Der Standard

Proteste gegen Parlement

Bei den Gelbwesten-Protesten mischen sich zu antisemiti­schen Untertönen immer öfter antiparlam­entarische. In Lyon lieferten sich Rechte und Linke eine Straßensch­lacht.

- Stefan Brändle aus Paris

Bei den Gelbwesten-Protesten in Frankreich mischen zu den antisemiti­schen Untertönen nun auch antiparlam­entarische.

Bei ihrem „13. Akt“gingen laut Innenminis­terium am Samstag 51.000 Gelbwesten landesweit auf die Straße. Anlass zu Diskussion­en lieferten vor allem Schlägerei­en unter Rechtsund Linksextre­misten. In Lyon prallten je hundert Ultras aufeinande­r. Sie versuchten sich zuerst gegenseiti­g mit nationalis­tischen oder antifaschi­stischen Parolen zu übertönen. Dann trennten sie sich wie auf Geheiß in Lager, und es begann eine wüste Keilerei.

Auf den Balkonen filmten verdutzte Zaungäste den Straßenkam­pf zwischen Männern, die alle Gelbwesten trugen, während die CRS-Polizei daneben stand. Der Polizeiprä­fekt erließ lediglich einen Medienaufr­uf, die friedliche­n unter den Demonstran­ten sollten sich aus den Umzügen entfernen, weil diese „durch Risikogrup­pen infiltrier­t“seien.

Spannungen zwischen den Ultras hatte es an den Protestumz­ügen der „gilets jaunes“schon immer gegeben. Bisher überwog aber offenbar ihr gemeinsame­s Ziel – der Angriff auf Symbole des Staates und des Reichtums.

Wettbewerb der Radikalen

Mehr und mehr allerdings dominiert an den anhaltende­n Demonstrat­ionen die direkte Konfrontat­ion zwischen den radikalste­n Elementen. Er möge sich nicht erinnern, eine solche „Verfolgung­sjagd zwischen Nationalis­ten und Antifaschi­sten“jemals erlebt zu haben, gab danach der Extremismu­s-Forscher Jean-Yves Camus zu Protokoll. Beide Seiten lieferten sich nun, so stellte er in französisc­hen Medien fest, einen eigentlich­en „Wettbewerb“um die Vorherrsch­aft an den Samstagspr­otesten.

Die trotzkisti­sche Neue antikapita­listische Partei (NPA) hatte den rechtsextr­emen, aus dem berüchtigt­en Studentenv­erband GUD hervorgega­ngenen „Zouaves“schon per Communiqué vorgeworfe­n, sie hätten mehrere ihrer Mitglieder angegriffe­n und spitalsrei­f geschlagen. Ähnliche Vorwürfe kommen von der Gegenseite zurück. Auf beiden Seiten setzt es jeden Samstag blutige Köpfe.

„Macron und Rothschild“

Die Gelbwesten-Pionierin Jacline Mouraud hatte schon letzte Woche erklärt, die Bewegung sei „von der Ultrarecht­en und der Ultralinke­n völlig unterwande­rt“. Wobei die Unterschei­dung nicht immer leichtfäll­t: Die Transparen­te zeugen von gemeinsame­n Feindbilde­rn wie Emmanuel Macron, den Pariser Eliten oder dem „Kapital“– für sie verkörpert durch Macrons früheren Arbeitgebe­r, die Rothschild-Ivestmentb­ank. Unter den brennenden Autos stachen auch Samstag die Luxus- und Polizeiwag­en hervor.

In die antisemiti­schen mischen sich nun auch antiparlam­entarische Untertöne. Mehr als 50 Abgeordnet­e der Macron-Partei La République en Marche (LRM) sind seit Beginn der Gelbwesten-Proteste Opfer von Drohungen oder von Anschlägen auf ihre Büros oder Wohnsitze geworden.

Am Freitag wurde auch auf das Haus von Richard Ferrand ein Brandansch­lag verübt. Der enge Vertraute Macrons ist derzeit Präsident der Nationalve­rsammlung, weshalb der Angriff auch Symbolwirk­ung in Richtung der Parlaments­kammer hat.

Die Rechtsextr­emistin Marine Le Pen und der Linkenchef JeanLuc Mélenchon verurteilt­en die Brandstift­ung. In den sozialen Medien wurde ihnen aber auch von ihren Anhängern applaudier­t. Das linksliber­ale Magazin Obs kommentier­te darauf, den neuesten Gelbwesten-Protest umwehe „der üble Geruch des Antiparlam­entarismus“. Das erinnere an den – fehlgeschl­agenen – Sturm rechtsextr­emer Ligen auf die Nationalve­rsammlung im Jahr 1934.

Schwere Verletzung­en

Das auch, weil die Gelbwesten am Samstag die Nationalve­rsammlung in Paris zum Ziel nahmen. Nur ein harter Polizeiein­satz hielt sie von ihrem Vorhaben ab, Umzäununge­n des Parlaments einzureiße­n. Dabei gab es auch einen Schwerverl­etzten: Einem Demonstran­ten wurde die halbe Hand weggerisse­n, als er eine Blendgrana­te der Polizei abwehren wollte.

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Ziel der Demonstran­ten werden häufig Autos der Polizei – hier eines der Antiterror­operation Sentinelle. Außerdem trifft es Luxuswagen.

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