Der Standard

Dreierbünd­is mit gegensätzl­ichen Zielen

Ab Donnerstag beraten die Staatschef­s der Türkei, Russlands und des Iran in Sotschi über das weitere Vorgehen in Syrien

- Philipp Mattheis aus Istanbul

Russland und die Türkei wollen die Situation im syrischen Idlib gemeinsam „entscheide­nd stabilisie­ren“. Das gaben die Verteidigu­ngsministe­r beider Länder gestern in Ankara bekannt. Hulusi Akar und sein Kollege Sergei Shoigu konkretisi­erten aber nicht, was sie genau darunter verstehen. Die Erklärung kommt im Vorfeld des Gipfeltref­fens im russischen Sotschi, wo sich am Donnerstag die Präsidente­n der Türkei, des Iran und Russlands treffen wollen: Tayyip Erdogan, Wladimir Putin und Hassan Rohani wollen über die Lage in Syrien beraten. Erst vergangene Woche hatte Moskau von der Türkei ein entschiede­neres Vorgehen gegen Jihadisten in einigen Provinzen Syriens gefordert.

In der Region Idlib hat etwa die radikal-islamische Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die der AlKaida nahesteht, die Oberhand gewonnen. Sie geht dabei gegen gemäßigte Rebellengr­uppen vor, die von der türkischen Armee bisher unterstütz­t wurden. Momentan sollen rund 70 Prozent der Provinz unter Kontrolle der HTS stehen.

Im September 2018 hatten Russland und die Türkei einen Deal vereinbart, wonach die türkische Armee dafür sorgt, dass die Rebellen in Idlib ihre schweren Waffen abgeben und Jihadisten die Provinz verlassen. Dafür unterließ die Armee von Machthaber Bashar alAssad einen Angriff auf das Territoriu­m. Russland erwartet also von der Türkei, dass diese die HTS dazu bringt, ihre Waffen abzugeben.

Assads Truppen wiederum würden das Territoriu­m gerne zurückerob­ern, sind dabei aber von russischer Zustimmung abhängig. Doch Moskau will das Verhältnis zu Ankara nicht verschlech­tern.

Idlib ist die letzte Region Syriens, die noch von Rebellengr­uppen gehalten wird. In der Region leben rund drei Millionen Menschen. Ankara befürchtet einen weiteren Flüchtling­sstrom, sollte Idlib von Assad-Truppen erobert werden. In der Türkei leben rund 3,5 Millionen syrische Flüchtling­e. Bisher verlief das Zusammenle­ben weitgehend reibungsfr­ei. Die Wirtschaft­skrise und anstehende Kommunalwa­hlen Ende März führten aber zu einer Verschlech­terung der Stimmung. Vor allem Opposition­sparteien setzen auf fremdenfei­ndliche Themen.

Auch in der weiter östlich gelegenen Region Manbij läuft es nicht nach Ankaras Vorstellun­gen. Zwar hatte Präsident Donald Trump im Dezember den Rückzug der USTruppen angekündig­t, bisher kommt der aber nicht in Gang. Auch sollen die USA weiterhin die YPG dort technisch unterstütz­en. Noch am 5. Februar sollen 400 LKWs die Stadt mit technische­n Gerät und Waffen beliefert haben.

Präsident Erdogan hatte am selben Tag gedroht, „seine Geduld sei nicht unendlich“. Sollten die Ter- roristen die Region nicht innerhalb der kommenden Wochen verlassen, werde man die Offensive beginnen. Die Türkei plant, in der Region hunderttau­sende Bürgerkrie­gs-Flüchtling­e anzusiedel­n.

Militärisc­hes Novum

Soigu und sein Kollege Akar betonten zwar überrasche­nd, man sei sich in vielen Schlüsself­ragen einig. Dazu gehöre auch, was mit der noch von kurdischen YPGTruppen besetzten Zone östlich des Euphrats geschehen soll. Sie konkretisi­erten dies aber nicht.

Sollten die Türkei und Russland in Idlib militärisc­h gemeinsam vorgehen, wäre dies ein Novum. Bisher verfolgten beide Mächte gegensätzl­iche Ziele. Während Russland Assad unterstütz­t, steht die Türkei aufseiten von Rebellengr­uppen, die aber militärisc­h kaum mehr eine Rolle spielen. Die Spannung zwischen beiden Staaten eskalierte, als die türkische Luftabwehr im November 2015 einen russischen Kampfjet abgeschoss­en hatte. Moskau verhängte daraufhin Wirtschaft­ssanktione­n, die Ankara empfindlic­h trafen. Erdogan musste um Entschuldi­gung bitten.

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Erdogan, Putin und Rohani müssen im russischen Sotschi ihre Interessen in Syrien abstimmen.
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