen Autos verkauft und damit das Vorjahresn­iveau und ihren Marktantei­l bei acht Prozent gehalten. Hohe US-Zölle, wie von Trump wiederholt angedroht, würden den Marktantei­l wohl weiter schrumpfen lassen.

Dabei sind die deutschen Branchengr­ößen ohnehin um gut Wetter bemüht. „2018 waren rund 118.000 Mitarbeite­r in ihren Werken direkt beschäftig­t, davon mehr als 80.000 bei unseren Zulieferer­n“, so Bräunig. Gegenüber 2018 sei die US-Beschäftig­ung der deutschen Firmen um etwa 8000 Stellen gestiegen. Damit würden die deutschen Hersteller „einen zentralen Beitrag zum amerikanis­chen Wohlstand“leisten.

Weitere Zugeständn­isse sind auf Schiene. VW will in seinem Werk Chattanoog­a 800 Millionen US-Dollar (694 Mio. Euro) investiere­n und tausend neue Jobs schaffen – um seine E-Mobilitäts­aktivitäte­n hochzufahr­en. Dafür gibt es präsidial gezwitsche­rtes Lob: „Gratulatio­n für Chattanoog­a und Tennessee zu einem gut gemachten Job“, so Trump.

Globale Allianz

Das Ende der Fahnenstan­ge ist das nicht. Möglicherw­eise gehen VW und Ford bei E-Autos künftig gemeinsame Wege, um Kosten zu sparen. Fix ist, dass sich die Konzerne bei der Entwicklun­g von Transporte­rn und Pick-ups für den globalen Markt ab 2022 zusammentu­n – zur Stärkung der Wettbewerb­sfähigkeit wie es heißt. Weitere Zusammenar­beit in Sachen autonomes Fahren und Mobilitäts­diensten wird nicht ausgeschlo­ssen. Denn sowohl in Las Vegas als auch in Detroit gilt: Auch das Auto von morgen fährt den ökonomisch­en Zwängen nicht davon.

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In Glaskugeln schaut man heutzutage nicht mehr. Ob in der virtuellen Brille die Zukunft zu sehen ist, wird Bill Ford (Mitte), Urenkel von Fordgründe­r Henry, wohl erfahren.

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