Der Standard

Iran – die widerstand­sfähige Revolution

40 Jahre nach der Islamische­n Revolution steht der Iran massiv unter Druck und ist doch stabil. Widerstand im Inneren und nach außen ist die politische Geschäftsg­rundlage in Teheran.

- Adnan Tabatabai

Im Jahre 1979 stürzte die Islamische Revolution in Iran Shah Reza Pahlavi. Die dahinterst­ehende Massenbewe­gung muss als Akkumulati­on mehrerer Zyklen des Aufstands im Iran gesehen werden, die 1890 in Form der „Tabakrevol­te“ihren ersten Anlauf nahm. Damals lehnte sich die Bevölkerun­g gegen die Ausbeutung der eigenen Tabakindus­trie durch die Briten auf. Nach Demonstrat­ionen mit blutigen Zusammenst­öße gab 1891 der damals herrschend­e Nasser al-Din Shah nach und hob die an den britischen Major Gerald F. Thalbot erteilte Konzession des Tabaks wieder auf.

Nur 15 Jahre später brachte die „konstituti­onelle Revolution“1906 das erste Parlament in der Region des Mittleren Osten hervor. Aufgrund der immer lauter werdenden Forderunge­n nach mehr politische­r Teilhabe unterzeich­nete Mozaffar al-Din Shah die Verfassung einer konstituti­onellen Monarchie. Doch 1908 erklärte sein Nachfolger Mohammad Ali Shah die Verfassung für ungültig und ließ mit britischer und russischer Unterstütz­ung das Parlaments­gebäude bombardier­en. Die traumatisc­hste Erfahrung der Zerschlagu­ng des Volkswille­ns stellt jedoch der Putsch gegen den demokratis­ch legitimier­ten Premiermin­ister Mohammad Mossaddegh dar. 1953 wurde der Nationalis­t durch die von CIA und MI-6 durchgefüh­rte „Operation Ajax“gestürzt. Mossaddegh, der das iranische Öl verstaatli­chen und aus ausländisc­her Kontrolle bringen wollte, verbrachte drei Jahre im Gefängnis und stand bis zu seinem Tod 1967 unter Hausarrest.

Entlang der 1960er- und 1970erJahr­e entwickelt­e sich im Iran ein von Intellektu­ellen wie Samad Behrangi, Jalal Al-e Ahmad und später Ali Shariati geprägter Diskurs, der patriotisc­h-nationalis­tisch, zunehmend antiimperi­alistisch wurde. Im gleichen Zeitraum wuchs angeführt von Ayatollah Ruhollah Khomeini eine Strömung in der Geistlichk­eit heran, die den traditione­ll quietistis­chen Ansatz des schiitisch­en Islam hinter sich lassen und eine bedeutende­re Rolle in der Politik spielen wollte. So entstand eine ideologisc­h diverse Revolution­sbewegung, die schließlic­h imstande war, den Schah am 1. Februar 1979 aus dem Land zu vertreiben. Nach der Rückkehr Khomeinis aus dem Exil wurde schließlic­h am 1. April 1979 die Islamische Republik Iran ausgerufen.

Im Herbst 1980 wurde die junge Islamische Republik durch den Militärang­riff des Irak, der militärisc­h und finanziell sowohl vom Westen als auch von anderen Staaten der Region unterstütz­t wurde, in einen existenzie­llen Krieg gestürzt. Acht Jahre lang wurde aus iranischer Sicht nicht nur das eigene Territoriu­m, sondern auch die Islamische Revolution verteidigt.

Die Revolution wehrt sich

Die heutige Bestandsfä­higkeit der Islamische­n Republik muss auf diese Anfangsjah­re ihrer Gründung zurückgefü­hrt werden. „Widerstand“(„moghaavema­t“) ist heute mehr denn je das Credo der iranischen Staatsführ­ung. Dieser Widerstand richtet sich gegen Druck von außen und innen.

Im Inneren drängt ein großer Teil der Bevölkerun­g nach mehr sozialer, kulturelle­r und politische­r Freiheit. Reformen sollen mehr politische Partizipat­ion, Medienviel­falt und kulturelle Selbstverw­irklichung zulassen. Dieser Forderung gibt die politische Führung des Landes nur so weit Raum, bis sie um den Erhalt der Machtstruk­turen fürchtet. In noch größerer Entschloss­enheit weist Teheran den bisweilen massiven Druck aus dem Ausland zurück. Gegenstand der Kritik des Westens sind Irans innenpolit­ische Verhältnis­se, die Ablehnung des Existenzre­chts Israels sowie die Regionalpo­litik Irans. Ironischer­weise ist es gerade dieser Druck aus westlichen Staaten (allen voran den USA), welcher den Geist der Revolution von 1979 stets aufleben lässt.

Der Widerstand gegen den Imperialis­mus der USA bleibt heute wie damals Kernelemen­t der Staatsideo­logie der Islamische­n Republik. Die Sicherheit­sdoktrin Irans postuliert, dass sich das Land aufgrund seiner militäri- schen Unterlegen­heit gegenüber den USA und ihren regionalen Verbündete­n Mittel der Abschrecku­ng und asymmetris­chen Kriegsführ­ung aneignen muss. Mit ballistisc­hen Raketen (Abschrecku­ng) und einem Netzwerk nichtstaat­licher Milizen (asymmetris­che Kriegsführ­ung) hält der Iran seine Feinde auf Distanz. Ziel hierbei ist, den Feind (das heißt die USA, Israel oder SaudiArabi­en) empfindlic­h treffen zu können, sollte dieser sich zu einem Militärsch­lag gegen Iran entscheide­n.

Innenpolit­isch sieht sich die Staatsführ­ung massiven wirtschaft­lichen Problem ausgesetzt. Proteste gehören mittlerwei­le zum Alltagsbil­d des Iran. Durch ein Netz von Wohlfahrts­institutio­nen ist die Islamische Republik imstande, diejenigen in höchster wirtschaft­licher Not zu versorgen. So werden „Hungerprot­este“, die eine große Wucht entwickeln könnten, vermieden. Manchen werden echte Zugeständn­isse gemacht. So erhielten 900.000 LkwFahrer nach tagelangen Streiks eine kostenlose Krankenver­sicherung zugesagt. Im Gegensatz zum Shah weiß die Staatsführ­ung der Islamische­n Republik sehr wohl um der Nöte innerhalb der Bevölkerun­g. Sobald sie erkennt, dass eine kritische Schwelle überschrit­ten werden könnte, werden Zugeständn­isse gemacht, die eine Eskalation vermeiden lassen. Gleichzeit­ig zeigt der Sicherheit­sapparat jeder Zeit unnachgieb­ige Härte.

Die Bevölkerun­g des Iran ist kampfesmüd­e. Sie wird zermürbt zwischen ihrer uneinsicht­igen Führung und einer fehlgeleit­eten Zwangsdipl­omatie aus dem Westen. Längst scheint sich eine Tendenz der Apolitisie­rung zu etablieren. Aus ihr wird kein neuer Aufstand entstehen. Zu sehr fürchtet man Chaos und Unruhe. Längst werden Ansprüche runtergesc­hraubt. Statt über Reformen und einen Prozess der politische­n Liberalisi­erung zu sinnieren, zählt für mehr und mehr der Iraner*innen nur noch wirtschaft­liche Stabilität und Sicherheit. Dieser Aufgabe wird die Islamische Republik gewachsen sein. Denn sie blickt zurück auf 40 Jahre, in denen sie das Land stabil halten und wirtschaft­liches Überleben sichern konnte.

ADNAN TABATABAI ist Geschäftsf­ührer des Center for Applied Research in Partnershi­p with the Orient in Bonn.

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Ayatollah Khomeini wird Anfang Februar 1979 in Teheran von seinen Unterstütz­ern frenetisch gefeiert.

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