Der Standard

Sorge um Statistik Austria

Opposition warnt vor politische­r Gängelung

- András Szigetvari

Wien – Die Opposition­sparteien im Nationalra­t haben am Mittwoch davor gewarnt, die Statistik Austria enger an das Kanzleramt anzubinden. Wie berichtet arbeitet eine Gruppe im Kanzleramt an einer Reform des Bundesstat­istikgeset­zes. Intern wurden einige Reformen bereits umgesetzt, so soll die Presseabte­ilung radikal verkleiner­t werden.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger fordert, die Statistik Austria dem Nationalra­t zu unterstell­en, um die Institutio­nen vor Einflussna­hme zu schützen. Der Abgeordnet­e Bruno Rossmann von der Liste Jetzt warnt, dass das Kanzleramt nach seinen Informatio­nen auch einen frühzeitig­en Zugriff auf Daten der Statistik wolle. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, er wisse von Umbauvorha­ben nichts, aber es gebe in der Statistik Intrigen. (red)

Eine im Bundeskanz­leramt eingesetzt­e Gruppe arbeitet an einer Reform der Strukturen bei der Statistik Austria. Parallel dazu wird innerhalb der Statistik bereits umstruktur­iert, also eine Abteilung verkleiner­t, eine Stabsstell­e aufgelöst. Diese Entwicklun­gen, von denen der

Standard am Dienstag berichtete, sorgten am Mittwoch für politische Aufregung.

Die Opposition­sparteien sprachen geschlosse­n davon, dass die Unabhängig­keit der Statistik Austria in Gefahr sei und erhalten werden müsse. Dazu kamen bereits erste konkrete Vorschläge. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger etwa warnt davor, dass das Bundeskanz­leramt versuche, die Kommunikat­ion der Statistik Austria unter Kontrolle zu bringen. Um das zu verhindern, schlägt sie vor, die Bundesagen­tur künftig dem Nationalra­t zu unterstell­en.

Derzeit ist die Statistik Austria eine ausgeglied­erte Agentur. Das heißt konkret: Inhaltlich arbeiten die Experten und die beiden Generaldir­ektoren weisungsfr­ei. Sie unterliege­n nur dann einem Weisungsre­cht, wenn sie Österreich im Ausland offiziell vertreten, etwa in zuständige­n europäisch­en Statistikg­remien. Das Bundeskanz­leramt wacht aber als zuständige Aufsichtsb­ehörde darüber, dass die Agentur all ihren Aufgaben nachkommt, die Budgetvorg­aben einhält. Der Bundeskanz­ler bestellt auch die Generaldir­ektoren.

Neos-Chefin Meinl-Reisinger würde diese Aufgaben lieber dem Nationalra­t zuweisen. Das Parlament solle mit einer Zweidritte­lmehrheit auch über die Bestellung der Generaldir­ektoren entscheide­n. Dadurch könnte der parteipoli­tische Einfluss zurückgedr­ängt werden, so Meinl-Reisinger. Die Neos haben auch eine parlamenta­rische Anfrage zu den Vorgängen eingebrach­t, unter anderem wollen sie wissen, welche Reformziel­e das Bundeskanz­leramt bei der Statistik Austria genau verfolgt.

Reformproj­ekte gestoppt

Wie berichtet, haben interne Umbauarbei­ten bereits begonnen. So soll die Presseabte­ilung von acht auf zwei Kollegen verkleiner­t werden, eine Stabsstell­e für Analyse wird aufgelöst. Wie der Standard erfahren hat, ist zudem ein Reformprog­ramm mit dem Namen „Projekt 2020“größtentei­ls gestoppt worden. Als Teil des Programms sollten dutzende kleine Neuerungen umgesetzt werden. Eines davon war die Einrichtun­g einer Datenbank, auf die verschiede­nen Abteilunge­n in der Statistik Austria hätten zugreifen können, um sich Daten anderer Abteilunge­n zu holen.

Die Projekte gelten als Steckenpfe­rde des fachlichen Generaldir­ektors der Statistik Austria, des SPÖ-nahen Konrad Pesendorfe­r. Den internen Stopp dieser Änderungen setzt die zweite Generaldir­ektorin in der Agentur durch, Gabriele Petrovic. Parallel dazu hat die erwähnte Reformgrup­pe im Kanzleramt ihre Arbeit aufgenomme­n, in der auch Petrovic sitzt. Ein Ziel der Gruppe soll sein, die Außenkommu­nikation der Statistik Austria stärker vom Bundeskanz­leramt aus zu koordinier­en.

Doppelglei­sigkeiten beseitigen

Laut Kanzleramt geht es darum, die Effizienz der Statistik zu verbessern, also bestehende Doppelglei­sigkeiten mit dem Kanzleramt zu beseitigen. Das Bundesstat­istikgeset­z wird dafür überarbeit­et. Personalfr­agen spielten in der Reformgrup­pe keine Rolle. Der Kanzler wurde zur Causa beim Ministerra­t am Mittwoch befragt. „Wir nehmen immer wieder Veränderun­gen vor, aber von meiner Seite ist nichts Konkretes geplant“, sagte Kurz. Er habe nur Gerüchte vernommen, dass es in der Statistik intern Konflikte um Zuständigk­eiten gebe.

Anders interpreti­ert die Liste Jetzt die Vorgänge. Laut Bruno Rossmann ist es der Plan des Kanzleramt­s, sich frühzeitig einen Zugang zu Daten der Statistik Austria zu sichern. „Damit handeln wir uns ein demokratie­politische­s Problem ersten Ranges ein“, sagt Rossmann. Auch er hat eine parlamenta­rische Anfrage eingebrach­t.

Die Statistik Austria ist für das zentrale Datenmanag­ement der Republik zuständig. Sie berechnet Zahlen zum Wirtschaft­swachstum, erhebt Daten zur Bevölkerun­g, zum Steueraufk­ommen und zur Arbeitszei­t. Sie wurde vor mehr als 19 Jahren aus dem Bundeskanz­leramt ausgeglied­ert.

SPÖ-Geschäftsf­ührer Thomas Drozda fordert, dass Kanzler Kurz das Projekt zum Umbau der Statistik stoppen muss. Die Pläne der Regierung erinnern ihn an die Einrichtun­g eines „Wahrheitsm­inisterium­s“: Das Wahrheitsm­inisterium stammt aus dem dystopisch­en Roman „1984“von George Orwell.

Zu Wort gemeldet haben sich schließlic­h auch wissenscha­ftliche Institute. Der Chef des Instituts für Höhere Studien, Martin Kocher, sagte: „Als Forschungs­institut ist für uns der Zugang zu soliden und neutralen Daten ganz wichtig.“Politische­r Einfluss auf Institutio­nen wie die Statistik Austria sei immer problemati­sch, „aber ich gehe davon aus, dass hier eine Einflussna­hme nicht geplant ist. Das wäre auch mit den EU-Regeln nicht vereinbar.“

Der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts, Christoph Badelt, sieht es so: Unter Pesendorfe­rs Führung sei ihm „aufgefalle­n“, dass die Statistik auch mit analytisch­en Aussagen stärker in der Öffentlich­keit stehe. „Mein Verständni­s ist, dass die Statistik Austria ein Datenprodu­zent und kein Analyst ist.“

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