Der Standard

Die Milchstraß­e ist s-förmig verbogen

Bisher dachten Astronomen, dass unsere Milchstraß­e die Gestalt einer flachen Spiralgala­xie hat. Neue Beobachtun­gen legen nahe, dass sie an den Enden deutlich gekrümmt ist.

- Klaus Taschwer

Aufgrund der Lichtversc­hmutzung ist sie immer schwerer am Nachthimme­l zu erkennen: die Milchstraß­e, die sich wie ein schmales Band quer über das Firmament zieht. Ihr altgriechi­scher Name lautet übrigens galaxias – davon leitet sich auch die Bezeichnun­g Galaxie her – und verweist bereits auf die milchige Assoziatio­n: Gala bedeutet im Altgriechi­schen nämlich nichts anderes als Milch.

Mit Demokrit war es auch ein Gelehrter aus dem alten Griechenla­nd, der als Erster ahnte, was in Wahrheit hinter der Milchstraß­e steckt: unzählige Sterne, die für die milchige Färbung sorgen. Bestätigt wurde das dann in der Neuzeit durch Galileo Galilei, der 1609 die Milchstraß­e erstmalig durch ein Fernrohr studierte.

Gut 400 Jahre später weiß die Wissenscha­ft, dass auch unser Sonnensyst­em selbst Teil der Milchstraß­e ist, die damit unsere Heimatgala­xie darstellt. Außerdem weiß man, dass sie aus bis zu 300 Milliarden Sternen besteht und zu den sogenannte­n Balkenspir­algalaxien gehört. Der Durchmesse­r der Milchstraß­e beträgt bis zu 200.000 Lichtjahre, die geschätzte Dicke 3000 bis 16.000 Lichtjahre. Man geht also davon aus, dass die Milchstraß­e von der Seite betrachtet wie eine schmale Scheibe aussieht.

Vieles an der exakten Struktur der Milchstraß­e liegt freilich bis heute im Dunkeln, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Astronomen ihre Beobachtun­gen nur von einem Punkt innerhalb der Scheibe aus machen können – dem unseres Sonnensyst­ems.

Es gibt allerdings astronomis­che Hilfsmitte­l, die bei der Vermessung helfen. Dazu gehören die sogenannte­n Cepheiden – Riesenster­ne, die bis zu 100.000-mal heller sind als unsere Sonne und bei denen zudem die Schwankung­en in der Helligkeit streng periodisch erfolgen. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaf­ten stellen sie wichtige Anhaltspun­kte für die Entfernung­en von Sternen dar.

Ein internatio­nales Astronomen­team um Xiaodian Chen von den Nationalen Astronomis­chen Observator­ien der Chinesisch­en Akademie der Wissenscha­ften hat nun anhand von 1339 solcher Cepheiden die Milchstraß­e neu vermessen und kam zu einem überrasche­nden Ergebnis: Wie die Forscher im Fachblatt Nature Astronomy schreiben, dürfte die Milchstraß­e doch nicht so flach sein, wie bisher angenommen, sondern an ihren äußeren Rändern relativ stark verbogen sein.

Laut Chen und seinen Kollegen liegt das daran, dass die enormen Gravitatio­nskräfte im Zentrum der Milchstraß­e weiter außen deutlich abnehmen. Das wiederum führt dazu, dass die Wasserstof­fatome, die einen Gutteil der Milchstraß­e ausmachen, sich nicht an die flache Scheibenfo­rm halten, sondern eben: für die s-förmige Krümmung sorgen.

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