Der Standard

Auf dem Weg zum Gipfel

Da sie eine Blamage fürchteten, mussten die USA die Thematik ihrer geplanten Anti-Iran-Konferenz in Warschau erweitern. Jetzt stehen auch andere Nahost-Krisenherd­e auf dem Programm.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Ankaras gehen teilweise weit auseinande­r. Vergnüglic­her ging es Gastgeber Wladimir Putin (links) daher am Tag davor an. Gemeinsam mit dem weißrussis­chen Präsidente­n Alexander Lukaschenk­o (rechts) nutzte er die Lifte und Pisten des Olympia-Ortes.

Ganz so heiß gekocht und gegessen, wie es sich die USA gewünscht hätten, wird bei der derzeit laufenden Nahostkonf­erenz in Warschau nicht: Angekündig­t war ursprüngli­ch ein Treffen, bei dem eine gemeinsame Politik gegen den Iran im Mittelpunk­t stehen sollte. Nach der kühlen Reaktion vor allem von EU-Staaten, die vor ihrer Haustür die Eskalation­sgefahr wachsen sehen, ist der Titel nun bemüht weit gefasst: Ministerko­nferenz zur Förderung einer friedliche­n und sicheren Zukunft im Nahen Osten.

In einem Informatio­nsblatt des US-Außenminis­teriums zu dem Treffen werden die „destruktiv­en Aktivitäte­n“des Iran in der Region nur noch unter anderem erwähnt. Die Europäer hatten sich vor allem darüber beschwert, mit der Ankündigun­g dieser Konferenz und deren Agenda einfach überfahren worden zu sein. Normalerwe­ise wird das mit den Partnern vorher abgestimmt. Das gilt aber nicht für die US-Regierung von Donald Trump, der die EU mit ihrem Festhalten am Iran-Atomdeal ohnehin schwer auf die Nerven geht.

Die Briten etwa haben ihre Teilnahme auf Ministerni­veau erst zugesagt, nachdem Jemen – ein Thema, bei dem auch Saudi-Arabien keine gute Presse hat – inkludiert worden war. Der Besuch von Jeremy Hunt fiel jedoch kurz aus. Die Außenminis­ter von Deutschlan­d und Frankreich blieben genauso fern wie die Außenpolit­ikchefin der EU, Federica Mogherini.

Trumps großer Deal

Von US-Seite hingegen reisten außer Außenminis­ter Mike Pompeo – der die Warschauer Konferenz nach seiner Rede am 10. Jänner in Kairo, die ebenfalls Iran-fokussiert gewesen war, angekündig­t hatte – Vizepräsid­ent Mike Pence und Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner an. Der Auftritt von Letzterem bedeutet, dass die Trump’sche Vorstellun­g eines „Ultimate Deal“für den Nahen Osten weiterlebt: ein israelisch-palästinen­sischer Friedenspl­an, der die Hürden zwischen Israel und den Arabern bei der Zusammenar­beit gegen den Iran ausräumen soll.

Die Palästinen­ser waren eingeladen, sagten jedoch ab. Dafür fuhr Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas zu Wochenbegi­nn zu König Salman ibn Abdulaziz nach Saudi-Arabien – und zumindest die arabischen Medien brachten groß dessen Beteuerung­en, dass sich die Araber mit nichts weniger als einem Palästinen­serstaat zufriedeng­eben würden.

Palästinen­serstaat

Das Echo dazu kam vom russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow, der in einem Statement einen Palästinen­serstaat „basierend auf den Grenzen von 1967“, der Waffenstil­lstandslin­ie von 1949, forderte. Er kam ebenfalls nicht nach Warschau.

Gut 50 teilnehmen­de Länder sollte es laut State Department geben, die Araber sind stark vertreten. Prominent besetzt ist die israelisch­e Delegation mit Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu an der Spitze. Wäre es bei der Einschränk­ung auf das Thema Iran ein Leichtes gewesen, israelisch­arabische Einigkeit zu demonstrie­ren, so wird es durch die Erweiterun­g schon schwierige­r.

Vor seiner Abreise nach Warschau hatte Netanjahu einmal mehr, in Abweichung von der üblichen israelisch­en Linie, einen israelisch­en Angriff gegen Hisbollah-Ziele auf dem Golan am Vortag bestätigt. „Wir operieren jeden Tag, auch gestern, gegen den Iran und seine Versuche, sich in der Region einzugrabe­n“, zitiert ihn Haaretz am Mittwoch.

Auch wenn nicht alle Konferenzt­eilnehmer ins Boot geholt werden können und keine besonders starke Abschlusse­rklärung erwartet wurde: Für die israelisch- (golf)arabischen Beziehunge­n ist die Konferenz auf alle Fälle eine Probe. Die Sicherheit­szusammena­rbeit hinter den Kulissen ist weit gediehen, aber es fehlen immer noch ganz offizielle Normalisie­rungsschri­tte. Besonders verzwickt ist die Situation mit Saudi-Arabien: Als selbsterna­nnter Champion der islamische­n Welt muss Riad Rücksichte­n nehmen, anderersei­ts schuldet man Trump Dankbarkei­t für die Treue nach dem Mord am Journalist­en Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul – aber da ist auch noch der Ärger über die wachsende Feindselig­keit, die aus dem USKongress kommt.

Auch die iranische Opposition hat in Warschau ihren Auftritt, auch wenn sie zweifellos vom Aufweichen der Agenda enttäuscht war. Die umstritten­en Volksmujah­edin mobilisier­ten im Vorfeld genauso wie die Monarchist­en – wobei die beiden Gruppen einander genauso hassen wie das iranische Regime.

Im Vorfeld wurde auf Twitter mit dem Hashtag #WeSupportP­olandSummi­t Stimmung für die Konferenz und gegen den Iran gemacht: Laut einer Recherche von BBC Monitoring kam jedoch die Mehrheit der 14.000 Tweets, die bis zu einem gewissen Zeitpunkt verbreitet wurden, von genau acht verschiede­nen Konten. Wobei der Einsatz von Bots natürlich nicht allein den Anti-Iran-Propagandi­sten vorbehalte­n ist. Diese Kunst beherrscht man inzwischen auf allen Seiten.

 ??  ?? Wenn heute, Donnerstag, im russischen Skiort Sotschi die Staatschef­s von Russland, dem Iran und der Türkei zusammentr­effen, dann bedeutet das Arbeit: Die Allianz der drei Länder in Syrien steht auf wackeligen Beinen, die Interessen Moskaus, Teherans und
Wenn heute, Donnerstag, im russischen Skiort Sotschi die Staatschef­s von Russland, dem Iran und der Türkei zusammentr­effen, dann bedeutet das Arbeit: Die Allianz der drei Länder in Syrien steht auf wackeligen Beinen, die Interessen Moskaus, Teherans und
 ??  ?? Proteste gegen das iranische Regime in Warschau. Allerdings sind manche Opposition­sgruppen ebenso umstritten.
Proteste gegen das iranische Regime in Warschau. Allerdings sind manche Opposition­sgruppen ebenso umstritten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria