Sorge um Statistik Austria
Opposition warnt vor politischer Gängelung
Wien – Die Oppositionsparteien im Nationalrat haben am Mittwoch davor gewarnt, die Statistik Austria enger an das Kanzleramt anzubinden. Wie berichtet arbeitet eine Gruppe im Kanzleramt an einer Reform des Bundesstatistikgesetzes. Intern wurden einige Reformen bereits umgesetzt, so soll die Presseabteilung radikal verkleinert werden.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger fordert, die Statistik Austria dem Nationalrat zu unterstellen, um die Institutionen vor Einflussnahme zu schützen. Der Abgeordnete Bruno Rossmann von der Liste Jetzt warnt, dass das Kanzleramt nach seinen Informationen auch einen frühzeitigen Zugriff auf Daten der Statistik wolle. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, er wisse von Umbauvorhaben nichts, aber es gebe in der Statistik Intrigen. (red)
Eine im Bundeskanzleramt eingesetzte Gruppe arbeitet an einer Reform der Strukturen bei der Statistik Austria. Parallel dazu wird innerhalb der Statistik bereits umstrukturiert, also eine Abteilung verkleinert, eine Stabsstelle aufgelöst. Diese Entwicklungen, von denen der
Standard am Dienstag berichtete, sorgten am Mittwoch für politische Aufregung.
Die Oppositionsparteien sprachen geschlossen davon, dass die Unabhängigkeit der Statistik Austria in Gefahr sei und erhalten werden müsse. Dazu kamen bereits erste konkrete Vorschläge. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger etwa warnt davor, dass das Bundeskanzleramt versuche, die Kommunikation der Statistik Austria unter Kontrolle zu bringen. Um das zu verhindern, schlägt sie vor, die Bundesagentur künftig dem Nationalrat zu unterstellen.
Derzeit ist die Statistik Austria eine ausgegliederte Agentur. Das heißt konkret: Inhaltlich arbeiten die Experten und die beiden Generaldirektoren weisungsfrei. Sie unterliegen nur dann einem Weisungsrecht, wenn sie Österreich im Ausland offiziell vertreten, etwa in zuständigen europäischen Statistikgremien. Das Bundeskanzleramt wacht aber als zuständige Aufsichtsbehörde darüber, dass die Agentur all ihren Aufgaben nachkommt, die Budgetvorgaben einhält. Der Bundeskanzler bestellt auch die Generaldirektoren.
Neos-Chefin Meinl-Reisinger würde diese Aufgaben lieber dem Nationalrat zuweisen. Das Parlament solle mit einer Zweidrittelmehrheit auch über die Bestellung der Generaldirektoren entscheiden. Dadurch könnte der parteipolitische Einfluss zurückgedrängt werden, so Meinl-Reisinger. Die Neos haben auch eine parlamentarische Anfrage zu den Vorgängen eingebracht, unter anderem wollen sie wissen, welche Reformziele das Bundeskanzleramt bei der Statistik Austria genau verfolgt.
Reformprojekte gestoppt
Wie berichtet, haben interne Umbauarbeiten bereits begonnen. So soll die Presseabteilung von acht auf zwei Kollegen verkleinert werden, eine Stabsstelle für Analyse wird aufgelöst. Wie der Standard erfahren hat, ist zudem ein Reformprogramm mit dem Namen „Projekt 2020“größtenteils gestoppt worden. Als Teil des Programms sollten dutzende kleine Neuerungen umgesetzt werden. Eines davon war die Einrichtung einer Datenbank, auf die verschiedenen Abteilungen in der Statistik Austria hätten zugreifen können, um sich Daten anderer Abteilungen zu holen.
Die Projekte gelten als Steckenpferde des fachlichen Generaldirektors der Statistik Austria, des SPÖ-nahen Konrad Pesendorfer. Den internen Stopp dieser Änderungen setzt die zweite Generaldirektorin in der Agentur durch, Gabriele Petrovic. Parallel dazu hat die erwähnte Reformgruppe im Kanzleramt ihre Arbeit aufgenommen, in der auch Petrovic sitzt. Ein Ziel der Gruppe soll sein, die Außenkommunikation der Statistik Austria stärker vom Bundeskanzleramt aus zu koordinieren.
Doppelgleisigkeiten beseitigen
Laut Kanzleramt geht es darum, die Effizienz der Statistik zu verbessern, also bestehende Doppelgleisigkeiten mit dem Kanzleramt zu beseitigen. Das Bundesstatistikgesetz wird dafür überarbeitet. Personalfragen spielten in der Reformgruppe keine Rolle. Der Kanzler wurde zur Causa beim Ministerrat am Mittwoch befragt. „Wir nehmen immer wieder Veränderungen vor, aber von meiner Seite ist nichts Konkretes geplant“, sagte Kurz. Er habe nur Gerüchte vernommen, dass es in der Statistik intern Konflikte um Zuständigkeiten gebe.
Anders interpretiert die Liste Jetzt die Vorgänge. Laut Bruno Rossmann ist es der Plan des Kanzleramts, sich frühzeitig einen Zugang zu Daten der Statistik Austria zu sichern. „Damit handeln wir uns ein demokratiepolitisches Problem ersten Ranges ein“, sagt Rossmann. Auch er hat eine parlamentarische Anfrage eingebracht.
Die Statistik Austria ist für das zentrale Datenmanagement der Republik zuständig. Sie berechnet Zahlen zum Wirtschaftswachstum, erhebt Daten zur Bevölkerung, zum Steueraufkommen und zur Arbeitszeit. Sie wurde vor mehr als 19 Jahren aus dem Bundeskanzleramt ausgegliedert.
SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda fordert, dass Kanzler Kurz das Projekt zum Umbau der Statistik stoppen muss. Die Pläne der Regierung erinnern ihn an die Einrichtung eines „Wahrheitsministeriums“: Das Wahrheitsministerium stammt aus dem dystopischen Roman „1984“von George Orwell.
Zu Wort gemeldet haben sich schließlich auch wissenschaftliche Institute. Der Chef des Instituts für Höhere Studien, Martin Kocher, sagte: „Als Forschungsinstitut ist für uns der Zugang zu soliden und neutralen Daten ganz wichtig.“Politischer Einfluss auf Institutionen wie die Statistik Austria sei immer problematisch, „aber ich gehe davon aus, dass hier eine Einflussnahme nicht geplant ist. Das wäre auch mit den EU-Regeln nicht vereinbar.“
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Christoph Badelt, sieht es so: Unter Pesendorfers Führung sei ihm „aufgefallen“, dass die Statistik auch mit analytischen Aussagen stärker in der Öffentlichkeit stehe. „Mein Verständnis ist, dass die Statistik Austria ein Datenproduzent und kein Analyst ist.“